19-Jährige stirbt bei Unfall - E-Autos sind technische Herausforderung für Feuerwehr

Mi 29.07.20 | 21:43 Uhr
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Das ausgebrannte Unfallwrack eines Autos steht am 28.07.2020 an einem Baum in Groß Kreutz bei Potsdam (Quelle: dpa/Julian Stähle)
Video: rbb|24 | 29.07.2020 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: dpa/Julian Stähle

Nachdem eine junge Frau in einem Elektroauto verbrannte, macht die Feuerwehr auf die Probleme beim Löschen von E-Autos aufmerksam. Sie benötige neue Materialien und Taktiken. Auch künftig müsse sich die Feuerwehr mit der Technologie auseinandersetzen.

Ein tödlicher Unfall mit einem Elektroauto in Brandenburg hat Probleme beim Löschen brennender E-Autos deutlich gemacht. Der Gemeindewehrführer von Groß Kreutz (Havel), Kristian Titsch, sagte dem rbb am Mittwoch: "E-Autos sind relativ schwierig zu löschen, diese Erfahrungen haben wir nicht." Er hatte den Einsatz mit etwa 30 Kameraden von mehreren Feuerwehren aus der Umgebung geleitet.

Am Dienstag war eine 19-jährige Frau bei Groß Kreutz (Potsdam-Mittelmark) mit einem Audi E-Tron in einer Linkskurve aus noch ungeklärter Ursache von der Straße abgekommen, gegen einen Baum geprallt und darin verbrannt. Nach rbb-Informationen war sie bereits tot, als die Feuerwehr zum Einsatzort kam. Das sei der erste Fall eines abgebrannten E-Autos in Potsdam-Mittelmark gewesen, sagte Titsch. Zum Vergleich: Statistisch gesehen brennen in Deutschland täglich 110 Autos mit herkömmlichem Antrieb.

Material musste nachgeordert werden

Warum das Auto in Flammen aufging, konnte Titsch nicht beantworten, da er erst später zum Unfallort kam. Allerdings mussten erste Helfer und Einsatzkräfte am Unfallort von dem brennenden Wagen ablassen, zumal sich die Türen nicht öffnen ließen. Als klar war, dass es sich um ein E-Auto handelt, musste dann zunächst Material nachgeordert werden - aus Ludwigsfelde ein Container, aus Potsdam ein Feuerwehrkran - um das Wrack kontrolliert ausbrennen zu lassen.

"Das Unfallauto musste in den Container verfrachtet werden, der dann geflutet und 24 Stunden überwacht wird, ob sich die Batterie weiter thermisch zersetzt", erklärte Titsch, der seit mehr als 30 Jahren bei der Feuerwehr ist. Zudem musste das Wasser mit einem ph-Test-Mittel geprüft werden, ob sich eventuell Gase oder Stoffe bilden, die dann neutralisiert werden müssten.

"Feuerwehr wird oft erst einmal nicht helfen können"

Titsch sagte, er sei selbst überrascht gewesen, dass ein Auto so stark brennen könne, in dem keine brennbaren Flüssigkeiten seien. "Da muss ja so eine Energie in der Batterie drin sein, dass dort die Innenverkleidung brennt", sagte er, auch das Aluminium der Türen sei komplett geschmolzen gewesen. "Und daher steht die Feuerwehr vor richtig fatalen Aufgaben und der Frage: Wie können wir da adäquat helfen?" Außerdem könnten Kameraden zum Beispiel durch unter Hochspannung stehende Teile selbst gefährdet sein, so Titsch.

Der Gemeindewehrführer prognostizierte drastische Ausgänge bei möglichen weiteren Unfällen mit E-Autos: "Da wird die Feuerwehr oft erst einmal nicht helfen können, weil wir nicht wissen, wie wir taktisch da vorgehen." Man müsse sich erst informieren, um was für Modelle es sich handelt, welche Kabel und Batterien verbaut sind. Die Politik müsse da reagieren, fordert Titsch. Auf die Kommunen, die für den Brandschutz verantwortlich sind, werden immer mehr Kosten auch für neue Anschaffungen zukommen. Immerhin werde die Elektro-Mobilität immens gefördert und gerade auch mit dem Bau des Tesla-Werks in Grünheide (Oder-Spree) würden deutlich mehr E-Autos nach Brandenburg kommen.

