Bezirksübergreifende Strategie - Lageso fordert strikteres Vorgehen gegen Tigermücke in Berlin

Mi 09.08.23 | 17:58 Uhr | Von Kira Pieper
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Eine weibliche Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts). (Quelle: dpa/James Gathany/CDC)
Video: rbb24 Abendschau | 09.08.2023 | Philipp Höppner | Bild: dpa/James Gathany/CDC)

Noch ist sie nicht weit verbreitet - wegen des Klimawandels könnte sich das jedoch schnell ändern: Die Tigermücke ist in Berlin längst heimisch geworden. Nun warnt das Lageso: Gegen das Insekt müssten stärkere Maßnahmen ergriffen werden. Von Kira Pieper

  • Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) fordert bezirksübergreifende Strategie zum Umgang mit Tigermücken
  • Nur so kann demnach flächendeckende Ausbreitung verhindert werden
  • Tigermücke überträgt in südlicheren Regionen Viren, die Krankheiten wie Dengue, Chikungunya- und Zika-Fieber auslösen können

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat sich für ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Tigermücke in Berlin ausgesprochen.

In den Abstimmungen zwischen den Berliner Behörden gehe es um das Festlegen einer bezirksübergreifenden Strategie zum Umgang mit Mücken, die Infektionskrankheiten übertragen könnten, erklärte das Lageso. Zunächst berichtete der "Tagesspiegel".

"Strategische Bekämpfung" sei "wünschenswert"

Im Gespräch mit dem rbb erklärte der Epidemiologe Daniel Sagebiel vom Lageso, dass in Berlin eine "strategische Bekämpfung" wünschenswert sei. Durchgeführt von Personen, die sich auskennen würden und geschult seien - und die fachgerecht Brutstätten entfernen und Larvizide, also Mittel, das die Mückenlarven tötet, einsetzen könnten. Außerdem seien regelmäßige Kontrollen und eine Dokumentation der Vorkommen nötig, so Sagebiel.

"Wir haben bereits seit mehreren Jahren Tigermücken-Funde in Berlin", sagte der Experte weiter. "Mindestens seit dem Jahr 2020. Es geht jetzt darum, nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Wenn die Tigermücken-Population sich erst mal flächendeckend ausgedehnt hat, dann wird es zunehmend schwieriger und teurer, dagegen vorzugehen."

Insekt kann Dutzende Viren übertragen

Ursprünglich war die Asiatische Tigermücke in Fernost beheimatet. Mittlerweile ist sie in der ganzen Welt zu finden: Neben Ostasien auch in Australien, Amerika, Afrika auch im südlichen Europa. Sie breitet sich nur langsam aus, denn ihr Flugradius beträgt nur 300 Meter. So schaffte sie es wohl als blinder Passagier per Lkw oder auf Flugzeuge in die Welt. Auch in Deutschland gibt es in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen mittlerweile nachgewiesene Populationen. In Brandenburg wurde bisher noch keine Tigermücke gefunden.

Das gefährliche an dem Insekt: Es kann Dutzende Viren übertragen, darunter potenziell tödliche Erreger wie Dengue-, Chikungunya- und Zika-Virus. In Deutschland gibt es bisher keinen bekannten Fall einer solchen Ansteckung. In einem Flyer weist das Lageso auch darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, sich hierzulande durch einen Tigermücken-Stich eine Infektionskrankheit zuzuziehen, gering sei [berlin.de/PDF/download].

In benachbarten Ländern hat es diese Ansteckungen allerdings bereits gegeben: In Südfrankreich zum Beispiel wurden mehrfach Zika-Infektionen durch dort heimische Tigermücken gemeldet. Auf Madeira, in Kroatien und Frankreich wurden Dengue-Infektionen nachgewiesen. Auch Chikungunya-Ausbrüche gab es im Mittelmeerraum bereits.

Warnung von EU-Gesundheitsbehörde

Im Juni hatte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC wegen der sich verändernden klimatischen Bedingungen vor einem steigenden Risiko für durch Mücken übertragene Krankheiten gewarnt.

