Gedenken an Kriegsende - Berliner Senat will Jahrestag der Befreiung am 8. Mai still begehen

Di 03.05.22 | 17:25 Uhr
  22
Zahlreiche Einschusslöcher sind an einem Gebäude auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin zu sehen.
Audio: Inforadio | 03.05.2022 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa

Keine öffentlichen Gedenkveranstaltungen, keine Kranzniederlegungen: Vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine hat der Berliner Senat beschlossen, dem Kriegsende am 8. Mai 1945 still und nichtöffentlich zu gedenken.

Am Tag der Befreiung kommenden Sonntag wird der Berliner Senat nur still und nichtöffentlich des Kriegsendes am 8. Mai 1945 gedenken. Das sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag.

"Die Lage ist sehr bedrückend, und dem muss ein solches Gedenken auch gerecht werden", so Giffey. Man wolle damit unter anderem vermeiden, dass Situationen provoziert werden, die missverstanden werden könnten, so Giffey.

Senatsmitglieder begehen Jahrestag individuell

Aus Senatskreisen hieß es dazu auf rbb-Nachfrage, dass mehrere Bedenken im Raum stünden. So stehe das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor allem unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine und des Leides der dortigen Bevölkerung. Zudem solle vermieden werden, dass eine öffentliche Gedenkveranstaltung des Senats für russische Kriegspropaganda missbraucht werde.

Sie selbst werde am Sonntag öffentlich nur bei einer Solidaritätsveranstaltung für die ukrainische Gemeinschaft teilnehmen, sagte die Regierende Bürgermeisterin. Nach rbb-Informationen werden Senatsmitglieder individuell und unter Ausschluss der Presse den Tag begehen. Wo und wann sie das tun werden, wolle man aber nicht bekanntgegeben.

Spranger: Rund 50 Veranstaltungen angemeldet

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sprach von einer "sehr sensiblen Gefährdungslage" am 8. und vor allem 9. Mai. Aktuell seien an beiden Tagen insgesamt rund 50 Veranstaltungen angemeldet. Hinter vielen dieser Veranstaltungen stehen wie in den Vorjahren russische Initiativen. Parallel sind in diesem Jahr aber auch anti-russische Gegenkundgebungen wegen des Angriffs von Russland auf die Ukraine geplant. Nach Angaben von Spranger ist die Polizei auf die Lage gut vorbereitet.

Am Sonntag sind an den sowjetischen Ehrenmälern an der Straße des 17. Juni und im Treptower Park in Berlin russische Gedenkveranstaltungen angekündigt. Nachmittags soll eine Demonstration unter dem Motto "Nein zum Krieg in der Ukraine" vom Brandenburger Tor aus durch das Regierungsviertel ziehen. Am Montag, der in Russland der Feiertag zum Kriegsende ist, geht es mit mehreren russischen Gedenkveranstaltungen in Berlin weiter.

Versammlungsbehörde erteilt Auflagen

Man werde "jede Form der Billigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine konsequent verfolgen", so Spranger. Die Versammlungsbehörde werde erneut Auflagen erteilen: Unter anderem werde bei Autokorsos das Hupen verboten und die Zahl der russischen Flaggen limitiert, "um eine einschüchternde Wirkung zu vermeiden". Auch das Zeigen des Z-Symbols als Ausdruck der Unterstützung für den russischen Angriffskrieg werde untersagt, so Spranger.

In den Vorjahren wurden auch von der russischen Botschaft Kranzniederlegungen zum Jahrestag des Weltkriegsendes organisiert. Ob dies auch dieses Jahr geplant ist, war von der Botschaft am Dienstag nicht zu erfahren.

CDU kritisiert Verzicht auf öffentliches Gedenken - AfD mahnt Recht auf Versammlungsfreiheit an

CDU-Chef Kai Wegner kritisierte gegenüber dem rbb, dass der Senat gänzlich auf ein öffentliches Gedenken am 8. Mai verzichtet. Der Tag habe auch weiterhin eine überragende geschichtliche Bedeutung, so Wegner. "Sinnvoll wäre eine nachdenkliche und würdige Gedenkveranstaltung, die verdeutlicht, dass Frieden und Freiheit alles andere als selbstverständlich sind, sondern immer wieder aufs Neue erkämpft und bewahrt werden müssen."

Am 9. Mai gelte es, ein "besonderes Augenmerk" auf die russischstämmigen Menschen auch in Berlin zu haben. Deren Gedenkveranstaltungen "dürfen nicht als Bühne für Putins Kriegspropaganda missbraucht werden", sagte Wegner. "Mögliche Provokationen müssen konsequent unterbunden werden."

Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Karsten Woldeit, forderte den Senat auf, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu sichern. Das gelte auch für eine Veranstaltung "die nicht unseren idealen folgt". Der Senat müsse dann aber sicherstellen, dass "keine Form der Eskalation möglich ist, so, wie wir es am 1. Mai erlebt haben", so Woldeit. Diese habe Innensenatorin Spranger gegenüber dem Abgeordnetenhaus zugesichert.

Sendung: Inforadio, 03.05.2022, 16:40 Uhr

22 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 22.

    Sie sollten mal die gesamte Geschichte zur Kenntnis nehmen. Spätestens seit 2014 haben deutsche Medien doch ausführtlich berichtet (alles noch auffindbar), welche Kräfte in der Ukraine aggieren. Von Asow, Swoboda Partei und vielen anderen. Jettzt will plötzlich niemand mehr etwas davon wissen, weil dann hätte dieser Krieg keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung und er wäre zuende. Offensichtlich ist das jedoch nicht das Ziel. Statt über Neutralität und Waffenfreiheit zu verhandeln kippen wir Waffen in eine Blackbox, wo niemand wirklich weiß, wer diese am Ende in die Finger bekommt.

  2. 21.

    Machen Sie diese "Rechnung"(Völkermord an den Indigenen im 19.Jh., Panzer in Köln,Leipzig und Korea - Helikopter in Vietnam und auf Grenada, Drohner in Afghanistan/Irak,.. ) auch für die Amerikaner auf?? Das ist die gemischte Volkgruppe weit hinter den Rocky Mountains!!

  3. 20.

    Schade, dass so pauschaliert wurde - es gibt mitnichten "die Russen", denn der größere Teil des russischen Volkes ist friedfertig und nicht dem Dogma des Despoten verfallen. Und "hinterm Ural" "die Russen" zu sehen oder zu wünschen ist auch nicht gerade friedfertig gedacht.
    Putin nebst Vasallen dürfen sehr gerne und nicht erst heute oder morgen in der Versenkung verschwinden und viele weitere Despoten ebenso.
    Diese fürchten den Ausbruch des 1. Weltfriedens - daher sind sie obsolet und dürfen gerne abtreten.
    Und was den 8. Mai betrifft: dieser Tag sollte in dem Umfang begangen werden, wie er es rechtfertigt und nicht in Stille weggeschoben werden. Damit gäbe man denen Recht, die sich um Menschenleben, Menschenwürde und ein friedliches miteinander einen Scheiß kehren.

  4. 19.

    @Dagmar
    Das ging mir wie Ihnen. Die Formulierung "Belefigte Leberwurst" traf/ trifft es haargenau !!! ( und offenbart tiefe Deutschkenntnisse .... ;)
    Ich habe vor Kurzem eine Sendung gesehen, die die Vertraulichkeit mit dem ( bis vor ganz Kurzem massiv umworbenen und völlig stümperhaft falsch eingeschätzten*) Putin und unseren hochrangigen Politikern filmisch und fotografisch belegten. Der geldgierige arrogante ( also n i c h t selbstsichere !!) Herr Schröder natürlich, enorm nah- vertraut mit Putin; aber a u c h Herr S t e i n m e i e r , der Putin herzlichst an einer Extremität berüherte - wie allernächste Brüder !!!!
    Dass man angesichts der himmelschreienden Einkratzerei bei Putin solche Politiker jetzt nicht empfangen möchte, ist für einen Nichtpolitiker s e h r nachvollziehbar ! Als solch ein nicht willkommener Politiker sollte man sich in sein stilles Kämmerlein zurückziehen und nachdenken. - Zuvor allerdings noch die Parteifreunde zurückhalten, nicht ähnlich politisch falsche Dinge wie vor dem Krieg 2022 zu tun.....Ganz stilvoll und klug wäre für unseren Bundespräsidenten, öffentlich zu sagen :" Ich habe Fehler in der Beurteilung von Putin gemacht."
    Die Bevölkerung wäre mehrheitlich beeindruckt.

  5. 18.

    Ja, die Wirtschaft hat einen riesigen Markt gesehen, das hat sich nicht als das Problem erwiesen, sondern die politische Idee "Wandel durch Handel" ist für die EU zur Falle geworden, weil man sich in den wichtiggsten Zweigen der Daseinsvorsorge in große Abhängigkeiten von Russland und China begeben hat, wohlwissend, dass beide Diktaturen eine ungezügelte "Lust" auf eine imperialistische Weltmachtstellung haben, und sich nicht um Völkerrecht, Menschenrechte, Humnität etc.scheren.

