Corona-Patienten in Krankenhäusern - Berliner Hospitalisierungsinzidenz steigt wegen neuer Datenbasis steil an

Di 11.01.22 | 13:39 Uhr
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Intensivstation eines Gemeinschaftskrankenhauses. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: Inforadio | 11.01.2022 | S. Schöbel | Bild: dpa/Christoph Soeder

Der Wert für die Hospitalisierung von Covid-Patienten in Berlin hat sich mehr als verdoppelt. Hinter dem Sprung steckt allerdings eine Änderung der Berechnungsart. Trotzdem ist das Ganze mehr als nur eine Zahlenspielerei. Von Haluka Maier-Borst

Von grün auf rot in 24 Stunden – die Berliner Corona-Ampel für die Hospitalisierungsinzidenz ist schlagartig von 4,0 auf 10,6 gestiegen und damit von einem als noch akzeptabel eingestuften Wert auf die höchste Warnstufe.

Der Grund dafür ist allerdings nicht ein Mehraufkommen an Covid-Patienten vom einen auf den anderen Tag. Stattdessen ist es die Berechnungsgrundlage, die sich geändert hat. Das Landesamt für Gesundheit (Lageso) nutzt künftig für die Berechnung nicht mehr die Daten, die gemäß des Infektionsschutzgesetzes erhoben werden sondern Daten des Krankenhausregisters IVENA.

Problem seit Monaten bekannt

Das Lageso schreibt auf seiner Seite dazu: "Aufgrund der aktuell sehr hohen Fallzahlen kann eine Ermittlung des Hospitalisierungsstatus derzeit nicht bzw. nicht zeitnah in allen Fällen gewährleistet werden. Daher sind die nach IfSG gemeldeten Daten z.Zt. unvollständig und unterschätzen die aktuelle 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz. Die Änderung der Berechnungsgrundlage führt zu Abweichungen der vom RKI berechneten Hospitalisierungsinzidenzen."

Unbekannt ist dieses Problem indes nicht. Vielmehr haben Datenjournalist:innen und auch die Wissenschaft auf die unvollständigen Daten seit Monaten hingewiesen. In viele Fällen von Covid-Infektionen ist nämlich oft nicht sofort klar, ob der oder die Betroffene in der Klinik ist.

Das hat zum einen mit dem Verlauf der Krankheit zu tun. Nicht jede Person, die als infiziert dem Gesundheitsamt gemeldet wird, wird am ersten Tag der Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen. Sprich das Gesundheitsamt muss gewissermaßen den Eintrag für einen Fall aktualisieren, wenn er oder sie später ins Krankenhaus muss. Da die Hospitalisierungsinzidenz zudem gemäß Erkrankungsdatum und nicht dem Einweisungsdatum berechnet wird, kann es sogar sein, dass ein Fall gar nicht in die 7-Tage-Inzidenz einfließt, weil der oder die Betroffene erst nach acht, neun oder mehr Tagen in die Klinik musste.

Zum anderen gibt es erhebliche Meldeverzüge und -lücken bei der Übermittlung der Fälle. Die Folge ist, dass die Hospitalisierungsinzidenz Nachmeldungen nachträglich deutlich nach oben korrigiert werden muss. So kommt es häufig vor, dass der Wert für ein und den selben Tag mit einer Woche an Nachmeldungen mehr als doppelt so hoch ausfällt wie anfangs ausgegeben.

Lageso-Wert wich schon zuvor vom RKI-Wert ab

Das Lageso hatte dem schon bisher entgegengewirkt. Anders als das RKI hatte es die Hospitalisierungsinzidenz mit einem zusätzlichen Tag Verzug berechnet. Sprich für den 11. Januar wurden nach bisheriger Methode alle Fälle beachtet, die vom 2. Januar bis zum 9. Januar gemeldet wurden und mittlerweile als Fälle im Krankenhaus eingestuft wurden. Dadurch konnte das Lageso die Unterschätzung nach eigenen Angaben von rund 75 Prozent auf etwa 50 Prozent senken. Die Hospitalisierungsinzidenz in der Berliner Ampel war darum auch immer höher als der RKI-Wert für Berlin.

Durch die aktuelle Überlastung der Gesundheitsämter in der Omikron-Welle scheint sich aber die Lage verschärft zu haben. Entsprechend sind nicht länger die Daten bei den Gesundheitsämtern die Grundlage der Berechnung sondern Daten des Krankenhausregisters IVENA.

