Interview | Transparency-Experte zu rbb-Affäre - "Compliance muss von oben vorgelebt werden"

Do 11.08.22 | 16:30 Uhr
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Prof. Christian Erdmann. (Quelle: Oana Popa-Costea)
Audio: rbb24 Inforadio, 11.08.2022, Jana Ebert | Bild: Oana Popa-Costea

Christian Erdmann, Experte von Transparency International, übt im Interview mit rbb24-Inforadio Kritik am leistungsbezogenen Vergütungssystem im rbb. In einem von Beiträgen finanzierten Unternehmen halte er das für unangebracht.

rbb: Die internen Kontrollinstanzen beim rbb haben allem Anschein nach nicht richtig funktioniert. Ist es wirklich so schwer, auch in großen Unternehmen dafür zu sorgen, dass sich alle, also auch die Spitze, an die Compliance Regeln halten, sich also ethisch korrekt verhalten?

Christian Erdmann: Das Regelwerk, was sich eine Organisation wie der rbb als Anstalt öffentlichen Rechts gibt, wie auch andere große Einrichtungen, gilt natürlich für alle - von der Intendantin bis zum Pförtner und die Organe, die sich gegenseitig kontrollieren, also der Rundfunkrat, der Verwaltungsrat und dann die Intendanz. Die haben ja klar definierte Aufgaben. Die Frage ist nur, warum können bestimmte Vorgänge diese Kontrollmechanismen passieren, ohne dass entdeckt wird, dass das nicht in Ordnung ist? Und das wird jetzt Gegenstand der Aufarbeitung sein: Was ist passiert? Gegen welche Regeln ist verstoßen worden? Und warum konnten diese Dinge das Regelwerk des rbb passieren, ohne dass es jemandem aufgefallen ist?

Compliance Regeln, das heißt ja auch, dass man sich ethisch korrekt verhält. Da kann man ja auch von einer Unternehmenskultur sprechen. Wie kann denn ein Unternehmen, besonders ein öffentlich-rechtliches, dafür sorgen, dass sich an die Vorgaben gehalten wird?

Compliance muss natürlich von oben vorgelebt werden. Wir nennen das "tone from the top". Das funktioniert nur, wenn das von oben vorgelebt wird. Und Sie können mir glauben, auch ich habe einigermaßen überrascht geschaut. Wenn man einem solchen Sender vorsteht und ein straffes Sparprogramm durchziehen muss, sich dann einen Audi A8 als Dienstwagen zu gönnen, das hat schon ein gewisses Geschmäckle.

Ich will mal ein Beispiel nennen: Als Herr Platzeck 1998 Oberbürgermeister von Potsdam wurde, in einer Zeit, in der es Potsdam sehr schlecht ging, wo wir Mitarbeiter entlassen mussten, wo wir unser Orchester abgewickelt haben, da hat Herr Platzeck einen Audi A3 als Dienstwagen gefahren und das war ein Statement.

Und Compliance heißt auch, dass man Dinge auch dann nicht macht, wenn sie nicht verboten sind, sondern weil sie ethisch nicht in Ordnung sind. Und da muss im Bewusstsein etwas passieren. Das kann nicht funktionieren, wenn das oben nicht vorgelebt wird.

Für viel Zündstoff unter den Mitarbeitern hier im Haus sorgt das Bonussystem in der Geschäftsleitung, also nicht nur der Audi A8. Es gab Boni für Einsparungen - völlig unverständlich für viele. Aus der freien Wirtschaft kennt man solche Sonderzahlungen. Aber macht das bei öffentlichen Unternehmen denn überhaupt Sinn?

Also es gibt Boni. Es wird ja auch von festen und variablen Gehaltsbestandteilen gesprochen. Der Chefredakteur des rbb hat das ja gestern in der Abendschau mal thematisiert. Das gibt es auch in öffentlichen Unternehmen. Allerdings muss man da differenzieren. Es gibt Unternehmen, die agieren am Markt, wie Energieversorger. In einem Wasserbetrieb oder in einem Straßenreinigungsbetrieb, die gebührenfinanziert sind, halte ich das Thema Bonus für eher unangebracht.

Im Fall des rbb ging es ja auch um Vorgaben des Staatsvertrages, wirtschaftlich und sparsam mit Gebührengeldern umzugehen. Welche Strukturen müssten sich jetzt ändern, damit die Aufsicht darüber in Zukunft besser klappt?

Wahrscheinlich müsste der Verwaltungsrat, der ja dem Wirtschaftsplan zustimmen muss, sich das detaillierter angucken. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Umbau der Intendanz-Etage geheim gelaufen ist und keiner mitbekommen hat, was da passiert ist. Wenn man sieht, dass da so große Umbauten passieren, dann muss man auch nachfragen.

