Individuelle Bestattungen - Der Tod im Wandel

So 30.10.22 | 08:24 Uhr | Von Marie Röder
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Der Bestatter Hendrik Thiele sitzt auf einem Grabstein (Quelle: rbb)
rbb
Video: rbb|24 | 03.11.2022 | Material: rbb|24 / M. Röder | Bild: rbb/ Marie Röder

Ein Fotograf, der in der eigenen Kamera beerdigt wird. Eine Verstorbene, die mit Glitzer auf der Haut im Sarg liegt. Viele Menschen wünschen sich ausgefallene Beisetzungen. Die Bestattungsbranche passt sich an die zunehmende Individualisierung an. Von Marie Röder

Ein langer Holztisch mit Vintage-Stühlen, minimalistische Deko, viel Licht. Wer in der Straßmannstraße in Friedrichshain bei der Nummer 25 durch die Ladenscheibe schaut, könnte meinen, es handle sich ich um ein modernes Café oder einen Co-Working-Space. Wäre da nicht der zwei Meter lange Sarg, in gedeckten Tönen bemalt, mächtig.

"Wenn Menschen zu uns kommen, müssen sie oft erst mal innehalten, um sich hier umzusehen. Und dann kommt ganz oft: Hier sieht es gar nicht aus wie beim Bestatter", sagt Leo Ritz. Auch sie und ihr Geschäftspartner Hendrik Thiele tragen dazu bei, dass bei Junimond nichts an ein konventionelles Bestattungsunternehmen erinnert. Statt Anzug trägt er Jeanshemd und dunkelblaue Wollmütze. Sie ist leger mit Pulli und Sneaker gekleidet, ihre Hände sind mit Tattoos verziert.

Junimond gehört zu einer neuen Art Bestattungsunternehmen, die sich Individualität auf die Fahne schreiben. Sie bieten die in Deutschland gängigen Erd- und Feuerbestattungen an, erfüllen in diesem Rahmen aber auch ausgefallene Wünsche. In der Vergangenheit habe sie bereits einen Fotografen in seiner Kamera beerdigt, erzählt Ritz. Ein anderes Mal verabschiedeten sich Angehörige von einer jungen, verstorbenen Frau, indem sie pinken Glitzer auf sie streuten.

Bestatterin Leo Ritz mit einer Urne.
Bestatterin Leo Ritz zeigt eine Urne. | Bild: rbb

Bestattungen für queere Menschen

Ähnlich wie Junimond wirbt auch das Berliner Unternehmen Thanatos Bestattung aus Neukölln damit, dass Angehörige bei jedem Schritt des Bestattungsprozesses dabei sein können. Dazu gehört auch das Waschen und Anziehen der Verstorbenen.

Außerdem bietet das Unternehmen queere Bestattungen an. "Bei dem Angebot geht es darum, dass sich queere Personen bei uns sicher fühlen können", sagt der Bestatter Julian Heigel im Gespräch mit rbb|24. In der Vergangenheit hätten sie zum Beispiel einen trans Mann begleitet, der sein Kind in der Schwangerschaft verloren hatte. "Bei uns war es ihm möglich zu sagen: Ich bin trans Mann und ich hatte eine Fehlgeburt." Das Team von Thanatos sei selbst queer und bringe damit die nötige Sensibilität für queere Lebensrealitäten mit, so Heigel.

Ich kenne Bestatter, die lassen zum Beispiel Stofftiere aus der Lieblingskleidung der Verstorbenen nähen.

Elke Herrnberger, Bundesverband Deutscher Bestatter

Alles gar nicht so alternativ?

Dass Bestattungsunternehmen auf die Wünsche der Angehörigen eingehen, sei nichts Ungewöhnliches, sagt Elke Herrnberger vom Bundesverband Deutscher Bestatter zu rbb|24. "Das machen fast alle Bestatter, das liegt in der DNA der Branche. Auch bei unseren Bestatterinnen und Bestattern können von Angehörigen Särge und Urnen bemalt werden. Ich kenne Bestatter, die lassen zum Beispiel Stofftiere aus der Lieblingskleidung der Verstorbenen nähen." Unter dem Dach des Verbandes sind 3.200 Bestattungsunternehmen in Deutschland organisiert.

