Diese Brandenburger Erfindung gehört derzeit zu den wohl am meisten gehassten Umweltsünden. Schon allein bei seiner Erwähnung häuft man eine Tonne CO2 auf seinem persönlichen Umweltkonto an. Dabei war es so sauber gestartet.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Eigentlich müsste dieses Türchen hier leer sein. Aus Scham. Da leere Türchen aber dem Prinzip des Weihnachtskalenders widersprechen, betonen wir hier gleich zu Beginn, dass dieses hier das einzige Einweg-Türchen des gesamten Kalenders bleibt, denn darin steckt: ein Pappteller, und zwar der weltweit allerallererste Pappteller.
Der Pappteller ist ein Brandenburger Speisen-Olympionike, der zur Mitte des 19. Jahrhunderts auszog, um das Essen hygienischer zu machen, doch der dann als Umweltvernichter nach Brandenburg zurückkam. Der Buchbinder Hermann Henschel (1843 - 1918) störte sich einst - so begründete er später seine Motivation für diese Erfindung - an den meist sehr unhygienischen Verpackungen von Lebensmitteln, die auf dem Markt oder in den Läden in Zeitungspapier verpackt und transportiert wurden. Um dies zu ändern, ersann er eine Pappe, die er an den Rändern bog ähnlich einem Teller und dafür ein maschinelles Herstellungsverfahren ersann.
Die Konjunktur der Pappteller
Wenige Monate zuvor, im Jahr 1867, hatte Henschel in seinem brandenburgischen Geburtsort Luckenwalde auf dem Fläming seine Buchbinderei gegründet, aus der er dann eine Art Papierwarenproduktion entwickelte, also eine Fabrik für Verpackungen aus Papier.
Laut Berichten über seine Fertigung weichte er die Pappen zunächst, formte sie zu gewölbten Tellerchen und verhalf damit einem Utensil für den hygienischen Transport und für eine leichte und unfallfreie Unterwegsverpflegung zum Durchbruch. Sein Geschäft florierte in der Folge, der Absatz stieg die ersten Jahrzehnte, doch zur Jahrhundertwende dann entdeckte weltweit die Industrie das Potenzial des Papptellers - und zwar für die Reise. Zwar heißt es, Henschel ließ sich seinen Teller patentieren, doch inwieweit er an der schon florierenden Papptellerproduktion partizipierte, ist wenig belegt.
Wenig Umwelt, viel Abfall
Nach Angaben der Fachvereinigung Hartpapierwaren und Rundgefäße (FHR) mit Sitz in Frankfurt am Main (einem Mitgliederverband des Wirtschaftsverbandes Papierverarbeitung, dem bundesweit 17 Unternehmen angehören) stellen bundesweit noch vier Firmen Pappteller her, und zwar mehrere Milliarden Pappteller, die allerdings heute nicht aus hygienischen Gründen, sondern aus Bequemlichkeit genutzt werden: keine Sammelei von Schmutzgeschirr, kein Abwasch, kein Trocknen und Wegstellen. Ein wenig ketzerisch könnte man sagen, dass wir Henschels Erfindung nun nach 150 Jahren für Müll halten. Das allerdings korrigieren wir spätestens bei der nächsten Gartenparty und beruhigen unser Umweltgewissen damit, dass wir die Teller nach dem Verzehr in der Papiertonne entsorgen. Natürlich ohne Ketchup.
Zum Weihnachtsfest dann aber erfährt der mit Santa oder Engeln oder Weihnachtsbäumen bedruckte Pappteller eine Art ökologische Rehabilitation, wenn er als wohlgehüteter Schatz aus den Vorjahren wieder rausgeholt und aufgefüllt wird: Der Weihnachtsteller ist meist ein bunt bedrucktes Mehrjahresprodukt und damit der grüne Engel unter den Papptellern.