Auch die Industrie müsse die Feuerwehren unterstützen, "und praktikable Hilfsmittel" geben, damit die Feuerwehr schnell wisse, wie sie helfen kann. "Da sitzen Leute in brennenden Wagen und wir können nicht helfen, weil wir nicht ausgebildet worden sind, weil keine Unterrichtsmaterialien und Konzepte da sind. Und ich möchte nachher nicht lesen: Die Feuerwehr stand nur rum und konnte nicht helfen, weil wir angeblich keine Ahnung hatten", sagte Titsch. Da könne die Elektro-Mobilität zur Todesfalle werden.

Lehrgänge und Fortbildungen

Michael Koch, stellvertretender Landesbranddirektor, sagte am Abend bei "Brandenburg aktuell", dass sich sich die Feuerwehren aktuell und künftig mit solchen technischen Neuerungen auseinandersetzen müssten. Die Landesschule für Brand- und Katastrophenschutz würde entsprechende Lehrgänge und Fortbildungen anbieten sowie Multiplikatoren ausbilden, die ihr Wissen an die Standorte weitergeben.

Spezialcontainer der Feuerwehr auf dem Gelände der KA Schmergow (Quelle: KA Schmergow)
In einem extra aus Ludwigsfelde herbeigeschafften Container kühlt das Unfall-Wrack noch ein bis zwei Tage ab. | Bild: KA Schmergow

Brennende E-Autos sollen normal gelöscht werden

Über die Brandgefahr und Probleme beim Löschen von E-Autos gibt es schon länger Diskussionen. So hatte ausgerechnet Audi im Vorjahr sein Elektromodell E-Tron zurückgerufen. Jörg Kirst, Technik-Experte des ADAC Berlin-Brandenburg, sagte dem rbb: "Ein Elektro-Fahrzeug ist per se nicht gefährlicher als ein klassisches Verbrennungsfahrzeug." Bei einem Unfall könnte es aber Probleme bei einem Zellenbruch geben, weil die Feuerwehr den entstehenden Brand dann nicht wirklich löschen, sondern nur kühlen kann, so Kirst. Damit solle verhindert werden, dass weitere Zellen beschädigt werden. Zu wirklichen Explosionen würde es aber nicht kommen.

Das Recherche-Zentrum "Correctiv" hatte im vergangenen Jahr ebenfalls einige Behauptungen rund um brennende Batterien einem Faktencheck unterzogen. Das Umweltbundesamt wird darin zitiert, dass die Lithium-Ionen-Batterien, die derzeit zum Großteil im Bereich der Elektro-Mobilität eingesetzt werden, "nach unserer Kenntnis Batteriesysteme mit Nickel-Mangan-Kobalt- und Nickel-Kobalt-Aluminium-Anode (LNMC und LNCA)" sind, wobei es herausstellte: "Lithium ist ein hochreaktives Metall." Das Material solle daher nicht mit Wasser in Berührung kommen, "da es sonst zu heftigen Reaktionen kommen kann". Zudem drohe bei zu großer Hitze eine "explosionsartige Zündung".

Bei dem abgebrannten E-Audi bei Groß Kreutz sprachen Einsatzkräfte von Verpuffungen, die die Löscharbeit erschwert hätten.

Der Deutsche Feuerwehrverband betonte wegen der aufgekommenen Unsicherheit beim Löschen einzelner brennender E-Autos in einem Lehrvideo, dass der Brand der Autos selbst normal mit Wasser bekämpft werden könne. Christian Emrich, Feuerwehrmann und Koordinator für Fachempfehlungen zum Thema Lithium-Ionen-Batterien, wird in dem Lehrvideo zitiert: "Die Feuerwehr sollte ganz normal vorgehen. Wir nutzen unser Hauptlöschmittel Wasser, um einen hohen und schnellen Kühleffekt innerhalb des Akkus zu erzeugen und die Prozessgeschwindigkeit zu reduzieren."

