Interview | Fünf Jahre nach dem Verschwinden von Rebecca - "Seitdem gab es keinen vergleichbaren Fall in Berlin"

So 18.02.24 | 07:59 Uhr
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Symbolbild: Ein junges Mädchen, das mit einer Gruppe Jugendlicher unterwegs ist, klebt in einem Park zwischen den U-Bahnhöfen Johannisthaler Chaussee und Britz-Süd Flugblätter an einen Laternenpfahl. (Quelle: dpa/Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 18.02.2024 | Kerstin Breinig | Bild: dpa/Soeder

Seit fünf Jahren wird Rebecca aus Neukölln vermisst. Bis heute fehlt von dem Mädchen jede Spur. Die Ermittler gehen inzwischen von einem Tötungsdelikt aus. Warum dieser Fall einzigartig ist, erklärt Heiner Prötzig, Kommissar in der Vermisstenstelle in Berlin.

Die damals 15-jährige Rebecca verschwand am Morgen des 18. Februar 2019 im Ortsteil Britz im Bezirk Berlin-Neukölln. Nach Angaben der Familie und der Polizei verbrachte das Mädchen die Nacht im Haus der Schwester und des Schwagers. Bis heute wurde sie weder lebend noch tot gefunden. Seit damals ermittelt eine Mordkommission des Berliner Landeskriminalamtes (LKA). Unter Verdacht steht weiterhin der Schwager Rebeccas.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gibt im Fall Rebecca keine Neuigkeiten." Als Beschuldigter werde nach wie vor der Schwager geführt. Weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung, die gelegentlich eingingen, werde nachgegangen. "Bislang hat sich da aber noch nichts als zielführend erwiesen", so der Sprecher. Ein weiterer Zeugenaufruf sei derzeit nicht geplant, das Thema beschäftige die Öffentlichkeit ohnehin.

rbb: Herr Prötzig, nun sind seit Rebeccas Verschwinden fünf Jahre vergangen. Rechnen Sie noch damit, dass der Fall gelöst wird?

Heiner Prötzig: Es ist schwer zu sagen und es liegt ja auch nicht mehr in der Hand der Vermisstenstelle. Dadurch, dass die Mordkommission den Fall übernommen hat, geht man ja offensichtlich davon aus, dass sie nicht mehr lebt.

Was macht diesen Vermisstenfall auch nach fünf Jahren so interessant, auch wenn Sie jetzt nicht mehr direkt daran beteiligt sind?

Wann verschwindet hier in Berlin schon mal ein Kind? Seit 2000 gibt es sehr wenige Kinder, die verschwunden sind, wie zum Beispiel Sandra Wissmann. Der Fall Georgine Krüger wurde nach vielen Jahren durch verdeckte Ermittler aufgeklärt.

Ist es realistisch, dass es nach so langer Zeit immer noch aktive Hinweise gibt?

Ja, na klar. Es gibt immer Leute, die jemanden gesehen haben. Da bekommen wir auch Hinweise, dass da sozusagen was passiert, aber das ist immer die Frage, wie glaubwürdig die sind.

Wie sicher sind diese Zeugenaussagen, die es nachträglich gibt?

In meinen Augen ist es sehr selten, dass da was dran ist. Das sind Leute, die die Person gar nicht kannten und das ist auch unser Problem bei Presseveröffentlichungen, bei Vermissten-Sachen, dass sozusagen Hinweise kommen, die einfach nicht plausibel sind. Und was sich auch im Nachhinein herausstellt, das stellen wir auch immer wieder fest, wenn der Vermisstenfall sich geklärt hat, dass der Hinweis einfach nicht brauchbar war.

Zur Person

Heiner Prötzig - Kommissar in der Vermisstenstelle Berlin, Foto: Andreas Lichtwald
Andreas Lichtwald

Heiner Prötzig ist Kriminalhauptkommissar und arbeitet seit 2000 in der Vermisstenstelle des Berliner Landeskriminalamts (LKA).

Sie haben ständig mit Vermisstenfällen zu tun. Wie oft bleiben solche Fälle ungeklärt, so wie bei Rebecca?