Überhaupt sei das Image, das Bestattungsunternehmen oft anhängt - dunkle, verstaubte Räume hinter vergilbten Vorhängen - gar nicht mehr zutreffend, sagt Herrnberger. "Natürlich gibt es noch vereinzelte, aber die meisten Unternehmen sind mittlerweile sehr modern aufgestellt."

Herrnberger beobachtet gegenwärtig zwei Trends in der Bestattungsbranche: erstens eine eher pragmatische Ausrichtung von Bestattungen. Gräber, die pflegefrei sind, um die sich Angehörige also nicht aktiv kümmern müssen, seien Beispiele dafür, so Herrnberger. "Der zweite Trend geht zu hochindividuellen Bestattungen. Oftmals auch schon in Form einer Bestattungsvorsorge. Dabei plant eine Person ihre eigene Beerdigung bis ins Detail vor." Dazu zählten Entscheidungen über die Beisetzung, das Essen, Getränke, die Musik und die Kleidung der Trauergäste, so Herrnberger.

Veränderung von außen und innen

Simon Walter von der Stiftung Deutscher Bestattungskultur bestätigt den Eindruck der Individualisierung: "Es geht dabei um Selbstbestimmung. Wenn wir heute ein Leben in Selbstbestimmung führen, dann wollen wir auch selbstbestimmt sterben."

Es sind jedoch nicht nur die Ansprüche von außen, die den Wandel vorantreiben. Die Branche verändert sich auch von innen. "Es sind immer mehr Frauen, die in der Branche arbeiten, in der Ausbildung sind mehr als 50 Prozent weiblich. Das führt letztlich auch zu einem Wandel, wenn diese Frauen dann in bestehenden Unternehmen Kompetenzen erlangen oder ihre eigenen Unternehmen gründen", sagt Walter.

Hinzu kommen Unternehmen, die von Quereinsteiger:innen gegründet werden. Thanatos Bestattung und Junimond sind Beispiele dafür. Obwohl man sich seit 2003 zur Bestattungsfachkraft ausbilden lassen kann - eine Ausbildung ist keine Pflicht, um in der Branche zu arbeiten. Alles, was man braucht, ist ein Gewerbeschein. Der Bundesverband Deutscher Bestatter sieht das sehr kritisch. "Es ist ein immanent wichtiger Beruf, für den man gut geschult sein muss. Im Ernstfall schadet man den Trauernden und auch sich selbst, denn es sind auch psychisch belastende Situationen, mit denen man lernen muss, umzugehen“, so Herrnberger.

"Ich habe von meiner Biografie her eh schon große Verbindungen zum Tod"

Leo Ritz von Junimond verweist bei dem Thema darauf, dass sie bereits in drei verschiedenen Unternehmen gearbeitet, sich durch Praktika weitergebildet habe. "Ich habe einfach durch die letzten zehn Jahre viel Berufserfahrung. Und ich kriege ja oft zu hören, dass wir unseren Job ganz gut machen." Sie finde es aber gerechtfertigt, dass es auch die klassische Ausbildung gibt. "Für mich brauche ich es nicht. Ich merke, dass ich ein bisschen anders arbeite", so Ritz.

Ihr Kollege Hendrik Thiele arbeitete bis vor einigen Jahren noch in Kreativagenturen. Als er und Leo Ritz im Jahr 2021 mit der Arbeit für Junimond begannen, tat er sich mit dem Papierkram und der Kommunikation mit den Verwaltungen noch schwer, so Thiele. Dafür lag ihm die direkte Arbeit mit Trauernden von Anfang an. "Ich habe von meiner Biografie her eh schon große Verbindungen zum Tod, Abschied, Sterben. Ich habe meinen Vater durch Suizid verloren, vor ungefähr 20 Jahren."

