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Die "Milde Möhre" ist einiges der wenigen Festivals, die 2020 stattgefunden haben. | Quelle: imago images/P. Weisflog

Festivalsommer 2021

Eine zarte Hoffnung auf Realitätsflucht

Sommer 2021 - Freiheit und endlich wieder tanzen! Sinkende Inzidenzen machen diese Vorstellung immer realistischer. Die ewig andauernde Planungsunsicherheit hat allerdings zur Folge, dass viele Festivals nicht stattfinden. Aber noch ist nicht alles abgesagt. Autorin: Bernadette Huber

“Herzallerliebste Realitätsfluchthelfer:innen” schreibt die Nation of Gondwana und bedient damit schon immer - aber in diesem Jahr ganz besonders - ein inneres Verlangen vieler Menschen. “Wir sehen die Nation 2021 nach wie vor am Horizont” steht auf der Webseite. Es gibt sie also noch, die Hoffnung für die Tänzer, Loslasserinnen, Kostümierten und Realitätsflüchter: Festivalfeeling im Sommer 2021.

Diese Festivals wurden abgesagt

Viel scheint von diesem Traum erst einmal nicht mehr übrig. Abgesagt sind unter anderen das Melt, Splash, Southside, Hurricane und Rock am Ring. Auch das Brandenburger Helene-Beach findet dieses Jahr nicht mehr statt. All diese großen Festivals wurden auf 2022 verschoben. Die Tickets behalten meist ihre Gültigkeit.

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Veranstalter geben Politik Schuld

"Fusion"-Festival wegen Corona-Pandemie erneut abgesagt

Mitte Mai hat auch die Fusion bei Lärz gecancelled. Davor wurde noch mit einem eigenen Testlabor und doppelten PCR-Verfahren ein ambitioniertes Hygienekonzept entwickelt. Der "Versuch, einen temporären Fluchtpunkt aus der pandemischen Dystopie des Winters 2020/21 zu erkunden", ist trotzdem gescheitert [fusion-festival.de]. Mutmaßlicher Grund: die Größenordnung von 35.000 Gästen pro Wochenende. Die Alternative sind jetzt drei kleine Festivals mit jeweils 10.000 Tickets im Spätsommer.

3x Brandenburger Festival

Die Nation of Gondwana (Havelland) hält bisher an zwei Juli-Wochenenden fest. Auch hier wurde ein 20-seitiges Hygienekonzept erarbeitet. Feste Kleingruppen in Fahrgemeinschaften, PCR Test und personalisierte Tickets: Der Vorverkauf wurde dem Konzept angepasst. Impfstatus ist nicht relevant [pyonen.de]. Das Line-up ist veröffentlicht, eine offizielle Genehmigung gibt es aber noch nicht.

Quelle: imago images/P. Weisflog

Die Wilde Möhre (Spree-Neiße ) konnte schon vergangenes Jahr als "milde Möhre" stattfinden. 2021 sind vier kleine Festivals im Juli und August geplant. Alle vier mit unterschiedlichen Schwerpunkten und jeweils 2.000 Gästen [wildemoehrefestival.de].

Daneben hält auch das Feel-Festival (Elbe-Elster) an zwei Juliwochenenden fest. Veranstalter Martin Salchow sagt rbb|24 am Dienstag, die Hygienekonzepte seien bereits eingereicht. Er warte auf die Rückmeldung der Behörden, mit denen man im regen Austausch stehe. Das Gesundheitsamt habe zurzeit pandemiebedingt das letzte Wort. Währenddessen werde aufgrund der knappen Zeit weiter finanzielles Risiko eingegangen: Der Aufbau habe bereits begonnen, mit Künstler:innen werde konkret und gleichzeitig möglichst unverbindlich geplant. Er hoffe jeden Tag auf eine konkrete Ansage, was schlussendlich möglich sei und was nicht.

Quelle: imago images/P. Weisflog

Harte Zeiten für Kulturschaffende

Für Kulturveranstaltungen und Festivals gilt seit Beginn der Pandemie vor über einem Jahr ein vollständiger und damit der längste Lockdown. Bis zum 30. Juni 2021 ist durch die bundesweiten Bestimmungen eigentlich kein Festival möglich [§ 28b Infektionsschutzgesetz, bmjv.de].

Die Situation für die Veranstaler:innen ist sehr unterschiedlich. Wer in der Region mit dem Festival verwurzelt ist und langjährig Vertrauen und Kontakte aufgebaut hat, hat eventuell bessere Chancen auf Genehmigungen.

Je nach Bundesland gibt es auch unterschiedliche Vorgaben: Brandenburg möchte am kommenden Dienstag beschließen, Veranstaltungen im Freien mit bis zu 500 Teilnehmern zuzulassen, die Abstandsvorgaben werden aber voraussichtlich weiter gelten.

Auch die finanzielle Unterstützung bei Ausfall variiert: Mecklenburg-Vorpommern hat als einziges Bundesland eine finanzielle Unterstützung für seine 45 wichtigsten Großveranstaltungen angekündigt. Stattfinden sollen dort dieses Jahr das Airbeat One und das Immergut-Festival. Die Fusion hatte sich offensichtlich getraut, ambitioniert zu planen.

Wann der von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigte Sicherungsfonds für Kulturveranstaltungen greift, ist derzeit noch unklar [berlin.de].

Wissenschaftliches Projekt statt Festival

Neben der “Standard-Genehmigung” könnten manche Festivals als Pilotprojekt stattfinden.
Das brandenburger Wurzelfestival (Teltow-Fläming) setzt auf die wissenschaftliche Herangehensweise und plant ein 7-Stufen-Konzept mit vier sich unterscheidenden “Testveranstaltungen” [wurzelfestival.de]. Im Konzept integriert: Corona-Spürhunde der Bundeswehr. Wenn die Auflagen es verlangen, sollen die vier Veranstaltungen auf Juli und August verschoben werden.

Solche aufwendigen Hygienekonzepte sind für kleinere Festivals, teils von gemeinnützigen Vereinen veranstaltet, rein finanziell nicht machbar. Trotzdem scheint es auch hier Möglichkeiten zu geben.

Quelle: imago images/P. Weisflog

Weitere Festivals

Tickets verkaufen zum Beispiel noch das Urknall-Festival Mitte August in Klein-Buckow. Ende Juli findet im Spreeauenpark Cottbus das Elbenwald-Festival mit Musik, Lesungen und Workshops statt. Wer statt zu trancen lieber headbangt, für den könnte das Damsrock (Potsdam-Mittelmark) etwas sein. Das Metal-Festival Protzen ist im Austausch mit den Lokalpolitikern und hofft, als Modellprojekt der Region genehmigt zu werden. Heavy-Metal Großgewicht Wacken (Schleswig-Holstein) soll nach wie vor Ende Juli stattfinden.

Das ausverkaufte Lollapalooza in Berlin ist für September geplant und veröffentlicht auf Youtube verheißungsvolle Trailer [lollapaloozade.com].

Beitrag von Bernadette Huber

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