Bei Kindern und Jugendlichen ist es die absolute Ausnahme, weil 99,9 Prozent wieder nach Hause zurückkehren. Das ist der Normalfall. Bei Erwachsenen ist die Quote vielleicht etwas höher, die nicht zurückkehren, aber hier liegt die Quote vielleicht bei 99,8 Prozent.

Sie haben beruflich automatisch mit traurigen Geschichten zu tun. Wie schafft man es denn, nach Feierabend dann abzuschalten und das im Büro zu lassen?

Nicht jeder Fall ist so dramatisch wie der Fall Rebecca. Der Normalfall des Vermissten ist der Dauerausreißer, der das fünfte, sechste, zwanzigste Mal aus seiner Kriseneinrichtung abgehauen ist. Das ist ja sozusagen unser Butter- und Brotgeschäft hier.

Der Fall Rebecca ist aber immer noch in Erinnerung von vielen Leuten und das ist bereits fünf Jahre her. Seitdem gab es keinen vergleichbaren Fall in Berlin.

Begleitet man gedanklich die Kollegen, die damit beschäftigt sind?

Ja, klar, man erkundigt sich ja auch mal bei den Kollegen. Wir sitzen im gleichen Haus und dementsprechend fragt man ja auch mal nach, ob es irgendwie was Neues gibt. Wobei das jetzt nach fünf Jahren auch nicht zu erwarten ist, dass es was Neues gibt.

Haben Sie es auch schon erlebt, dass nach sehr langer Zeit doch Licht ins Dunkel kam?

Klar, das gibt es immer wieder. Das sind aber auch seltene Fälle, wo zumindest die Leute wieder lebend auftauchen, weil viele nicht die Energie haben, ein neues Leben anzufangen, wie man sich das so vorstellt. Dass man zum Zigarettenholen geht, nicht mehr wiederkommt, ins Ausland geht und dort eine ganz neue Identität, ein neues Leben startet.

Das haben wir vielleicht einmal in drei Jahren oder fünf Jahren, dass sowas passiert. Dementsprechend ist die Lösung oft eine nicht so positive, eine Totauffindung, dass dann die Klärung über eine Identifizierung erfolgt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Heiner Prötzig führten Catharina Zanner und Sebastian Mehrheim, Antenne Brandenburg.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.02.2024, 19:30 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Warum lesen sie nicht einfach den Artikel, bevor sie kommentieren? Denn genau in dem Artikel steht folgendes:

    "Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gibt im Fall Rebecca keine Neuigkeiten." Als Beschuldigter werde nach wie vor der Schwager geführt. Weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung, die gelegentlich eingingen, werde nachgegangen. "Bislang hat sich da aber noch nichts als zielführend erwiesen", so der Sprecher."

  2. 17.

    "Wer hat den den Bericht angefordert"

    Den den? Die Aufregung, oder?

  3. 16.

    Gut geschrieben! Wenn solch Fall im Umfeld von @Rudi passieren würde, dann hätte er garantiert eine andere Meinung.

  4. 15.

    Man man man Rudi... Ohne ein wenig Nachdenken gleich auf 180?
    >"Warum wird über einen Kriminalfall geredet zu dem es nichts neues zu sagen gibt?"
    Weil die Polizei in den letzten Tage neue Zeugenaufrufe rausgebracht hat und dies immer noch ein offener Fall ist.
    >"Warum wird immwr wiedee darauf hingewiesen das der Schwager unter Verdacht steht."
    Weil dies der offizielle Sachstand der Polizei ist.
    >"Gibt es neue Erkenntnisse ? Wenn nicht ist das Diskriminierung."
    ??? Äh...?
    >"Verdächtigungen ohne Erkenntnisse sind was für F..book ."
    In diesem Artikel werden die Erkenntnisse der Polizei mitgeteilt. Es spricht Heiner Prötzig, Kommissar in der Vermisstenstelle in Berlin.
    >"Auch Verdächtige , Täter haben ein Recht in Ruhe glassen zu werden."
    Das heißt hier Unschuldsvermutung. Und die gilt weiterhin - vor Gericht! Aufgabe der Polizei ist es, zu ermitteln. Beim Ermitteln können Verdächtige schon mal "belästigt" werden mit Fragen.

  5. 14.

    5 Jahre! Wer hat den den Bericht angefordert. Warum wird über einen Kriminalfall geredet zu dem es nichts neues zu sagen gibt?