Sein Vater wurde damals mit der Hilfe eines traditionellen Bestattungsunternehmens beigesetzt. "Die waren nett und alles, aber es war halt schon eine Dienstleistung und ich habe mich da gar nicht betreut gefühlt", sagt Thiele. Diese Erfahrung sei für ihn auch heute noch eine Motivation, Trauernde anders zu begleiten.

Eine Urne im Fenster des Bestattungsunternehmens JunimondEine Urne im Fenster des Bestattungsunternehmens Junimond

Grenzen der Gesetze

Auch wenn Unternehmen wie Junimond und Thanatos auch außergewöhnlichen Ideen gegenüber offen sind, alles können sie nicht umsetzen. "Wir werden immer wieder damit konfrontiert, dass Leute zum Beispiel die Urne mit nach Hause nehmen wollen", sagt Julian Heigel von Thanatos.

Bestattungsrecht ist in Deutschland Ländersache. Viele Länder ähneln sich jedoch in der Gesetzgebung. So müssen Verstorbene in der Regel auf einem Friedhof beigesetzt werden, egal ob im Sarg oder in der Urne. Seit kurzem ist auch eine Kompostierung des Leichnams möglich. Es gibt jedoch auch Alternativen, wie die See- oder Waldbestattung. Aus der Reihe fällt das Bundesland Bremen. Hier kann die Asche einer verstorbenen Person unter bestimmten Bedingungen auch auf Privatgrundstücken verstreut werden.

Heigel ist dafür, dass es in Zukunft auch andere Bestattungsformen - zum Beispiel die Resomation, wobei der Körper von einer Lauge zersetzt wird - erlaubt sein sollten. "Ich wüsste nicht, was dagegen spricht, vor allem, wenn es umweltfreundlichere Alternativen sind."

Im Moment hake es jedoch sogar an vergleichsweise simplen Wünschen, die Trauernden nicht erfüllt werden können, erzählt Heigel. "Manchmal geht es dabei nur darum, die Urne selbst ins Grab zu senken oder nach der Beerdigung ein Picknick auf dem Friedhof zu machen." Er verstehe, dass es Standards gebe. Aber oftmals wünschten sich die Trauernden vor allem eins: mehr Zeit.

Beitrag von Marie Röder

13 Kommentare

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  1. 13.

    Tod im Wandel? Wie das? Der Tod ist das Ende des Lebens, daran "wandelt" sich nichts, und über die Gestaltung seine Beisetzung sollte sich jeder beizeiten selbst Gedanken machen. Dass es auch hier inzwischen vielfältige Angebote gibt, finde ich gut und richtig. Es muss ja nicht jedem gefallen.

  2. 12.

    Wenn ich tot bin, lebe ich biologisch zu 50% in meinen Kindern weiter, sozial, mental und intellektuell x% in den Menschen, die ich gebildet, erzogen und menschlich vorangebracht habe, denen ich im Leben geholfen und die ich unterstützt habe.
    Das reicht mir völlig.
    Wenn ich tot bin, möchte ich nicht, daß mit meinen biologischen Resten Geld verdient wird, ich mit Flitter bestreut werde oder so‘n Kram. Menschliche Eitelkeiten und der Wunsch, als besonders zu gelten - was ist daran alternativ?
    Vor allem Beerdigungen bedienen nur das menschliche Unvermögen der Lebenden im Umgang mit persönlichen Krisen und deren Bewältigung. Davon hat der Tote nix - nur die Bestattungsindustrie und die Kirchen.

  3. 11.

    ...und nobel geht die Welt zu Grunde...

  4. 10.

    Damit das Bestattungsunternehmen "alternativ" daher kommt, muss ein Song von Rio Reiser daher halten. Ärgerlich und anmaßend.

  5. 9.