Ein Verwaltungsrat hat auch die Aufgabe, die Intendanz zu kontrollieren und wenn Dinge nicht klar aus einem Wirtschaftsplan-Entwurf hervorgehen, dann muss man nachfragen. Es ist die Aufgabe, zu kontrollieren. Und auch das wird natürlich jetzt abzuarbeiten sein, inwiefern der Verwaltungsrat seiner Kontrollfunktion umfassend nachgekommen ist. Das lässt sich von außen schwer beurteilen, aber das wird man sich jetzt genau angucken müssen.

Sie haben eine Anwaltskanzlei beauftragt, es gibt eine interne Revision, es gibt das Rechercheteam - wenn die ganzen Verstöße jetzt auf dem Tisch liegen, dann wird man sie bewerten. Was ist strafrechtlich relevant, was ist dienstrechtlich relevant, wo sind Compliance-Verstöße vorgekommen? Dann kann man sich erst angucken, wie das passieren konnte. Anschließend müssen am internen Kontrollsystem, an den Kontrollmechanismen Veränderungen, Verbesserungen vorgenommen werden.

Ein Kontrollsystem ist ja nie fertig. Das ist nie perfekt, sondern man wird immer wieder, wenn was passiert, feststellen, oh, da haben wir eine Lücke. Die muss geschlossen werden. Die Lücken scheinen hier relativ groß gewesen zu sein. Also wird man Maßnahmen ergreifen müssen, um diese Lücken im Kontrollsystem zu schließen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.08.2022, 09:05 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Statt zibb aus der Region werden alte Brisant Folgen gesendet. Wie es aussieht, hat die Intendantin verpasst, was am Programm weggespart wurde. Wie steht Frau Schlesinger zu den Kollegen? Wovon und wie leben jetzt die Mitarbeiter, die bei zibb " abgewickelt " wurden?

  2. 11.

    Das mit dem Zuschauerbeirat ist eine gute Idee. Aaaabeeer...,
    Im Zusammenhang mit den Tranzparenzbeiträgen hatte ich für hier einen Leserbeirat vorgeschlagen. Die diensthabende Moderation hat mich deswegen gelobt. Das ist jetzt über sechs Monate her.

  3. 10.

    Meine Meinung zu der Sache ist, das jetzt die Angestellten und Mitarbeiter /innen das Heft in die Hand nehmen müssten. Sie müssen sich Gedanken über ihre Arbeit und den RBB machen und selbst Vorschläge bringen wie es weitergeht und diese dann gemeinsam mit den Vorgesetzten den der RBB am Herzen liegt diskutieren, damit eine Erneuerung von innen entsteht. Viele von den Mitarbeitern/innen haben eventuell mitbekommen das einiges nicht stimmt ,aber keiner hat sich getraut dagegen was zu unternehmen, also geht das nur gemeinsam. Die jetzt aufklären haben selber mit am Tisch gesessen und werden wenn, nur das nötigste tun. Jetzt geht es nur noch darum retten was zu retten geht und sich das Vertrauen der Zuschauer/innen zurück zugewinnen ,was äußert schwer werden könnte. Und auch die Zuschauer/innen müssen mit eingebunden werden da gebe ich Ihnen Recht denn ich will für mein Geld auch nicht nur das sehen und hören was eventuell nur der breiten Masse gefällt.

  4. 9.

    Wie gesagt, ich teile Ihre Meinung. Der ÖRR kann sich nicht von allein erneuern und will es wahrscheinlich auch nicht. In einem anderen Kommentar hatte ich den Vorschlag eines Zuschauerbeirates für eine gute Lösung gefunden. Wir sind also,glaube ich, auf einer gemeinsamen Linie.

  5. 8.

    Ich habe hierzu in einem vorherigen Beitrag folgenden Kommentar gefunden:
    "Ich hatte immer geglaubt, dass die Abgeordneten des deutschen Bundestages sich in einem Selbstbedienungsladen befinden. Es gibt auch bei dem Thema immer noch ein toppen des Bekannten.
    Die Menschen unseres Landes kämpfen um einen Mindestlohn von 13 € und eine Ost-West-Angleichung und solche verantwortungslosen Mitmenschen zeigen uns den Stinkefinger.
    Im Zusammenhang mit der Inflation hat Baerbock einen heißen Herbst vorausgesagt. Ich bin dabei."
    Ich glaube, dass das Problem, was sie meinen, zutreffend beschreibt.
    Ich meinte aber ".. nicht der rbb alleine sollte die Reformen bestimmen, sondern der von mir benannte Personenkreis ist maßgeblich einzubeziehen." Es ist in dem Zusammenhang müssig zwischen den Begriffen "zahlender Kunde" und "Beitragszahler" differenzieren zu wollen. Die Beiträge sollten auf den Prüfstand, zumal der ÖRR auch die Werbung als Einnahmequelle für sich entdeckt hat.

  6. 7.

