Verfassungsbeschwerde eingereicht -
Aus der Intensivmedizin kommt deutliche Kritik an mehreren eingereichten und geplanten Verfassungsbeschwerden gegen die Bundes-Notbremse. Angesichts von bundesweit fast 1.000 Corona-Toten allein in dieser Woche sei es nicht verhältnismäßig, gegen die verhängte Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr vorzugehen, sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), am Donnerstagabend in der rbb-Fernsehsendung “rbb Spezial“.
Er frage sich, wo dabei das Recht eines jeden Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit und Leben bleibe, so Janssen. Seine Kolleginnen und Kollegen mache es "sehr betrübt", dass juristisch gegen die Bundes-Notbremse vorgegangen werde. Auf den Intensivstationen sei man noch lange nicht in "ruhigem Fahrwasser", betonte Janssens.
Härting: Ausgangssperre "evident verfassungswidrig"
Der Berliner Anwalt Nico Härting vertritt drei Mandanten der Freien Wähler in Bayern, die dort mit der CSU in der Regierung sitzen. In ihrem Auftrag hat er Verfassungsbeschwerde sowie einen Eilantrag gegen das neue Infektionsschutzgesetz beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Härting verteidigte das Vorgehen in der rbb-Sendung "rbb Spezial": "Die Ausgangssperre ist evident verfassungswidrig. Das Grundgesetz sieht solche Freiheitsbeschränkungen nicht vor", so Härting.
Der Berliner Jurist, der in der Vergangenheit auch schon Gastronomen erfolgreich gegen coronabedingte Sperrstunden in Berlin vertreten hatte, berichtete von zahlreichen Mandanten, die durch die Corona-Krise in existenzielle Nöte geraten seien. "Es gibt viele Menschen in erheblicher finanzieller Not, auch einige Suizide hat es schon gegeben. Das ist auch eine gesundheitliche Komponente, und ich verstehe gar nicht, warum Sie diese komplett ausblenden", sagte er als Reaktion auf Janssens Kritik.
Janssens verteidigt Festhalten an Inzidenzwerten
Der Intensivmediziner Janssens wiederum widersprach auch der Forderung des Anwalts Härting und seiner Mandanten, andere Faktoren als nur die Inzidenzwerte bei der Corona-Lagebeurteilung zu berücksichtigen, darunter vor allem die Auslastung der Intensivstationen. "Natürlich tut die Auslastung etwas zur Sache, aber die Infektion findet vorher statt. Wenn jemand schwer erkrankt, braucht er 14 Tage, bis er auf der Intensivstation landet. Die Auslastung ist neben den Todeszahlen ein harter Marker, aber sie ist rückwärtsgerichtet - und wir können dann nichts mehr tun", so Janssens. "Wenn wir alle gemeinsam handeln, haben wir im Sommer die Möglichkeit, endlich wieder in Freiheit zu leben, so wie das Herr Härting ja auch fordert", so Janssens weiter.
Neben den Freien Wählern hat auch die FDP eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Infektionsschutzgesetz angekündigt, genauso wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post. Er habe gegen das Infektionsschutzgesetz gestimmt, twitterte er bereits am Mittwoch nach dem Bundestagsbeschluss.
Sendung: rbb Spezial, 22.04.2021, 20:15 Uhr