    Warum wird immwr wiedee darauf hingewiesen das der Schwager unter Verdacht steht.

    Gibt es neue Erkenntnisse ? Wenn nicht ist das Diskriminierung.

    Verdächtigungen ohne Erkenntnisse sind was für F..book . Ich schreibs nocht aus weil ich keine Werbung machrn will.

    Auch Verdächtige , Täter haben ein Recht in Ruhe glassen zu werden.

    Für die Ermittlungen, Verurteilungen sind die Polizei und die Justiz tuständig, nicht die Medien. Deshalb haben wir einen Rechtsstaat und keine Lynchjustiz.

    Überdenkt mal eure Berichterstattung. Vorverurteilung geht gar nicht.

  6. 13.

    Die Unschuldsvermutung gilt vor Gericht und nicht bei Ermitteln. Diese gehen nach den vorliegen Sachverhalten. Vermutlich reichen die Indizien aber nicht für eine Anklage

  7. 12.

    Ich habe immer gehofft, irgendein Kieferorthopäde meldet sich, er habe einem ähnlich aussehenden Mädel die feste Zahnspange abmachen müssen... Aber nichts, gar nichts. Und ja, die anderen cold cases verfolge ich ebenfalls. Hier im rbb gibt's dazu auch einen guten Podcast.

    Puh... Starker Tobak, wenn man wieder drüber nachdenkt!

  8. 10.

    Gilt in Deutschland nicht die Unschuldsvermutung? Davon scheint aber in diesem Fall keine Rede zu sein. Es gibt offenbar keinerlei Beweise gegen den Schwager. Trotzdem wird er weiterhin verdächtigt und beschuldigt. Und das auch noch öffentlich.

  9. 9.

    Wie im Mordfall Maria Baumer. Der Verlobte saß bei Rudi Cerne im Studio und mimte den Verzweifelten, bis sich herausstellte, dass er selbst der Täter war.

  10. 8.

    Das mag ja sein. Trotzdem gibt es in der Vergangenheit zahlreiche Fälle, wo man einem später verurteilten Täter ein Verbrechen nie zugetraut hätte.

  11. 7.

    Die Familie des Mädchens stand geschlossen hinter dem Schwager. So war es überall zu lesen.

  12. 6.

    Falls Rebecca Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist, was ja als ziemlich wahrscheinlich anzunehmen ist, hoffe ich, dass der Täter sich jedes Mal als das fühlt, was er ist, wenn er in den Spiegel schaut.

  13. 5.

    XY hat zu Rebecca im März 2019 berichtet, aber ein erneuter Bericht mit aktuellen Informationen könnte weiterhelfen. Wurden seinerzeit eigentlich die Baugruben (Verlegung neuer Rohre) Buckower Damm überprüft? Ich wünsche den Ermittlern Erfolg.

  14. 4.

    Der Fall wurde vor 5 Jahren bereits in Aktenzeichen XY behandelt. Aber Sie haben insofern recht, als dass nach so langer Zeit eine Neuausstrahlung des Falles durchaus sinnvoll wäre.

  15. 3.

    Es ist leider nicht nur dieser Fall der viele Menschen beschäftigt. Ich denke da an die getötete Frau im Spandauer Stadtforst. Wie oft haben meine Frau und ich uns das Überwachungsvideo angesehen vom Ausgang des Johannesstifts. Bin fest der Meinung das der Typ der auf dem Rad zu sehen ist, irgendwo in der Nähe wohnt. Zeuge? Täter? Wir wissen es nicht.

  16. 2.

    Was glaubt eigentlich die Familie von Rebecca? Wie erklärt die sich das Verschwinden?
    Man kann dem Schwager nichts beweisen, also ist er unschuldig. Aber die ganzen Ungereimtheiten, die ja noch keine Beweise sind, müssen doch die Familie misstrauisch werden lassen. Mit so einem Misstrauen könnte ich niemals weiterhin zusammenleben.

  17. 1.

    Wie wäre es denn mal mit einer Ausweitung der Fahndung über die ZDF-Sendung XY ungelöst? Da werden ja auch manchmal sogar noch cold cases aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung aufgeklärt.

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