    Ich habe hierzu in einem vorherigen Beitrag folgenden Kommentar gefunden:
    "Ich hatte immer geglaubt, dass die Abgeordneten des deutschen Bundestages sich in einem Selbstbedienungsladen befinden. Es gibt auch bei dem Thema immer noch ein toppen des Bekannten.
    Die Menschen unseres Landes kämpfen um einen Mindestlohn von 13 € und eine Ost-West-Angleichung und solche verantwortungslosen Mitmenschen zeigen uns den Stinkefinger.
    Im Zusammenhang mit der Inflation hat Baerbock einen heißen Herbst vorausgesagt. Ich bin dabei."
    Ich glaube, dass das Problem was sie meinen zutreffend beschreibt.
    Ich meinte aber ".. nicht der rbb alleine sollte die Reformen bestimmen, sondern der von mir benannte Personenkreis ist maßgeblich einzubeziehen." Es ist in dem Zusammenhang üassig zwischen den Begriffen "zahlender Kunde" und "Beitragszahler" differenzieren zu wollen. Die Beiträge sollten auf den Prüfstand, zumal der ÖRR jetzt auch die Werbung für sich entdeckt hat.

  7. 6.

    Nein, ich habe Sie nicht missverstanden. Der Satz, Finden Sie den Fehler, bezog sich auf die gestiegene Anzahl der Haushalte und trotzdem wurde die Gebührenerhöhung beschlossen.?? Die Neuanzahl der Haushalte hätte nämlich schon den Mehrbedarf gedeckt. Ansonsten Teile ich Ihre Meinung vollkommen. Schönen Tag noch.

  8. 5.

    @Paul. Ich brauche keinen Fehler zu finden, da in meinem Kommentar keiner ist.
    Es ist schade, dass sie die Kernaussage nicht verstanden haben. Vielleicht deutlicher: nicht der rbb alleine sollte die Reformen bestimmen, sondern der von mir benannte Personenkreis ist maßgeblich einzubeziehen.
    Wa ihre Ansichten zur GEZ anbelangt habe ich eine gleiche Meinung, die ich in einem anderen Beitrag bereits darlegte.

  9. 4.

    Sie haben in Ihrem Kommentar einen Begriff des "zahlenden Kunden" verwendet. Nur jeder muss die Gebühr zahlen, auch wenn er gar kein Kunde/Zuschauer ist. Und laut Statista ist die Anzahl der Haushalte in D immer weiter gestiegen. Demzufolge sind auch die Einnahmen durch die "Beitragszahler" gestiegen. Aber die KEF hat trotzdem die Gebührenerhöhung durchgedrückt. Begründung Mehrbedarf an finanziellen Mitteln des ÖRR. Und nun finden Sie bitte den Fehler.

  10. 3.

    "Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen" aha, gut das ich google kann. Ich möchte trotzdem nicht mit Managergequatsche beruhigt werden. Dazu ist die allgemeine Situation mittlerweile zu aufgeladen, sa dass ich hinter dem Wort "Copliance" mittlerweile einen weiteren Berater sehe, der an mein Geld will.

  11. 2.

    Der Autor geht auf einen Punkt nicht ein. Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft sind die eine Seite. Aber wie soll es jetzt weiter gehen?

    Den ÖRR abschaffen? Wohl kaum.

    Der Chefredakteur als der große Aufräumer?
    Sorry, aber er erscheint als der ungeeignetste von Allen. In der Vergangenheit hat er, durch Fraktionen des Brandenburger Landtages mit Beschwerden konfrontiert, gezeigt, dass er nicht reformfähig ist.

    Im Beitrag "Wie RBB-Mitarbeiterin..." (ohne Kommentarfunktion) kann man lesen
    "Ramona Musiol, Mitarbeiterin in der Produktionsdirektion, ist der Meinung, dass derartige Reformen unbedingt unter dem Mitwirken der Mitarbeiter:innen passieren müssen."

    Das ist genau der falsche Weg. Reformen sind gemeinsam mit den zahlenden Kunden und dem Abgeordnetenhaus sowie dem Landtag durchzuführen und nicht anders, wenn man weitere Mauscheleien verhindern will. Ich erkläre meine Bereitschaft.

  12. 1.

    Der Compliance Manager ist doch nur ein Feigenblatt für Unternehmen; am besten noch zertifiziert nach ISO 37301.
    https://www.haufe.de/compliance/management-praxis/iso-37301-als-complinace-standard_230130_513496.html
    Das sagt aber nur aus, dass man ein CMS hat, aber nicht ob es funktioniert.

    Bei VW hat der CM bezüglich des Dieselskandals auch nichts bewirkt.
    https://www.compliance-manager.net/fachartikel/der-vw-skandal-erste-schluesse-aus-sicht-der-compliance-praxis-2077774841

    Die Compliance-Vorschriften in der Berliner Verwaltung bezüglich der Annahme von Geschenken waren erst ganz streng und wurden dann wieder aufgeweicht. Die Annahme eines Blumenstraußes war anfänglich ein Verstoß gegen die Compliance-Vorschriften gewesen. Das hat aber auch keinen gestört, bis man Führungskräfte mit geschenkten Blumensträußen in den Medien sah.
    https://www.haufe.de/compliance/management-praxis/geschenke-und-einladungen-in-der-compliance-praxis-was-ist-tabu_230130_429886.html

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