Bezirke starten Pilotprojekt - Am Ostbahnhof stehen jetzt Wohnboxen für Obdachlose

Do 26.01.23 | 16:50 Uhr | Von Marcus Latton
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Sichere Orte für obdachlose Menschen (Quelle: rbb/Marcus Latton)
Video: rbb24 | 26.01.2023 | Bild: rbb/Marcus Latton

Unterkünfte für Obdachlose sind oft überfüllt, auch Mitarbeiter in solchen Einrichtungen sind am Limit. Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wollen dem mit mehr Little Homes begegnen, zunächst mit drei Wohnboxen am Ostbahnhof. Von Marcus Latton

Sven Lüdecke wirkt überzeugt, wenn er über seine Little Homes spricht. Er ist der Gründer des gleichnamigen Vereins, der Obdachlosen in ganz Deutschland eigene vier Wände im kleinen Rahmen ermöglicht. 3,5 Quadratmeter, zusammengebaut aus Grobspanplatten, Paletten und Isolierdecken. Materialkosten: 5.000 Euro. Draußen gibt es eine mobile Toilette, drinnen herrschen auch im Winter 14 Grad, trotz fehlender Zentralheizung. Zehn Stunden benötige er, um eines dieser Minihäuser zu errichten.

"Man merkt hier richtig, dass Kälte und Wind weg sind", sagt Lüdecke, als er eine von drei neu aufgestellten Wohnboxen auf dem Parkplatz hinter dem Berliner Ostbahnhof betritt. Hängeschränke aus Lagerkästen hängen an der Wand. Auf einem Bett kann man sich ausstrecken. "Das ist glaube ich der größte Unterschied zum Zelt, zur Brücke und zum Schlafsack." Nächste Woche sollen hier drei Menschen einziehen – ausgewählt von Sozialarbeitern, die sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um Obdachlose kümmern.

Sichere Orte für obdachlose Menschen (Quelle: rbb/Marcus Latton)
Mindestens 14 Grad auf 3,5 Quadratmetern: ein wenig Behaglichkeit für Obdachlose. | Bild: rbb/Marcus Latton

"Safe Places" soll in den regulären Wohnungsmarkt führen

Allein in Berlin stehen 61 der mobilen Wohnboxen. Neu an den drei durch Spenden finanzierten Objekten am Ostbahnhof ist die wissenschaftliche Evaluierung und Betreuung durch die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Das Projekt "Safe Places" soll sichere Orte und geschützte Flächen für Wohnungslose schaffen. Sozialarbeiter schauen mehrmals die Woche nach dem Rechten: Drogen- und Alkoholkonsum sind ebenso untersagt wie offene Feuer und größere Zusammenkünfte.

Bis zu zweieinhalb Jahre lang dürfen Menschen hier übernachten - dann endet das Projekt offiziell. Es ist Teil des "Masterplans" des Senats zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030.

"Wir schaffen niedrigschwellige Unterbringungsmöglichkeiten, über die wir sonst nicht verfügen", sagt Oliver Nöll (Die Linke), Stadtrat für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales in Friedrichshain-Kreuzberg. "Es ist ein Modellprojekt, natürlich kann es scheitern. Nach spätestens zwei Jahren wollen wir die Bewohner der Little Homes mit regulären Wohnungen versorgt haben." Anwohner des Ostbahnhofs werden mit Flyern über das Projekt informiert, im Februar soll es eine Videokonferenz geben, in der Nachbarn ihr Feedback abgeben können.

Weitere Wohnboxen in Neukölln geplant

Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sind für das "Safe Places"-Projekt eine Kooperation eingegangen. Beide Bezirke liegen in der Innenstadt und haben viel mit offener Obdachlosigkeit zu kämpfen, wie Neuköllns Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) sagt. "Dagegen wollen wir gemeinsam was tun, indem wir Ressourcen zusammenlegen", sagt er. Sollte "Safe Places" erfolgreich sein, könne es als Vorbild für den Rest der Stadt dienen.

In seinem Bezirk nutzen Obdachlose seit zwei Jahren drei Little Homes am Mittelbuschweg. Die Kleinstunterkünfte sollen Obdachlose vor Gewalt schützen – doch auch dort sind sie nicht sicher. So kam es im November zu einer versuchten schweren Brandstiftung. Liecke plant dennoch weitere Standorte für die Wohnboxen in Neukölln. So habe man an der Teupitzer Straße eine geeignete Stelle gefunden.