Sein Vorteil ist gegenüber den Daten des Gesundheitsämter, dass es sich nicht alle Covid-19-Infektionen anschaut. Vereinfacht gesagt schaut man nur darauf, wie viele Patienten und Patientinnen mit oder wegen einer Covid-19-Infektion am Vortag und aktuell in Berliner Krankenhäuser liegen. Und man beachtet noch, wie viele entlassen wurden. Daraus ergibt sich dann die Zahl der Neueinweisungen und damit auch die Hospitalisierungsrate. Wie überlastet die Gesundheitsämter sind, spielt bei diesem Meldevorgang keine Rolle, weil er eben nicht durch die Gesundheitsämter geschieht. Entsprechend gibt es auch keine großen Nachmeldeeffekte, die den Indikator verzerren.

Der Nachteil ist, dass nun die Daten nicht aus einer Quelle kommen und entsprechend kohärent sind. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Fall einer Person, die nicht in Berlin wohnt, aber in Berlin behandelt wird, in der IVENA-Statistik gezählt wird aber nicht in den Daten der Gesundheitsämter. Angesichts der rapide steigenden Fallzahlen in Berlin sind aber solche Ausnahmefälle wohl zunehmend vernachlässigbar. Insgesamt erklärt das Lageso auf Anfrage, dass durch diese Umstellung "die aktuelle 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz sehr viel akkurater" eingeschätzt werde.

Sendung: Abendschau, 11.01.2022, 19:30 Uhr

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17 Kommentare

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  1. 17.

    "Und da sind sicher auch Ungeimpfte bei."
    Könnte sein, vielleicht sind auch alle ungeimpft?
    Aber genau das wäre doch wichtig, allein schon um zu beweisen wie erfolgreich der Impfstoff arbeitet.
    Also entweder werden diese Daten nicht erfasst oder sie werden erfasst und nicht veröffentlicht.
    Bei Beiden stellt sich dann die Frage: warum nicht?

  2. 16.

    In der Stadt Bremen liegen aktuell 132 Patienten mit Corona in Krankenhäusern, 23 davon auf Intensiv-Stationen, 16 müssen beatmet werden. Die Bremerhavener Kliniken versorgen elf Corona-Patienten, von denen einer auf einer Intensiv-Station liegt und beatmet werde muss. (Quelle: buten un binnen). Und da sind sicher auch Ungeimpfte bei. Auf Platz 1 beim Boostern liegt aktuell das Saarland. (53,2%) (Quelle: zdf heute)

  3. 15.

    Ja, vielerorts würden Sie da mit in der Hospitalisierungsinzidenz erfasst werden (und Sie müssten trotzdem in Quarantäne, wozu sich Krankenhaus einrichten muss). Es gibt jedoch auch weitere Daten. Z.B. in England (wo die Krankenhäuser in einer Organisation, NHS), da führt NHS Analyse zu wie viele im Krankenhaus primär wegen Covid-19. Und je nach Tag sind es so zwei Drittel oder mehr, welche primär wegen Covid-19 in Behandlung - z.B. am 4. Januar waren in England 13.045 Krankenhauspatienten mit positivem Test, und davon 8.200 primär wegen Covid-19 in Behandlung (und insgesamt gab es seit April 2020 zu Jahresanfang in UK mehr als 640.000 Patienten mit oder wegen Covid-19, und davon mehr als 150.000 Todesfälle).

    Also zwar manche Fälle wo es "mit" und nicht "wegen". Aber allgemeine Datenlage sowie auch Blick auf Anzahl derer, welche "wegen" Covid-19 auf Intensivstation waren und sind (wo es prozentuell nicht geringe Sterberate), lässt nicht darauf schließen, dass Fälschung.

  4. 14.

    Genau das ist der Grund dafür!
    Aber wenn man im Rahmen eines MRT zufällig eine Corona- Erkrankung feststellt und diese Patienten dann zur Sicherheit eine Woche auf die ITS legt, dann sagt das viel über die Glaubwürdigkeit der Zahlen und deren Zustandekommen ;-)

  5. 13.

    @SANI OG:
    1. Platz im Liefern aktueller Daten: Bremen
    Nur kein Neid, die holen wir bald genug noch ein.

  6. 12.

    Wenn Sie mit einer Blinddarmentzündung ohne Corona ins Krankenhaus kommen, kommen Sie eben ins Krankenhaus- Gute Besserung!
    Haben Sie dazu auch noch Corona, müssen zusätzlich Maßnahmen (Isolation, Schutz des Personals usw.) ergriffen werden. Das belastet die Kliniken zusätzlich. Trotzdem Gute Besserung!

  7. 11.

