Stimmung im rbb - Wie rbb-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter über den Rücktritt ihrer Intendantin denken

Mi 10.08.22 | 20:39 Uhr
Die Zentrale vom Landesrundfunk in Berlin (Quelle: dpa/Karl-Heinz Spremberg)
dpa/Karl-Heinz Spremberg
Video: rbb24 Abendschau | 10.08.2022 | Laurence Thio | Bild: dpa/Karl-Heinz Spremberg

Besorgt, wütend, fassungslos: Feste und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergreifen das Wort für "ihren" rbb. Sie eint die Sorge um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und ihr Engagement für ein gutes Programm.

Am Sonntag trat Patricia Schlesinger wegen etlicher Vorwürfe gegen sie als rbb-Intendantin zurück. Einige Tage zuvor hatte sie bereits den Vorsitz innerhalb der ARD abgegeben. Über den Rundfunk Berlin-Brandenburg und seine mittlerweile Ex-Intendantin wird allerdings schon seit Wochen berichtet - auch überregional. Die Stimmung innerhalb des Hauses ist seitdem aufgewühlt. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind fassungslos, enttäuscht und wütend auf die Führungsetage ihres Arbeitgebers. Ein Stimmungsbild.

"Große Angst um das gesamte, so wichtige ÖRR-System"

"Es sind Sorgen, die schlaflos machen: Ich habe große Angst um das gesamte, so wichtige ÖRR-System", sagt ARD-Kulturkorrespondentin Maria Ossowski. Sie versteht nicht, "dass niemand in der Geschäftsleitung irgendwas erkannt hat". Und zeigt sich wütend, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Entwicklungen auch jetzt zuerst in anderen Medien lesen. "Warum mussten wir nach der Belegschaftsversammlung die Freistellung der Intendanz-Leiterin aus dem Spiegel erfahren?", fragt sie.

Doch Ossowski hat auch Hoffnung für die Zukunft. "Frei nach Churchill: Never waste a good crisis. Ich erkenne viel Mut in der Belegschaft, viel Aufklärungswillen bei den Journalist:innen. Lasst uns da ansetzen. Einen Rücktritt der gesamten Geschäftsleitung fände ich problematisch, denn die Mitglieder müssen bei der Aufarbeitung helfen. Der Geschäftsleitung sollten unabhängige, professionelle Berater aus der Medienszene zur Seite stehen."

"Am meisten regen die Menschen die Gehaltserhöhungen auf"

Auch Dani Beck, Digital-Redakteurin bei "SUPER.MARKT" und "fyi", erkennt ihren Worten zufolge durchaus eine Chance für den rbb. "Die Intendanz und Geschäftsleitung sind nicht die Mehrheit im rbb. Meine Kolleg:innen - wie ich auch - sind mindestens so wütend über das Geschehene wie die Beitragszahler:innen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist wichtig und viele von uns möchten gerne mehr Mitsprache und mehr Geld an Stellen, wo es für gute Inhalte sorgt. Denn dafür sind wir am Ende da", sagt sie.

Andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen sich hingegen pessimistischer. Während ein Kollege aus dem Bereich Unternehmenssysteme den Führungsstil im rbb als "nicht mehr zeitgemäß", "elitär" und "nach oben orientiert" empfindet, beschreibt eine Kollegin, die als Investigativ-Journalistin für den rbb arbeitet und anonym bleiben will, wie die Krise des rbb ihre Arbeit in diesen Tagen beeinflusst: "Ein Beispiel: Ich wollte von einem Pressesprecher - einer ins Visier der Presse geratenden Institution - nur eine Pressefrage beantwortet haben. Schon nach einer Minute war er beim 'Sender-Thema' mit der Aussage, dass ich da 'ja genug zu tun hätte'."

Sie ist sich sicher, dass insbesondere ein Vorwurf gegen Patricia Schlesinger die Menschen in Berlin und Brandenburg im Moment besonders stark beschäftigt: "Am meisten regen die Menschen - vor allem außerhalb unseres Hauses - die Gehaltserhöhungen auf. Das kam auch bei diesem Pressesprecher so rüber."

