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Audio: Inforadio | 11.01.2022 | S. Schöbel | Quelle: dpa/Christoph Soeder

Corona-Patienten in Krankenhäusern

Berliner Hospitalisierungsinzidenz steigt wegen neuer Datenbasis steil an

Der Wert für die Hospitalisierung von Covid-Patienten in Berlin hat sich mehr als verdoppelt. Hinter dem Sprung steckt allerdings eine Änderung der Berechnungsart. Trotzdem ist das Ganze mehr als nur eine Zahlenspielerei. Von Haluka Maier-Borst

Von grün auf rot in 24 Stunden – die Berliner Corona-Ampel für die Hospitalisierungsinzidenz ist schlagartig von 4,0 auf 10,6 gestiegen und damit von einem als noch akzeptabel eingestuften Wert auf die höchste Warnstufe.

Der Grund dafür ist allerdings nicht ein Mehraufkommen an Covid-Patienten vom einen auf den anderen Tag. Stattdessen ist es die Berechnungsgrundlage, die sich geändert hat. Das Landesamt für Gesundheit (Lageso) nutzt künftig für die Berechnung nicht mehr die Daten, die gemäß des Infektionsschutzgesetzes erhoben werden sondern Daten des Krankenhausregisters IVENA.

Problem seit Monaten bekannt

Das Lageso schreibt auf seiner Seite dazu: "Aufgrund der aktuell sehr hohen Fallzahlen kann eine Ermittlung des Hospitalisierungsstatus derzeit nicht bzw. nicht zeitnah in allen Fällen gewährleistet werden. Daher sind die nach IfSG gemeldeten Daten z.Zt. unvollständig und unterschätzen die aktuelle 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz. Die Änderung der Berechnungsgrundlage führt zu Abweichungen der vom RKI berechneten Hospitalisierungsinzidenzen."

Unbekannt ist dieses Problem indes nicht. Vielmehr haben Datenjournalist:innen und auch die Wissenschaft auf die unvollständigen Daten seit Monaten hingewiesen. In viele Fällen von Covid-Infektionen ist nämlich oft nicht sofort klar, ob der oder die Betroffene in der Klinik ist.

Das hat zum einen mit dem Verlauf der Krankheit zu tun. Nicht jede Person, die als infiziert dem Gesundheitsamt gemeldet wird, wird am ersten Tag der Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen. Sprich das Gesundheitsamt muss gewissermaßen den Eintrag für einen Fall aktualisieren, wenn er oder sie später ins Krankenhaus muss. Da die Hospitalisierungsinzidenz zudem gemäß Erkrankungsdatum und nicht dem Einweisungsdatum berechnet wird, kann es sogar sein, dass ein Fall gar nicht in die 7-Tage-Inzidenz einfließt, weil der oder die Betroffene erst nach acht, neun oder mehr Tagen in die Klinik musste.

Zum anderen gibt es erhebliche Meldeverzüge und -lücken bei der Übermittlung der Fälle. Die Folge ist, dass die Hospitalisierungsinzidenz Nachmeldungen nachträglich deutlich nach oben korrigiert werden muss. So kommt es häufig vor, dass der Wert für ein und den selben Tag mit einer Woche an Nachmeldungen mehr als doppelt so hoch ausfällt wie anfangs ausgegeben.

Lageso-Wert wich schon zuvor vom RKI-Wert ab

Das Lageso hatte dem schon bisher entgegengewirkt. Anders als das RKI hatte es die Hospitalisierungsinzidenz mit einem zusätzlichen Tag Verzug berechnet. Sprich für den 11. Januar wurden nach bisheriger Methode alle Fälle beachtet, die vom 2. Januar bis zum 9. Januar gemeldet wurden und mittlerweile als Fälle im Krankenhaus eingestuft wurden. Dadurch konnte das Lageso die Unterschätzung nach eigenen Angaben von rund 75 Prozent auf etwa 50 Prozent senken. Die Hospitalisierungsinzidenz in der Berliner Ampel war darum auch immer höher als der RKI-Wert für Berlin.

Durch die aktuelle Überlastung der Gesundheitsämter in der Omikron-Welle scheint sich aber die Lage verschärft zu haben. Entsprechend sind nicht länger die Daten bei den Gesundheitsämtern die Grundlage der Berechnung sondern Daten des Krankenhausregisters IVENA.

Sein Vorteil ist gegenüber den Daten des Gesundheitsämter, dass es sich nicht alle Covid-19-Infektionen anschaut. Vereinfacht gesagt schaut man nur darauf, wie viele Patienten und Patientinnen mit oder wegen einer Covid-19-Infektion am Vortag und aktuell in Berliner Krankenhäuser liegen. Und man beachtet noch, wie viele entlassen wurden. Daraus ergibt sich dann die Zahl der Neueinweisungen und damit auch die Hospitalisierungsrate. Wie überlastet die Gesundheitsämter sind, spielt bei diesem Meldevorgang keine Rolle, weil er eben nicht durch die Gesundheitsämter geschieht. Entsprechend gibt es auch keine großen Nachmeldeeffekte, die den Indikator verzerren.

Der Nachteil ist, dass nun die Daten nicht aus einer Quelle kommen und entsprechend kohärent sind. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Fall einer Person, die nicht in Berlin wohnt, aber in Berlin behandelt wird, in der IVENA-Statistik gezählt wird aber nicht in den Daten der Gesundheitsämter. Angesichts der rapide steigenden Fallzahlen in Berlin sind aber solche Ausnahmefälle wohl zunehmend vernachlässigbar. Insgesamt erklärt das Lageso auf Anfrage, dass durch diese Umstellung "die aktuelle 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz sehr viel akkurater" eingeschätzt werde.

Sendung: Abendschau, 11.01.2022, 19:30 Uhr

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