Schädling breitet sich aus - Brandenburger Firma sagt Stinkwanze den Kampf an

Sa 11.06.22 | 15:51 Uhr | Von Alexander Goligowski
  2
Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) bei der Eiablage. (Quelle: dpa/Christine Dieckhoff)
Audio: Antenne Brandenburg | 08.06.2022 | Karsten Steinmetz | Bild: dpa/Christine Dieckhoff

In Berlin ist sie längst heimisch, in Brandenburg wird sie immer häufiger gesichtet: die Marmorierte Baumwanze. In Süddeutschland richtet sie bereits große Schäden an Obstplantagen an. Eine Wespe könnte gegen den Schädling helfen. Von Alexander Goligowski

Eigentlich kennt die Natur keine Schädlinge, jedes Wesen hat seinen Platz. Doch in vom Menschen gestalteten und genutzten Kulturlandschaften regelt sich nicht alles von selbst, erst recht nicht, wenn der Mensch etwas aus dem Gleichgewicht bringt.

Landwirte beispielsweise kennen sehr wohl Schädlinge. Ein weiterer kündigt sich an und droht zum ernsten Problem für Brandenburgs Obst- und Gemüsebauern zu werden: Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) ist braun, etwa einen Zentimeter groß, sehr vermehrungsfreudig und mit einem Rüssel ausgestattet, mit dem sie sich über jegliches Obst und Gemüse hermacht. Sie injiziert ein Gift, welches das Fruchtfleisch auflöst. So kann die Wanze es einsaugen.

"Im Inneren bleibt nicht viel übrig, was man essen kann"

Wie Früchte danach aussehen, kann man im Berliner Labor von Peter Katz beobachten. Der Wissenschaftler und Chef von Katz Biotech hält hier Marmorierte Baumwanzen zu Forschungszwecken. "Äpfel zum Beispiel: Werden die ein paar Mal von der Wanze angestochen, sehen die zwar äußerlich noch ganz in Ordnung aus, im Inneren bleibt aber nicht viel übrig, was man noch essen kann", erklärt Katz und schneidet einen Apfel auf – alles braun.

Das ist ein Bild, das sich Obstbauern in Süddeutschland und noch schlimmer in Tirol immer häufiger bietet. Ernteausfälle von bis zu 40 Prozent allein durch die Baumwanze sind keine Seltenheit und Pestizide helfen kaum. Warum? Peter Katz blickt auf die Wanze in seiner Hand. "Wenn man hier sieht, wie groß die Baumwanze im Vergleich zu meinem Finger ist, dann wird deutlich, dass es doch ein sehr robustes Tier ist. Entsprechend braucht man auch recht große Mengen an Pflanzenschutzmitteln, um ein solches Tier umzubringen. Ökologisch wäre das ziemlich bedenklich." Und es wäre sehr teuer für die Landwirte.

Ein Vogel, der eine Baumwanze frisst, wird es kein zweites Mal tun.

Peter Katz, Wissenschaftler

Per Obstkiste nach Berlin

Natürliche Feinde kennt die Baumwanze hier in Europa noch nicht. Vögel, die sie fälschlicherweise für einen fetten Leckerbissen halten, bereuen es schnell. Halyomorpha halys gehört zu den Stinkwanzen: "Die senden so ein ekliges Sekret aus, wenn sie sich bedroht fühlen. Ein Vogel, der eine Baumwanze frisst, wird es kein zweites Mal tun", sagt Peter Katz. Über Handelswaren wurde die Baumwanze aus Asien eingeschleppt und breitet sich seither immer weiter Richtung Norden aus. Oft nimmt sie den Obstkisten-Express. Darüber hat sie es bereits bis nach Berlin geschafft, wo sie sich seitdem prächtig reproduziert.

Ein Mittel gegen die Marmorierte Baumwanze muss her, denn die Zeit drängt. "In zwei bis drei Jahren könnte sie auch für Brandenburger Gartenbauern zum großen Problem werden", schildert Peter Katz die Lage. Er steht vor Regalen voll mit Käfigen. Dort krabbeln hunderte Exemplare des Schädlings in verschiedenen Entwicklungsstadien durcheinander. Peter Katz und sein Team züchten die Tiere, weil sie an ihre Eier wollen.

Eine Samuraiwespe zwischen Wanzeneiern. (Quelle: dpa/Klaus Schrameyer)Die Samurai-Wespe könnte ein Mittel gegen Baumwanzen sein.

Die Samurai-Wespe als natürlicher Gegenspieler

Eine Mitarbeiterin sammelt die grünlichen Gelege mit den wenige Millimeter großen Eiern aus den Käfigen in eine Schale. Sie werden für den eigentlichen Forschungsgegenstand von Katz Biotech gebraucht – die Samurai-Wespe. Diese stammt ebenfalls aus Asien und ist der natürliche Gegenspieler der Marmorierten Baumwanze. In der Petrischale mit bloßem Auge nur als winzige schwarze Punkte erkennbar, zeigt sich unter dem Mikroskop, wie die Wespe zum Nützling in der Landwirtschaft werden könnte.