"Wir als rbb müssen aufklären"

Auch eine andere Kollegin, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte, sieht eine mögliche Verschwendung von Rundfunkbeiträgen als das größte Problem - und stellt eine klare Forderung an die Chefebene des Hauses. "Ich möchte aus der Führungsetage keine Phrasen mehr hören und mir auch kein Kasperletheater von der Geschäftsleitung mehr ansehen, weil sie nicht auf 'überraschende' Fragen vorbereitet ist. Wir als rbb müssen aufklären und Klasse zeigen, dass jeder einzelne Mitarbeitende gewillt ist, das Beste für unser Publikum herauszuholen und nicht dessen Geld zu verbrennen", sagt sie.

Ähnlich geht es einer Mitarbeiterin, die seit Jahren am Vorabendprogramm des rbb arbeitet. "Als langjährige Mitarbeiterin von 'zibb' und nun 'schön & gut' schmerzt es mich besonders, mitzuerleben, wie ein beliebtes und erfolgreiches Vorabendmagazin kaputtgespart und letztlich eingestellt wurde, während gleichzeitig hunderttausende Euro in die Chefetage investiert wurden. Immer hieß es, der rbb müsse sparen und es sei kein Geld da. Die Sendung 'schön & gut' mussten wir größtenteils aus Übernahmen realisieren. Und jetzt erfährt man, dass die obere Führungsriege sich in dieser Situation fette Boni genehmigt haben/hat! Das macht mich einfach nur fassungslos."

"Gebührengeld ist kein Spaßgeld"

Auch Janna Falkenstein, unter anderem Moderatorin von "Super.Markt" und "Studio 3 - Live aus Babelsberg" zeigt sich nicht nur wegen der Sparmaßnahmen im Vorabendprogramm sauer: "Ich fühle mich genauso betrogen, wie die Menschen, die diesen Sender mit ihren Rundfunkbeiträgen finanzieren. Ich war in meinen zehn Jahren beim rbb nicht ein einziges Mal in der 13. Etage, geschweige denn in Frau Schlesingers privatem Esszimmer. Soll heißen: Was sich da abgespielt hat, hat mit meiner Arbeitsrealität überhaupt nichts zu tun", sagt sie.

"Wir, zum Beispiel die Macherinnen und Macher von 'Super.Markt' und 'Studio 3', drehen jeden Beitragspfennig dreimal um. Und zwar nicht nur, weil seit Jahren angeblich nicht genug Geld fürs Programm da ist. Nee, aus Prinzip! Weil Rundfunkbeiträge kein Spaßgeld sind. Massagesessel und Einweihungsparty auf Kosten des Programms? Ich kann gar nicht so viele Häppchen essen, wie ich... Entschuldigung, aber ich bin einfach nur wütend."

"Hoffnung, dass der rbb aus dieser Krise gestärkt und reformiert herausgehen kann"

Marcel Kuring, Mitarbeiter im administrativen Bereich des rbb, war von der Arbeit Schlesingers nach eigenen Angaben zunächst angetan. "Vor 15 Jahren habe ich meine Ausbildung im rbb begonnen - bin seitdem hier. Die Stimmung war unterschwellig immer mies. Fusionsschmerz, Sparzwänge, technischer Wandel, Änderungen im Medienkonsum. Es grummelte immer in der Belegschaft. Mit Frau Schlesinger und der neuen Geschäftsleitung gab es endlich Visionen. Der rbb wurde sexy." Doch mit der Zeit wuchsen auch bei ihm die Sorgen. "Spätestens mit den Plänen des Medienhauses bekam ich Zweifel. Das klang eine Nummer zu groß. Durch die Gier einiger Personen droht nun alles, was auch gut lief, verloren zu gehen. Ich hoffe, wir fallen nicht wieder in einen Dämmerzustand und verlieren uns im Klein-Klein, statt echte Reformen zu schaffen", sagt Kuring.

Ramona Musiol, Mitarbeiterin in der Produktionsdirektion, ist der Meinung, dass derartige Reformen unbedingt unter dem Mitwirken der Mitarbeiter:innen passieren müssen. "Ich habe die Hoffnung, dass der rbb und die ARD aus dieser Krise gestärkt und reformiert herausgehen kann. Denn zwischen Pandemie, Krieg und Inflation hat sich gezeigt, wie wichtig ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunksender ist. Ich bin überzeugt, wenn wir Mitarbeiter:innen den ersten tiefen Schock überwunden haben, werden wir tatkräftig daran mitwirken, unseren Sender zukunftsfähig und noch mehr programmorientiert aufzustellen. Man muss uns nur lassen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.08.22, 19:30 Uhr

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