Aufgrund des entstehenden Rauches und Gases werde die normale persönliche Schutzausrüstung und Atemschutz genutzt, wie auch bei Bränden mit Kunststoffbeteiligung. "Es ist keine besondere Schutzausrüstung notwendig. Die aktuellen Standards sind ausreichend", sagte der Fachmann. Man benötige allerdings mehr Wasser, weil lange gekühlt werden müsse.

Nur für die finale Abkühlung des Akkus im Nachgang des eigentlichen Brandes sei etwa die Lösung mit Containern nötig, um die Brandgefahr in den Zellen, in denen chemische Reaktionen stattfinden, endgültig zu beseitigen.

Auch Frank Kliem, Vizepräsident des Brandenburger Feuerwehrverbandes betonte, Unfälle mit Elektrofahrzeuge seien für die Feuerwehrleute eine neue Herausforderung. Spezielle Schulungen zum Umgang bei Bränden mit den Fahrzeugen gebe es nicht. Über die jeweiligen Einsatzstellen der Feuerwehr würden die Kameraden aber mit Informationen versorgt.

Sendung: Brandenburg aktuell, 29.07.2020, 19:30 Uhr

64 Kommentare

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  1. 64.

    ein - sorry - Armutszeugnis für die Wehrführer. Der deutsche Feuerwehrverband hat schon genügend Infos zu Bränden mit E-Autos herausgegeben. Kein echtes Ding für eine gut ausgebildete Feuerwehr. Wasser und Co2

  2. 63.

    es müßte die KfZ und Wohngebäude-Versicherung beträchtlich für E-Autos erhöht werden und mein Nachbar sollte es bitte woanders parken.

  3. 62.

    Im stationären Bereich gibt es nicht elektrische Systeme schon lange, so z.B. zum Schutz von Friteusen in Großküchen. Eine Thermoelement gibt ähnlich wie einer einfachen Sprinkleranlage das Löschmittel frei. Siemens-Halske hatte schon vor dem WK I ein Patent für eine automatische Löschanlage für Trafostationen erteilt bekommen, die ebenfalls stromlos funktionierte. Der Bereich, der brennen kann, ist klar umrissen.

    Im PKW wäre allerdings eine Vielzahl von Stellen zu schützen: Der komplette Motorraum mit diversen brennbaren Flüssigkeiten auch jenseits des fossilen Kraftstoffes, die Elektrik (man denke nur an den oberen Scheibenwischer der DD samt wegeschmolzenem Dach) und nicht zuletzt hier in Berlin die Reifen. Gegen das an den Stammtischen gefürchtete Durchgehen der Traktionsbatterie wird die Anlage garantiert aber nicht helfen könne, da zu klein, wie ich dabei bleibe, dass bei einem massiv zerstörtem Vorderwagen auch die Löschanlage hinüber sein könnte.

  4. 60.

    Haben Sie sich den weiter unten verlinkten TSP-Artikel zum ausgebrannten Bus angeschaut oder von dem E-Auto, dessen Traktionsbatterie *nicht* durchgegangen ist? Bei den Stadtbussen entbrannte im wahrsten Sinne des Wortes eine Diskussion zu den im Innenraum verbauten Materialien, weil im Wesentlichen nur die tragenden Holme übrig geblieben sind

    Oder hier ein Verbrenner nach dem Vollbrannd ohne Verletzte:
    https://www.ksta.de/koeln/kalk/einsatz-in-kalk-fahrzeug-vor-stadtautobahntunnel-komplett-ausgebrannt-33218148

  5. 59.

    Es handelt sich um eine neuartige patentierte Brandschutzanlage u.a. für Autos, insbesondere im Unfallfall, d.h. der Aufprall ist kein Thema. Und sie löscht nicht mit Pulver. Und dies ohne dass Strom fließen muss

  6. 55.

    Die "Explosion" ist aber eher ein Aufplatzen durch zu hohen Innendruck.

  7. 54.

    Automatische Löschanlagen für Kraftfahrzeuge sind nichts neues und im Rennsport mit einem um ein Vielfaches höheren Brandrisiko üblich. Ob allerdings ein festeingebauter Pulverlöscher bei dem hier von vielen spekulativ angenommen Durchgehen der Traktionsbatterie hilft, ziehe ich dann doch in Zweifel wie sich mit auch die Frage stellt, ob die Löschanlage nach den starken Schäden durch den Aufprall an den Baum noch fuinktionieren würde.