  6. 17.

    Falsch abgebogen ist vor allem die Wirtschaft, die nach 89 nur den riesigen neuen Markt gesehen hat. Und die Politik hat sich munter zum Erfüllungsgehilfen degradiert. Der Irrglaube, dort wo Burgerwurger und Cola konsumiert werden, ziehen auch demokratische Werte ein, hat schon den USA in Asien und dem arabischen Raum manch böses Erwachsenen beschert. Nun hat Europa seine Lektion bekommen.

  7. 16.

    Liebe Gemeinde mal ehrlich an welchen Punkt der Geschichte sind wir falsch abgebogen? Ich bin geborener DDR Bürger und ohne sch... ich will mit den Russen einfach nichts zu tun haben. Sollen sie weit hinten im Ural glücklich sein und alles ist prima. Mal in knappen Stichwörtern Russen Panzer in Berlin, Russen Panzer in Prag, Russen Panzer in Ungarn, 200 000 Tote in Groszny , Nord Kaukasus heute die Ukraine, bald Moldawien und natürlich die "alten" Gebiete in Europa im bösen Blick von Wladolf Putin. Wie bereits erwähnt ganz weit hinten im Ural.

  8. 15.

    Wer bitte hat behauptet das alle Russen jetzt Nazis sind? Richtiges Lesen und verstehen ist vorraussetzung.

  9. 14.

    Die deutsche Politik ist peinlich. Gerade in der jetzigen Situation muss man an das Weltkriegsende gedenken. Die damaligen Armeen haben nichts mit den heutigen Konflikten zu tun, außer man konstruiert eine nationale Erbschuld. Allerdings hat Deutschland eine historische Verantwortung, die eigentlich eine strikte Neutralität wie bei der Schweiz oder Österreich notwendig machen würde.

  10. 13.

    Es war nicht nur die Sowjetarmee(und nicht die "heutigen Russen") die Deutschland zur Kapitulation gezwungen hat. Bis zur Elbe waren es auch die westl. Alliierten die Deutschland vom Faschismus befreit hatten. Dies wird anscheinend vergessen und der 8.Mai nur einseitig gewürdigt.

  11. 12.

    Warum heißt es eigentlich seit einigen Jahren "Befreiung", wenn vom Kriegsende und der Kapitulation der Deutschen die Rede ist? Wurden auch die Nationalsozialisten befreit? Gut 40 % der Wahlberechtigten wählten die NSDAP. Noch mehr unterstützten sie.
    Warum verzichten wir auf eine öffentliche Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs? Ich bin immer noch froh darüber, daß er vorbei ist.

  12. 11.

    Es ist peinlich was der Senat macht. Unter den ca. 27 Millionen Sowjetischen Opfern des 2.Weltkrieges waren auch fast ein Drittel (9 Millionen) Ukrainische Opfer derer wir nicht angemessen gedenken. Hat den in der Senatskanzlei niemand mitgedacht, oder hat das Kevin K. Entschieden?

  13. 10.

    Ein "besonderes Augenmerk auf die russischstämmige Menschen" möchte Herr Wegener also haben, aha. Diese Partei kann eben nicht anders. Auf keinen Fall lässt sie sich von Leuten wie Baerbock oder Scholz den Rang ablaufen.

  14. 9.

    Na klar, weil Puten den Krieg begonnen hat, sind jetzt alle Russen Nazis.
    Bitte nicht das Volk und den Politikern vermischen. Die Ukraine, welche von dem Krieg fliehen, sind nicht Melnyk in Person ….

  15. 8.

    Da bin auch dieser Meinung, hinzufügen möchte ich, dass der Stress für den Botschafter kaum auszuhalten ist, und Deutschland bis her wahrlich keine "Bella Figura" abgegeben hat, vor allem verbal.

  16. 6.

    Und was die Ukrainer und wir uns erst von einem anderen Herren bieten lassen müssen entschuldigt für mich den manchmal etwas schroffen Ton des ukrainischen Botschafters. Das nennt man kämpfen für sein Land ohne Waffen!

  17. 5.

    Recht hat er, was wir uns von diesem Herrn bieten lassen müssen geht mal gar nicht!

  18. 4.

    Natürlich wäre die CDU gegen eine Gedenkveranstaltung wenn sie Regierung sie beschlossen hätte. Es ist Wahlkampf in NRW. Und hoffentlich werden die Unterstützerdemos mit Fahnen und "Z" aufgelöst.

  19. 3.

    Mit dieser geschmacklosen Aussage haben Sie die Erwartungen mal wieder erfüllt.

    Glückwunsch, Jens!

Nächster Artikel