Das ECDC schrieb: Europa werde wärmer, Hitzewellen und Überschwemmungen würden häufiger und heftiger, Sommer länger und wärmer. Dies erzeuge günstigere Bedingungen für invasive Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke. Vor zehn Jahren sei das Insekt in 8 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nachgewiesen worden, jetzt seien es bereits 13.

Kleinste Wasseransammlungen reichen zum Brüten

Biologin und Mückenexpertin Doreen Werner erklärte im Gespräch mit dem rbb am Mittwoch, dass man aktuell in der Region noch die weitere Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke verhindern könne. Dafür würde es aktuell noch reichen, in einem Radius von 500 Metern um einen Tigermücken-Fundort alle stehenden Gewässer auszukippen.

"Der Tigermücken reichen zum Brüten kleinste Wasseransammlungen, wie zum Beispiel auf einer vollgeregneten Cola-Dose oder Untersetzer von Gartenkübeln", sagte Werner dem rbb. Das mache die Mücke so kompliziert in der Bekämpfung. "Hierzulande kann die Asiatische Tigermücke eine ideale Nische besetzen", so die Expertin. Denn die Mücke brüte in Wasseransammlungen, die etablierten Arten viel zu klein seien.

Ungewöhnliche Exemplare melden

In einigen Kleingarten-Anlagen in Neukölln und Treptow-Köpenick hat sich die Tigermücke bereits etabliert. Dort wurden sie in diesem Sommer schon wieder nachgewiesen, wie schon in den vergangenen beiden Jahren. Der Winter konnte den Tieren also offenbar nichts anhaben.

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat bereits reagiert und hat etwa die Mitglieder der Kleingartenanlage Am Heidekampgraben Ende Juni darüber informiert, in den kommenden Tagen "Maßnahmen gegen die Tigermücke" durchführen zu wollen. Das könne sowohl die Entfernung von Wasseransammlungen als auch der Einsatz eines Insektizids sein. Der Bezirk hat die Kleingärtner deswegen schriftlich um Zugang zu allen Gärten gebeten.

Die Asiatische Tigermücke ist im Vergleich zur einheimischen Stechmücke eher zierlich. Sie misst einen halben bis einen Zentimeter, ist somit kleiner als eine Ein-Cent-Münze. Das Tier hat eine auffällige schwarz-weiße Musterung. Biologin Doreen Werner arbeitet zusammen mit Kollegen an einem Mückenatlas. Wer eine ungewöhnliche Mücke findet, kann sie an Werner und ihre Mitstreiter schicken [mueckenatlas.com].

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 18 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

33 Kommentare

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  1. 33.

    Das Dengue-RNA-Virus kann auch vertikal übertragen werden. Das heißt, die Übertragung erfolgt von der weiblichen Mücke auf ihr Gelege und damit den Larven ohne vorherige Bluthochzeit mit dem Wirt.
    Demnach wird das Dengue-Virus aus den Infektionsgebieten stetig über Waren- und Reiseverkehr per Huckepack in der Tigermücke eingeschleppt und außerdem bei der Fortpflanzung in unseren Regionen mit „vererbt“.
    Gibts erstmal genug Wirte durch Bluthochzeit bekommen wir eine Epidemie.

  2. 32.

    Ein lebendiges Gecko im Gepäck? Ist auch nicht unbedingt eine gute Idee.Augen auf beim Koffer packen.Eine Mücke kann man übersehen, ein Gecko kaum.

  3. 31.

    Logische Erklärung: Die Erreger sind bereits bei den ebenso reisenden Menschen aus tropischen Gebieten mitgebracht worden und werden dadurch nur weiter getreut. Die logisch nächte Fragerunde sollte mit dem Tropeninstitut sein zum Vorkommen der Erreger in der menschlichen Population hier.

  4. 30.

    Beim Verschieben von Klimazonen würde ich die mögliche erneute Ausbreitung von Moskitos viel interessanter finden, da dann auch bis in den Süden von Deutschland wieder die Malaria heimisch werden könnte, die wir ja mal froh waren endlich losgeworden zu sein.

  5. 29.

    "Mückentötolin. Wer den Begriff noch kennt. " Das wird aber schwierig bei den kleinen Dingern, die zwischen zwei Fingern zu halten, wärend man das Mückentötolin spritzt - und kann man bei den kleinen Augen eigentlich sehen, wann sie diese verdreht und die Zunge raushängt?