  8. 53.

    Die Handys brennen nicht nur die explodieren sogar bei zu viel Hitze oder wenn sie starken Erschütterungen ausgesetzt sind. Bei normalem Umgang dürfte aber nichts passieren.

  9. 52.

    Dagegen gibt es eine patentierte Brandschutzeinrichtung, die insbesondere für den Einsatz bei Elektrobränden vorgesehen ist und automatisch in Sekundenschnelle das Feuer erstickt (USA-Patenterteilung am 21.02.2017 und EU-Patenterteilung am 15.05.2019). Aber die Automobilindustrie interessiert sich leider nicht dafür...
    siehe www.carhydrant.de

  10. 51.

    Wer sich für das Thema interessiert sollte sich mal den Beitrag zu Löscharbeiten von Spiegel TV anschauen, zu finden auf Youtube unter "Brennende E-Autos: Elektroschrott im Abklingbecken". Der Beitrag ist auch für Laien gut verständlich und anschaulich dargestellt.

  11. 50.

    @ RBB24: Hat die Traktionsbatterie gebrannt?
    Wieso mussten der Container und der Kran nachgeordert werden, um das Wrack kontrolliert ausbrennen zu lassen? Auf dem Foto war es schon vor dem Verladen ausgebrannt.

  12. 49.

    Elektrofahrzeuge sind nicht brandgefährlicher als Verbrennungsfahrzeuge.
    Lithium ist nur in geringer Menge und nicht in reiner metallischer Form in den Akkus enthalten. Auch ein Elektrofahrzeug kann mit Wasser gekühlt und der Brand unterdrückt werden, bis die Insassen gerettet sind. Wir bieten unser Fachwissen allen interessierten Feuerwehr-Akademien zur Schulung gerade der Freiwilligen Feuerwehren an.

  13. 48.

    Muss mich revidieren, hab einen sehr viel besser recherchierten Beitrag im Focus zu den Umständen gelesen und kann der Feuerwehr und den Ersthelfern keinen Vorwurf machen. Der Beitrag vom rbb ist einfach schlecht und soll somit nur provozieren . Focus berichte sehr Wertfrei. Dies würde ich mir von den Öffentlich Rechlichen auch wünschen. Ist hier mal wieder nicht der Fall.

  14. 47.

    Der E- Tron ist ein reiner Stromer ohne Verbrennungsmotor

  15. 46.

    Und mit so etwas wollen Sie löschen? Vergl. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Löschmittel#Aerosol-Löschmittel
    In großen Lackieranlagen wird übrigen lokal an der Spritzdüse der Sauerstoff entzogen, meist durch Austragung von CO2.
    Wasser hat als Löschmittel zwei wesentliche Wirkweisen: Primär Kühlen und sekundär Verdrängung des Luftsauerstoffes durch Wasserdampf

  16. 45.

    Ja, "katastrophaler Bericht!" ist der erste Eindruck.

    Jedoch sind solche tragischen Ereignisse selten und haben erstmal nichts mit E-Autos zu tun. Hier war es auch ein Plug-in-Hybrid mit einem nur kleinen Energiespeicher. Das Fahrzeug hatte damit einen Kraftstofftank, was neben dem vielen Kunststoff die Brandintensität erklärt.

    Zum Thema Kraftfahrtbundesamt:
    angenommen, es gäbe keine Autos. Und wenn man mit unserem heutigem Wissen und Verständnis von Sicherheit, neu ein solches Verkehrsmittel erfinden würde, mit dem mehrere Menschen mit rund 200 km/h und einem Tank mit 100 l hochentzündlicher Flüssigkeit durch die Gegend fahren könnten... würden wir das genehmigen?

    Auch herkömmliche Verbrenner sind ein wenig gefährlich...

    Und Feuerwehren... die sind grundsätzlich schon vorbereitet. Es gibt Aus- und Fortbildung und auch Fachtagungen zum Thema. Die weiteren Interviewpartner haben das bestätigt.
    Leider scheint das Thema noch nicht überall angekommen zu sein.

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