    Die Kultur um den Übergang vom Leben zum Tod war schon immer unterschiedlich und wandelhaft. Sich ein Mausoleum zu bauen war mal den Privilegierten vorbehalten. Wer alte Friedhöfe besucht und die Grabmäler der reichen Familien sieht weiß was ich meine. Letztendlich zeugt es von Dekadenz, wie schon gesagt wurde, wenn man für sich selbst eine Art Schrein errichten will. Diese Menschen haben schon alles und haben Zeit und Muße, sich kostspielige Denkmäler zu setzen oder eine Schrulligkeit zu leisten. Ich bewundere eher die Menschen, die ihre Asche verstreuen wollen oder sich in Freiwäldern zur Ruhe betten werden. Den Spleen, sich in seiner Kamera bestatten zu lassen, verstehe ich nicht. Vermutlich bin ich nicht extrovertiert genug für solche Gedanken.

  6. 8.

    Der Tod ist nicht im Wandel. Der Tod ist der Tod. Der Tod ist das Ende des Lebens, hier in dieser Welt. Die Ewigkeit leben wir woanders. Der Umgang mit dem Tod, der verändert sich. Mal geht es um tiefe Trauer und liebevolle Erinnerungen, mal steht Geld (verdienen) im Mittelpunkt, mal wird der Tod schrill oder laut "gefeiert" u.s.w. Aber, schauen wir doch auf das Leben. Wie leben wir in dieser Welt ? Wie gehen wir mit dem Sterben um (sterben ist leben !) ? Wo werden wir die Ewigkeit erleben ?

  7. 7.

    Als mein Opa vor 17 Jahren starb, haben wir einiges selber gemacht. Nachdem der Hausarzt gegangen war, habe ich Opa gewaschen und rasiert. Wir haben ihn auch angezogen. Den Bestatter haben wir erst am nächsten Tag gerufen. Bei der Beerdigung haben mein Bruder und ich, den Sarg zusammen mit den Trägern getragen und ihn ins Grab gelassen. Auf dem Friedhof ruhen einige Familienmitglieder. Ich kümmere mich, daß die Gräber erhalten bleiben, bis der Friedhof geschlossen werden sollte. Die Verlängerung kostet momentan 50€ pro Grab und Jahr. Also bei uns zusammen 250€ die Pflege kostet pro Jahr 175 je Grab. 2 Doppelgräber 1 Einzelgrab. Also 525€ + 250€ 775€ Wenn die Familie zusammen legt, ist das machbar. Ich verstehe aber, daß es für Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger, Armutsrentner... dies nicht leisten können.

  8. 6.

    Ja,das ist wohl so.In alle Winde zerstreuen,das ist würdevoll.

  9. 5.

    Ich bin im Leben gern im Wald und möchte es auch danach sein. Habe mir schon einen Platz im Friedwald gekauft. Ich möchte meinen Kindern nur in Erinnerung bleiben, nichts weiter!

  10. 4.

    Da war ja der Napoleon Seyfarth, seiner Zeit ja weit voraus. Gestorben Dezember 2000 mit seinem Zitat: .." Lust will Ewigkeit, Tod hat ihm.."

  11. 3.

    Endlich das passende Wort. Die hat leider schon begonnen und sie ist ganz schwer friedlich aufzuhalten.

  12. 2.

    Wenn das betr. Unternehmen -- wie leider schon elebt, den 'Kunden' nicht vesucht, zu 'bequatschen', dann ist das in Ordnung. Tod ist individuell, die Familie / Angehörigen haben ihre Vorstellungen. Wer es besonders möchte, was soll ein Verbot bewirken? Was aber sehr ungerecht zu empfinden ist, das Drängen zu einem Stein, zu Regeln auf dem Friedhof, die sehr strikt u. traditionell kirchlich geprägt sind. Nicht dass ich ein Ausflippen befürworten würde, mehr Angemessenheit, wirklicher Frieden, mehr Natur - und nicht das 'Gezerre', wer den besten "Minigarten" hat.
    Auf jeden Fall steigen die Kosten u. man muss paradoxer weise im Leben dafür (an)sparen.

  13. 1.

    Dekadenz ist die letzte Stufe der Zivilisation.

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