  6. 27.

    Ich frage mich, wie kommen diese tropischen Erreger in die Tigermücke, wenn sie nicht gerade erst eingeschleppt wurde? Wenn die Viecher nur einen Aktionsradius von 300 Metern haben, dürften die hier geschlüpften, also die dann heimische Population, diesbezüglich ungefährlich sein(?)

  7. 26.

    "Im Winter vor 2 Jahren haben bei uns im Werk Tigermücken in den WC Bereichen überwintert". Ihr Kommentar!
    Stechmücken mögen es nicht kalt. Sie sind auch kaum in Räume zu finden, wo eine Klimaanlage sehr kühl eingestellt ist.
    Laien können schlecht unterscheiden was für eine Mücke es ist. Das kann da der Fachbereich mit Überprüfung. Wurde das bei Ihnen?

  8. 24.

    Weil wir auf der Erde ein regionales Klima und dementsprechend eine regional daran angepasste Biosphäre haben. Und wenn sich das gesamte Klima über einen Offset erwärmt, dann werden die gleichen Bedingungen geshiftet (verschoben).
    Es gibt nun Arten die im Zuge des internationalen Reise- und Warenverkehrs in Shiftrichtung eingeschleppt werden und damit das noch existierende Biotop (auch angepasster Mensch) unter Druck setzen.
    Warum diese Art klimabedingter Diffusionsprozess ( gibt natürlich auch andere) nicht als positiv, mit Ausnahme von falsch verstandenen wirtschaftlichen Vorteilen, empfunden wird, müsste eigentlich klar sein.

  9. 23.

    Warum nützt der Klimawandel durch die Bank weg nur Lebewesen mit vermeintlich negativen Charakter/Lebensweise?
    Weil es hauptsächlich für den Menschen eng wird.
    Aber wir können ja auch hoffen das hier bald gebratene Hühnchen einfallen oder das Tofu.

  10. 21.

    Mücken bekämpfen - als "bezirksübergreifende" Aufgabe auf Landesebene?
    In Brandenburg, Meck Pomm usw. haben sie sehr viel mehr passende Lebensräume...

  11. 20.

    >"Mückentötolin. Wer den Begriff noch kennt. Das Tierchen wird nicht aufzuhalten sein. Entsetzliche Perspektive...."
    Da sind wir quasi alle Opfer des globalisierten Reiseverkehrs. Die Jetsetter bringen aus irgendeiner Ecke dieser Welt ein kleines krankes Souvinier mit. Das ist leider nicht aufzuhalten. Der erste globalisierte Bazillus war übrigens die Beulenpest.
    Bei diesen Aussichten können wir es nur locker gespannt sehen, vielleicht hilft zur Entspannung ja wirklich das Mückentötolin von Rolf Herricht und Hans Joachim Preil... "...dann nehm ich die Mücke zwischen Daumen und Zeigefinger und spritze ihr das Mückentötolin. Und sehen sie... schon verdreht die Mücke die Augen und ihr wird schlecht..." ;-))

  12. 19.

    Keine Mücke ist illegal!

  13. 18.

    Mit Sicherheit. Der Rubel muss rollen, läuft gerade nicht so gut. Mehr Plörre muss in den Arm.

  14. 17.

    LAGeSo. Bitteschön, liebe "Journalisten".

  15. 16.

    Die Tigermücke ist doch bereits seit Jahren in ganz Deutschland zu finden, deshalb wundert mich dieser Artikel sehr.
    Selbst im Winter vor 2 Jahren haben bei uns im Werk Tigermücken in den WC Bereichen überwintert .
    Das Thema Eindämmung/ Bekämpfung dürfte damit genauso sinnfrei sein, wie die gesamte Diskussion und Panikmache bezüglich des " Klimawandels.....

  16. 15.

    Und wiedereinmal wird Angst verbreitet,und die Menschen werden hinterher rennen

  17. 14.

    Mückentötolin. Wer den Begriff noch kennt. Das Tierchen wird nicht aufzuhalten sein. Entsetzliche Perspektive....

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