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Audio: Antenne Brandenburg | 21.07.2022 | Quelle: dpa/Jens Büttner

15 Geräte zum Start

Brandenburg testet jetzt auch Bodycams für Polizisten

Nach langem Anlauf startet nun auch in Brandenburg ein Test mit Bodycams für Polizisten. Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt den Einsatz und verweist auf Erfolge in anderen Ländern. Datenschützer setzen aber weiter enge Grenzen. Von Hanno Christ

In Brandenburg – so der gängige Slogan des Landesmarketings – kann es so einfach sein. Beim Thema Bodycams war es das offenbar nicht. Sonst wären die Kameras, die künftig Polizeieinsätze körpernah dokumentieren sollen, wohl schon längst Teil der Ausrüstung der Beamten.

Seit 2016 sind sie in der Diskussion, am Mittwoch werden die Kameras von Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Polizeipräsident Oliver Stepien nun auf dem Hof des Innenministeriums präsentiert. Es ist der Startschuss für die Erprobung von 15 Geräten, vorerst auch nur auf dem Gebiet der Polizeiinspektion Potsdam. Geplant waren auch Einsätze in Oberhavel, Cottbus und Spree-Neiße. Für Bürgerinnen und Bürger ist also die Wahrscheinlichkeit einer Bodycam-Kontrolle bei 8.500 Beamten in Brandenburg noch ziemlich gering.

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Bodycam soll in Einsätzen deeskalierend wirken

Für Stübgen ist das jetzt aber ein wichtiger Schritt, "um Gewalt gegenüber Polizeikräften im Dienst im Vorfeld zu verhindern oder zumindest nachträglich ahnden zu können, werden die Kameras das Einsatzverhalten aufzeichnen". Im vergangenen Jahr seien mehr als 2.000 Polizeibedienstete Opfer von Gewalt geworden, ergänzte Polizeipräsident Oliver Stepien. Die Zahlen seien im ersten Halbjahr leicht gestiegen. "Die Bodycam soll in solchen Einsatzsituationen deeskalierend wirken und im Einzelfall auch zur objektiven Sachverhaltsaufklärung beitragen", sagte Stepien.

Die Verzögerung des Einsatzes schiebt Stügben maßgeblich auf komplexe Datenschutzbestimmungen des Landes. Aber auch in der rot-roten Vorgängerregierung fehlte ein gemeinsamer Wille, das Projekt anzugehen. Stübgen hofft aber auf den landesweiten Einsatz der Geräte. Je nach Ausstattung kostet ein solcher Apparat 300 bis 750 Euro. Insgesamt ist der Einsatz von 45 Kameras dreier Hersteller vorgesehen.

Überwachung und Schutz

Das Prinzip der Technik ist eingängig: Die Kameras tragen Polizistinnen und Polizisten auf Schulterhöhe. Bei Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Beamten oder auch Gefahr für Dritte können sie sie aktivieren. Vor der Aktivierung müssen sie die Personen, die gefilmt werden, erst davon in Kenntnis setzen. Es ist der Schlüsselmoment, auf den die Polizei setzt, da Aggressoren meist keinen Wert darauf legen, bei Angriffen dokumentiert zu werden und von einem Angriff ablassen. Ziel des Einsatzes ist nicht nur der Schutz der Beamtinnen und Beamten, die Dokumentation von Fehlverhalten, sondern auch die Sicherung von Beweismitteln und die Aufklärung von Straftaten.

Die auf der Kamera gespeicherten Aufnahmen werden anschließend an spezielle Rechner übermittelt und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Wenn sie nicht für ein Strafverfahren benötigt werden, ist die Löschung nach 14 Tagen vorgeschrieben. Datenschützer haben ein genaues Auge auf die technischen Prozesse und die Speicherung der Daten. Selbst eine Zwischenspeicherung unterliegt genauen Vorschriften im eigens novellierten Brandenburger Polizeigesetz.

Brandenburg als Nachzügler

In Brandenburg startet nun offiziell die Erprobung der Geräte, die andere Bundesländer schon vor Jahren durchlaufen hat. Ob Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder auch Sachsen – bundesweit hat die Polizei bereits tausende Geräte unterschiedlicher Fabrikation im Einsatz und reichlich Erfahrung damit gesammelt. Nun macht Brandenburg erneut seine eigenen.

Dabei hatte erst vor wenigen Tagen die Berliner Gewerkschaft der Polizei bereits den Abbruch der Probephase in Berlin gefordert und eine umgehende flächendeckende Ausrüstung der Beamten mit den Kameras. Schon allein das Tragen beziehungsweise die Androhung einer Aufnahme habe deeskalierend gewirkt und präventiven Charakter entfaltet, so GdP-Landeschef Stephan Weh.

In Berlin sind seit 2021 20 Bodycams im Einsatz, die gesetzliche Grundlage dafür läuft zum 1. April 2024 aus. Ende 2022 sollte die Zahl der Kameras auf 300 erhöht werden. Bislang seien sie 101 Mal aktiviert worden - und hätten den oftmals angefeindeten Polizistinnen und Polizisten einen zusätzlichen Schutz vor Angriffen geboten. Es sei "unerklärlich", warum die Berliner Landespolitik jahrelange Erfahrungen in anderen Bundesländern und bei der Bundespolizei ignoriere und Zeit verliere, kritisierte die Berliner GdP.

Gewerkschaft fordert mehr Einsatzmöglichkeiten

Ähnlich ungeduldig zeigt sich auch die Brandenburger GdP-Vorsitzende Anita Kirsten. Die GdP begrüßt das Pilotprojekt der Bodycams, fordert aber eine Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten, etwa den Einsatz der Kameras in Wohnräumen. Der ist aus Datenschutzgründen bislang nicht zulässig. "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Einsätze mit hohem Konfliktpotential häufig in häuslicher Umgebung stattfinden, da Bedrohungslagen sich hauptsächlich im sozialen Umfeld und damit oft in Wohnräumen entwickeln", schreibt Kirsten per Pressemitteilung. Eine Bodycam biete Möglichkeiten, Transparenz und Nachvollziehbarkeit polizeilichen Handelns zu schaffen.

Auch hier seien andere Bundesländer weiter. Nordrhein-Westfalen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben bereits gesetzliche Grundlagen für den Einsatz der Kameras auch in Wohnräumen geschaffen. So weit sind sie in Brandenburg noch lange nicht. Angesichts knapper Haushaltsmittel ist fraglich, ob das Projekt Bodycam dauerhaft in nennenswertem Umfang bei der Brandenburger Polizei zum Einsatz kommt – oder vielleicht doch wieder ausgeknipst wird.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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