Sendung: rbbb24 Inforadio, 26.01.2023, 18:23 Uhr

Beitrag von Marcus Latton

24 Kommentare

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  1. 24.

    Liebe Klara,
    1. kostet das Material für eine solche Wohnbox nicht 5.000 Euro, sondern 3.500 - das ist ein Fehler in der Berichterstattung. Und wenn Sie sich wundern über die Höhe der Summe, dann gehen Sie einfach mal in einen Baumarkt und erkundigen sich über aktuelle Preise. Und 2. werden diese Häuser zu 100% mit Spenden finanziert und zu 0 % aus Steuergeldern.

  2. 23.

    Er hat doch recht! - Hier ein Beispiel was man für 5K bekommt:
    https://german.alibaba.com/p-detail/Casa-1600585150555.html

  3. 22.

    Die AfD Marzahn baut ein "richtiges Haus für Obdachlose"? Können Sie diese Behauptung mit Quellen belegen, hendrik?

  4. 21.

    Nehmt euch mal ein Beispiel an AfD Marzahn. Die bauen ein richtiges Haus für Obdachlose. Anstatt Hundehütten im Links/Grünen Friedrichshain.

  5. 20.

    "Lächerlich überzogene, freche Geldverschwendung." Sie haben insofern recht, als Ihr Kommentar überzogen und frech ist. Kommen Sie mal in eine vergleichbare Notlage - möchten Sie dann ebenfalls genauso abgebügelt werden?

  6. 19.

    "In Berlin kostet die Errichtung eines Massivbaus laut statistischem Bundesamt im Schnitt 2243 Euro / qm inkl. Bauland, Lohn, Elektrizität, Wasser, Abwasser, Heizung in 2022." Und hier kosten 3,5 qm 5 TEUR, ist der Abakus kaputt?

  7. 18.

    Den Unterschied zwischen den Wohnboxen und einem Massivhaus sehen sie aber schon - oder? Ersteres braucht keine Baugenehmigung, weil eben transportabel, allenfalls eine bezirkliche Zustimmung für eine Sondernutzung. Diese geht auch deutlich schneller über die Bühne wie eine Baugenehmigung, die im schnellen Berlin "etwas" dauert - und das nicht erst seit gestern.

  8. 17.

    WBS - Wohnungen sollten in diesen Zeiten der arbeitenden Bevölkerung und Rentnern vorbehalten werden.

  9. 16.

    Das sehe ich genau so.

    https://wohnglueck.de/artikel/baukosten-pro-qm-neubau-47899

    In Berlin kostet die Errichtung eines Massivbaus laut statistischem Bundesamt im Schnitt 2243 Euro / qm inkl. Bauland, Lohn, Elektrizität, Wasser, Abwasser, Heizung in 2022.

    Berlin kann nichts gut u d günstig machen.


  10. 15.

    Antwort auf Hippe
    Ich schließe mich auch an wenn das die Grüne gesagt haben wähle ich nie wieder auf Obdachlose rumzutrampeln geht gar nicht stand selbst kurz davor .
    Meine Firma wo ich 40 Jahre gearbeitet hatte musste Insolvenz anmelden und das heisst noch kein ALG1 ODER Hartz 4 stattdessen Antrag auf Insolvenz Geld stellen ausser einem Vorschuss bekam ich gar nichts.
    Mein Glück war das ich im Krankenhaus lag da ich kurz vor der Insolvenz einen Arbeitsunfall hatte und die BG mir Verletztengeld

  11. 14.

    Die Ursachen von Wohnraum Mängel ist der unbegrenzte Zuzug von Menschen welche Transferleistungen beziehen und den Anspruch auf die günstigen WBS Wohnungen haben. Das wird aber nie thematisiert von der Politik, wir haben ja Platz. Und die Befürworter des massiven Wohnungsbau werden feststellen, sowie die letzt Grünfläche zugebaut ist, es sich nichts geändert hat. Es gibt genug Beispiele aus anderen Städte im asiatischen Raum aber auch den USA

  12. 13.

    die Paletten als Fundament sind genial - für die Ratten.

