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Quelle: dpa/Jonas Walzberg

#Wiegehtesuns? | Alleinerziehende Mutter in der Inflationskrise

"Der Gang durch den Supermarkt schnürt mir schon den Hals zu"

Gute Ernährung ist oft auch eine Frage des Geldes. Für Yvonne Hübscher aus Ragow ist der Einkauf im Supermarkt zu einer Herausforderung geworden. An gesundem Essen sparen will die alleinerziehende Mutter nicht. Ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Auch vor dem russischen Angriffskrieg und der Inflation musste Yvonne Hübscher mit ihrem wenigen Geld gut haushalten. Doch seit dem Sommer muss die 48-Jährige jeden Cent mehrmals umdrehen. Vor allem der Gang in den Supermarkt ist für sie harte Arbeit geworden. Denn ihr Budget ist klein, und es darf nicht überschritten werden.

Im August habe ich mich als Handelsvertreterin selbstständig gemacht. Ich verkaufe jetzt tatsächlich, ganz klassisch, Staubsauger. Hätte mir das vor ein paar Jahren jemand erzählt, hätte ich ihn ausgelacht. Aber es ist für mich die einzige Chance, für meine elfjährige Tochter da zu sein und von der Arbeitslosigkeit wegzukommen.

Ich bin gelernte Sekretärin und habe auch lange im Beruf gearbeitet. Aber die Arbeitszeiten sind für Alleinerziehende schwer zu stemmen. Erst habe ich 1.600 Euro als Sekretärin verdient. Dann war ich arbeitslos und musste mit 500 Euro weniger klarkommen. Jetzt bin ich selbstständig und habe diesen Monat nur durch die 300 Euro Energie-Einmalzahlung geschafft. Vom Arbeitsamt kommt keine Unterstützung und gleichzeitig ist das Leben so teuer geworden.

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Der Gang in den Supermarkt schnürt mir schon ganz schön den Hals zu. Es fühlt sich an, als ob ich keine Luft mehr bekomme. Ich will mich aber weiterhin bewusst und gesund ernähren, allein schon für meine Tochter. Außerdem koche ich gern und probiere neue Rezepte aus. Aber das ist jetzt wirklich schwer geworden.

Unser Wochenbudget für den Supermarkt liegt bei 100 Euro. Davon kaufe ich Waschmittel, Toilettenpapier und andere Kosmetikartikel. Für Lebensmittel bleiben da nur noch 50 Euro für sieben Tage. Rücklagen bilden ist da nicht möglich.

Für meinen Wocheneinkauf gehe ich zu einem türkischen Supermarkt nach Rudow. Da ich aus Neukölln komme, kenne ich das so. Ich habe die früher immer belächelt und mir gesagt: Das Obst und Gemüse kann ja nicht gut sein, das steht ja direkt an der Straße. Aber mittlerweile gehe ich gerne dorthin. Ich bekomme auch mal etwas mehr für den geleichen Preis. Das hilft ungemein. Außerdem ist da das Obst und Gemüse nicht so viel in Plastik verpackt. Das ist mir für die Umwelt auch wichtig.

Für kurze Spontankäufe gehe ich auf den Wochenmarkt. Damit ich mein Budget einhalte, kaufe ich saisonales Gemüse. In den kommenden Wochen gibt es erstmal ganz viel Kürbis. Vergangene Woche hatten wir eine komplette Suppenwoche. Ich muss eben alles ganz genau planen.

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Eins weiß ich: Ich kann an allem sparen. Kleidung, Sprit, Freizeit, nur am Essen werde ich nicht sparen. Es gibt so einen Spruch: Du bist, was du isst. Es gibt Raucher, die geben ihr ganzes Geld für Zigaretten aus, da wird gar nicht nachgefragt. Die sparen eher am Essen.

Ich kann für den Preis einer Büchse Fertigessen drei Tage lang gesund kochen. Dann gibt es eben nur Tomaten aus dem Angebot. Aber genau das motiviert mich, da dranzubleiben. Bei vielen ist es in erster Linie Bequemlichkeit.

Ich habe mir den Weg jetzt so ausgesucht, auch das mit der Selbstständigkeit. Klar, wenn ich an die Energiepreise denke, da wird es mir schon schwindlig. Zur Not muss ich mir eben noch einen 520 Euro-Nebenjob suchen.

Das Gespräch führe Raphael Knop.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 04.10.2022, 19:30 Uhr

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