Die Samurai-Wespe legt ihre Eier direkt in die Eier der Baumwanze ab. Darin entwickeln sich die Larven und fressen die Wanzeneier von innen auf. "Am Ende schlüpft aus den Eiern der Marmorierten Baumwanze keine Wanze, sondern eine neue Samurai-Wespe", erläutert Jörg Rademacher, der Laborleiter von Katz Biotech, das Prinzip am Mikroskopbild. "Und das machen die Wespen hocheffizient. In kürzester Zeit werden nahezu alle Eier der Baumwanze von der Wespe parasitiert."

Einen solchen potenziellen Nützling im großen Stil zu vermehren, daran forscht Katz Biotech und die Ergebnisse sind so vielversprechend, dass sie das Bundeslandwirtschaftsministerium mit Fördermitteln unterstützt. Für Peter Katz ist die Samurai-Wespe der Schlüssel zum Wanzen-Problem: "Ich denke sogar, wenn wir es schaffen, diesen Nützling hier in Deutschland zu etablieren, dass sich das Problem von alleine löst nach einigen Jahren", ist er sicher.

Bundesamt wehrt sich noch gegen Einsatz

Noch ist das aber eine Zukunftsvision. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat der Verwendung der Samurai-Wespe einen Riegel vorgeschoben. Weil die kleine Schlupfwespe noch nicht als heimisch gilt, darf sie zurzeit nicht freigesetzt werden. Gefahren durch die asiatische Wespe für heimische Insektenarten sollen ausgeschlossen werden. Auch das untersucht Katz Biotech. Laborleiter Jörg Rademacher sieht keinen Grund zur Sorge: "Diese Samurai-Wespe ist schon sehr stark angepasst an die Wirtseier der Marmorierten Baumwanze. Bei den Eiern, die wir untersucht haben, konnten wir nicht feststellen, dass Eier anderer Wanzenarten parasitiert werden."

Unter anderem in der Schweiz verwenden Bauern die Samurai-Wespen von Katz Biotech bereits in Plantagen für Tests. Auch in der freien Natur in Deutschland werden Samurai-Wespen immer wieder nachgewiesen. Deshalb hofft Peter Katz auf ein baldiges Umdenken beim BfN. "Wir sind inzwischen der Meinung, da die Art ja schon natürlicherweise vorkommt und in anderen europäischen Ländern keine Probleme verursacht hat, dass die Zurückhaltung des Bundesamtes für Naturschutz ein bisschen übertrieben ist. Zumal der Befallsdruck durch die marmorierte Baumwanze zunimmt und wir von den Landwirten gefragt werden, ob wir die Samurai-Wespen nicht liefern."

Kapazitäten hätte Katz Biotech in seinem Stammsitz in Baruth/Mark noch. In den Gewächshäusern dort werden seit langem biologische Schädlingsbekämpfer bzw. Nützlinge gezüchtet, vom Marienkäfer über Raubmilben bis hin zu Schlupfwespen gegen die Weiße Fliege. Ohne letztere zum Beispiel wäre die Gemüsezucht in Gewächshäusern fast undenkbar. Noch scheut Peter Katz die Investition in die Samurai-Wespe, denn die Produktion von Nützlingen ist aufwändig und kostspielig. Wenn das Startsignal für die Samurai-Wespe gegen die Marmorierte Baumwanze aber kommt, stehen sie hier in Baruth schon in den Startlöchern.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 13.06.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Alexander Goligowski

2 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 2.

    Hatte ich vor min 15 Jahren schon in Krumme Lanke, die kommen zum Herbst auch gerne rein ;-) und riechen nach fauligem Apfelgriebsch *örgs* mit Biotonne.... Hat damals keinen interessiert. Habe sie als Nordamerikanische Zapfenwanze identifiziert, mangels Vergleich.

    In den Haselnuss-Anbaugebieten ist sie als "Stinkwanze" gefürchtet, weil sie Ernten vernichtet oder geschmacklich unbrauchbar macht. Die wissen übrigens, wie man das Thema in den Griff kriegt. Gut angeschaut ;-)

  2. 1.

    Im vergangenen Hätte ich an meinen Himbeeren einen starken Befall mit Wanzen, ich weiß allerdings nicht, ob es die beschriebene Art war. Abgesehen davon, dass viele Früchte! "ausgelutscht" waren, konnten wir die ganze Ernte nicht genießen, denn auch die anderen Früchte schmeckten abartig

Nächster Artikel