  13. 12.

    Ja, ich bin ganz Ihrer Meinung, damit sind die Probleme der vielen Obdachlosen nicht gelöst. Obdachlosigkeit muß von vornherein verhindert werden. Das ist die Aufgabe des Staates. Man läßt Leute in einem erbarmungswürdigen und verwirrten Zustand, halb nackt umherirren. Solche Menschen habe ich des Öfteren auf den Bahnhöfen Zoo und Friedrichstr. erlebt und niemand kümmert sich.
    Von jungen Ausreißern, die gewollt auf der Straße leben halte ich absolut nichts. Diese brauchen auch keine Hilfe.

  14. 11.

    5000 Euro Materialkosten für Spanplatten und Rigips?

    Das ist Abzocke.

    Wie teuer kommt Berlin noch der Aufbau, wenn nicht in Eigenleistung aufgebaut wird?

    25000 Euro?

    Lächerlich überzogene, freche Geldverschwendung.

    Da machen sich wenige dje Taschen sehr voll.

  15. 10.

    Bis zu einer bestimmten Außentemperatur reicht die "Eigenwärme" - annähernd vergleichbar mit einem guten Schlafsack und 'ner ISO-Matte in einem ordentlichen Zelt. Ist der Wind und/oder die Feuchtigkeit nicht mehr DAS Thema passt das schon. Noch nie biwakiert? Camping is' was anderes ;-).

  16. 9.

    Die haben nicht mal nen Volksempfänger eingebaut 2023… - Absolut schäbig die Teile!

    Sind Japanische Schlafkapseln, Kapselhotels, Schlafkabinen in Bahnhöfen, und Tinyhäuser wirklich zu viel verlangt?

  17. 8.

    Um die Not für die Menschen zu lindern sicherlich für den Moment vernünftig.
    Allerdings ist das wohl ein weiterer Freibrief für die Politiker, ihre desaströse Wohnungsbau- und Asylpolitik fortzusetzen.
    Es ist zu befürchten, dass je nach Bedarf nur noch der Geldknopf für solche Mini-Häuser gedrückt wird.
    Die Ursachen von Wohnraummangel anzugehen, wäre ja auch viel zu anstrengend und man müsste seine Politik hinterfragen.
    So stellt man einfach Berlin mit Zelten und Hütten zu.
    Unsere Stadt wird in wenigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein.

  18. 7.

    Wenn es stimmt, was Michael Pückler über den Standpunkt von Clara Herrmann und der BVV-Fraktion zu diesem Projekt geschrieben hat, wähle ich nie wieder die Grünen in Berlin.
    Es ist höchst beschämend und abstoßend, ein solches Projekt verhindern zu wollen (und dabei in erster Linie die eigene Karriere zu verfolgen). Von den „Little Homes“ sollte es noch viel, viel mehr geben, anstatt die fürchterliche Lebenssituation von Menschen zu ignorieren, die auf der Straße gelandet sind.

  19. 6.

    Nördlich des Ostbahnhofs zwischen dem Baumarkt und dem Berghain gibt es seit Monaten verschiedene Selbstbauten. Das Thema kommt zu spät und zu gering für den Bedarf zwischen Ostkeuz und Ostbahnhof. Wieder einmal grünes Versagen.

  20. 5.

    Ja, die Wohnungspolitik ist auch in Kreuzberg weiterhin traurig. Bei uns im Hausflur lebt mit Unterbrechungen im Sommer seit 2 Jahren ein Obdachloser. Eine in der Zeit neu vermietete Einzimmerwohnung im Haus wurde ihm von der Deutsche Wohnen leider nicht angeboten. Möglicherweise wissen sie aber auch nichts von dem Menschen, der von den Nachbar:innen hier im Haus und dem Reinigungsteam mehr oder weniger willkommen akzeptiert beziehungsweise toleriert wird. Ich erinnere mich noch gut, wie am Mariannenplatz vor nicht all zu langer Zeit Tinyhouses von Obdachlosen abgerissen wurden. Sogesehen immerhin etwas Bewegung. Danke an alle, die sich für die Überwindung von Obdachlosigkeit in Berlin einsetzen. Möge 2030 gelingen.

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