    Transparente Kommunikation ist sowohl im Bund als auch in den Ländern das größte Problem seit Beginn der Pandemie und unabhängig davon wer die Minister bzw. Regierungschefs stellt. Das wäre die größte Aufgabe für das bessere Management kommender Pandemien, die es zu lösen gilt.

  8. 10.

    Wenn man eine Änderung vornimmt oder die Absicht hat eine Änderung vorzunehmen, warum wird das nicht im Vorfeld mit einer Woche Vorlauf angekündigt und transparenter kommuniziert!? Und die Politik wundert sich, dass immer mehr Leute sich abwenden!? Vertrauen und Transparenz(die in den letzten Wochen stark gelitten haben) sind in dieser Phase der Pandmie enorm wichtig, aber die Politik verspielt immer mehr davon...

  9. 9.

    das verstehe ich.

    und nachdem man nun keine RKI Zahlen in Berlin mehr verwendet zählt man viel zu viele Fälle. Die Zahl die nun verwendet wird scheint für einen anderen Zweck erhoben zu werden.

  10. 8.

    1. Platz Impfquote: Bremen
    1. Platz Boosterquote: Bremen
    1. Platz „Inzidenz“: Bremen
    1. Platz Hospitalisierungsquote : Bremen

  11. 7.

    Nach RKI sollte nur dafür erfaßt werden, wenn eine Erkrankung mit COVID-19 der oder ein wesentlicher Einweisungsgrund ist. Die reine Feststellung der Infektion mit SARS-CoV-2 bei Einweisung ohne Erkrankung an COVID-19 sollte nicht an das RKI gemeldet werden für die Hospitalisierungsinzidenzen - das ist aber trotzdem für die Krankenhäuser intern wichtig, wegen zusätzlicher Infektionsschutzmaßnahmen bei solchen Patienten, um einen Infektionscluster im Krankenhaus zu vermeiden (wozu es ja schon gekommen ist in einigen Häusern).

  12. 6.

    "Vereinfacht gesagt schaut man nur darauf, wie viele Patienten und Patientinnen mit oder wegen einer Covid-19-Infektion am Vortag und aktuell in Berliner Krankenhäuser liegen."

    Wundervoll, was bringen diese Zahlen dann? Es wird eine Zahl der WEGEN Covid-19 im Krankenhaus befindlichen Patienten benötigt da nur mit dieser Zahl die Gefährlichkeit der aktuellen Virusvariante abgeschätzt werden kann. Die MIT Covid-19 im Krankenhaus befindlichen Patienten wäre ja auch ohne das Virus dort.

  13. 5.

    "Das hat zum einen mit dem Verlauf der Krankheit zu tun. Nicht jede Person, die als infiziert dem Gesundheitsamt gemeldet wird, wird am ersten Tag der Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen"

    Hört sich so an als ob alle Anderen später eingewiesen werden.
    Aber ca. 99,3 Prozent werden überhaupt nicht eingewiesen!

  14. 4.

    "Nachteil [...] in der IVENA-Statistik gezählt wird aber nicht in den Daten der Gesundheitsämter"
    Nachteil ist vor allem auch, dass die IVENA-Zahlen nicht öffentlich sind.
    Allerdings verstehe ich den Satz nicht so recht; ich dachte, dass die IVENA-Software eben gerade die Basis in den Gesundheitsämtern stellt? (Die statistischen Auswertungen sind nur ein Teil des Pakets.)

  15. 3.

    Aha, wenn ich also mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus komme und dann der Coronatest positiv ist, treibt das die Hospitalisierungsinzidenz nach oben? Aber ist ja bestimmt nützlich so ein Panikschub: Lasst Euch bloß impfen, die Hospitalisierungsinzidenz ist so gestiegen, welch ein Horror! Habe ich schon an der Uni gelernt: Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

  16. 2.

    Die Berechnung wird geändert, schon steigen die Zahlen und man kann die Maßnahmen verschärfen!
    Alle Bundesländer müssen doch gleiche Berechnungen haben, sonst macht das keinen Sinn.

  17. 1.

    Ich finde die Änderung sachlich sinnvoll für den avisierten Zweck als zeitnaher Indikator. Warum hat man das nicht von Anfang an so gemacht? Die epidemiologische Sichtweise des RKI hat aber auch seine Berechtigung, taugt aber eben nicht für die zügige Planung in den Krankenhäusern. Wenn allerdings nicht alle Bundesländer so verfahren, ist die deutschlandweite Datenbasis inkohärent und man kann doch wieder nur die epidemiologischen RKI-Zahlen für Vergleiche heranziehen. Ist dennbekannt, ob Brandenburg seine Datenbasis zeitgleich mit Berlin auch ändern wird?

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