Letzte Fahrt für Berlkönig - So soll der neue BVG-Rufbus den Berliner Osten erschließen

Mi 20.07.22 | 06:27 Uhr | Von Tobias Schmutzler
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Ein Van vom Fahrservice der BVG Berlkönig (Quelle: DPA/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.07.2022 | Tobias Schmutzler | Bild: DPA/Jens Kalaene

Das Projekt Berlkönig endet in Berlin, aber ein neuer BVG-Rufbus ist schon geplant. Er soll den Osten der Stadt besser anbinden. Allerdings wird er mit weniger Fahrzeugen loslegen, als bisher angekündigt – was auf Kritik stößt. Von Tobias Schmutzler

"Rufbus 2.0": Das ist der Arbeitstitel für den Nachfolger des Berlkönigs. Der Shuttle-Service, den die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zusammen mit der Firma Viavan betrieben haben, wird am Mittwoch nach gut vier Jahren planmäßig eingestellt. Das Nachfolgeprojekt ist zwar schon lange geplant, aber zeitlich im Verzug: Ursprünglich war der Start für den 1. Mai 2022 angedacht. Inzwischen geben die BVG und die Senatsverwaltung für Verkehr kein exaktes Datum mehr an, sondern sprechen lediglich von ersten Fahrten im kommenden Herbst.

Auch das genaue Betriebsgebiet steht noch nicht fest. Klar ist bislang nur: 62 Quadratkilometer werden die neuen Rufbusse abdecken, in einem Gebiet östlich der Ringbahn in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick – und das rund um die Uhr. Sicher ist inzwischen auch die Zahl der Fahrzeuge, die zum Start im Einsatz sein werden: zehn Kleinbusse für jeweils fünf bis sieben Fahrgäste.

Geplantes Betriebsgebiet des neuen Rufbusses (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

CDU-Abgeordnete kritisiert Start "mit angezogener Handbremse"

Diese Zahl überrascht, denn sie liegt deutlich unter dem, was früher angekündigt worden war. Noch im Juni 2021 planten die BVG und die Senatsverwaltung für Verkehr mit 23 Fahrzeugen in den ersten zwölf Monaten des neuen Projekts. Später sollte die Flotte auf 26 Kleinbusse wachsen. Aus Sicht der CDU-Abgeordneten Katharina Günther-Wünsch, die für Mahlsdorf und Kaulsdorf direkt gewählt wurde, ist die neue Startzahl eine Enttäuschung: "Jetzt mit den Fahrzeugen wieder runterzugehen, ist das Signal, dass das Projekt hier auf Sparflamme gefahren wird, obwohl sich viele wirklich schon lange drauf freuen. Man hat das Gefühl, es wird mit angezogener Handbremse gestartet."

Dem widersprechen BVG und die Senatsverwaltung für Verkehr. Mit den zehn Fahrzeugen zu Beginn könne "die BVG die prognostizierte Nachfrage mit hoher Servicequalität bedienen", so die Verkehrsbetriebe auf Nachfrage des rbb. Bei höherem Bedarf werde "die Flotte entsprechend angepasst". Die Kleinbusse, das Fahrpersonal und die Smartphone-App stellt wieder die Firma Via, wie schon beim Berlkönig. Das Unternehmen hat auch die neue Ausschreibung gewonnen, die neben dem Rufbus den Betrieb eines zusätzlichen barrierefreien Beförderungsangebots für Menschen mit Behinderung umfasst.

Taxi-Innung kritisiert alte Probleme beim neuen Modell

Wie der Berlkönig wird auch der neue Rufbus nach dem Prinzip des sogenannten "ride-sharing" funktionieren. Das bedeutet, dass ein Shuttle mehrere Fahrgäste transportiert, die eine ähnliche Route zu ihrem Ziel fahren können. Die Bündelung der Strecken plant ein Algorithmus. Sowohl Fahrten zwischen zwei Bahnhöfen oder BVG-Haltestellen als auch von und zu frei wählbaren Wunschorten werden möglich sein.

Genau das ärgert Leszek Nadolski. Er ist Vorsitzender der Berliner Taxiinnung. Aus seiner Sicht ist der neue Rufbus, wie zuvor schon der Berlkönig, eine unfaire Konkurrenz für das Taxigewerbe. "Es ist ein alter Wein in neuen Schläuchen, es hat sich nichts geändert. Statt 'Berlkönig' werden die Busse jetzt mit 'Rufbus' beklebt." Die Finanzierung eines "taxiähnlichen Verkehrs" mit öffentlichen Mitteln findet Nadolski nicht in Ordnung, da dies den Taxis Fahrgäste streitig mache, auf die sie dringend angewiesen seien – angesichts des ohnehin hohen Konkurrenzdrucks durch andere Fahrdienste wie Uber.

Neue Rufbusse kosten 13 Millionen Euro in diesem und nächstem Jahr

"Wir Taxis finanzieren uns ausschließlich aus den Fahrgasteinnahmen – und hier wird aus der öffentlichen Hand ein Luxus finanziert", findet der Chef der Taxiinnung. Diese Kritik weist der Grünen-Abgeordnete Alexander Kaas Elias zurück. Seine Fraktion hat das neue Rufbusprojekt in den Haushaltsverhandlungen besonders vorangetrieben. "Das Taxigewerbe hätte sich ebenso an der Ausschreibung beteiligen können", argumentiert Kaas Elias. "Wir haben uns nicht auf die Ausschreibung beworben, weil uns die technischen Voraussetzungen – etwa für den Betrieb der Smartphone-App – gefehlt haben", sagt Leszek Nadolski von der Taxiinnung dazu.

Zudem stehe der neue Rufbus nicht in direkter Konkurrenz zu den Taxis, meint der Grünen-Abgeordnete Kaas Elias. Vielmehr sei er ein zusätzliches, sinnvolles Angebot, um den öffentlichen Nahverkehr dort zu ergänzen, wo er bisher nicht gut ausgebaut ist. "Der Rufbus wird die Mobilität in den Außenbezirken verbessern – gerade in Bereichen, wo der Bus nicht alle fünf Minuten kommt", so Kaas Elias. Insgesamt 13 Millionen Euro hat die rot-grün-rote Koalition für dieses und das kommende Jahr für die neuen Beförderungsdienste im Landeshaushalt bereitgestellt.

Ticket für Tarifbereich B nötig – extra Zuschläge für Wunschorte

Die finalen Preise für den neuen Rufbus stehen noch nicht endgültig fest. Sicher ist bisher nur, dass alle Fahrgäste grundsätzlich ein Ticket für den Tarifbereich B brauchen. Je nach Art der Fahrt müssen sie noch Zuschläge zahlen. Frühere Planungen sahen vor, dass bei Fahrten zwischen einer Haltestelle und von oder zu einem Wunschort der erste Fahrgast 1,50 Euro und jeder weitere Fahrgast 50 Cent zahlen soll. Für Direktfahrten zwischen zwei Wunschorten waren in der Vergangenheit für den ersten Fahrgast 1,50 Euro pro Kilometer und für jeden weiteren Mitfahrenden 50 Cent pro Kilometer angedacht. Ob das aber wirklich so kommt, ist bisher nicht bestätigt.

Klar ist dagegen laut der Senatsverwaltung für Verkehr: Fahrten werden digital über eine App und telefonisch über ein Callcenter buchbar sein. Für Fahrgäste, die nicht per Kreditkarte oder PayPal bezahlen wollen oder können, werde es die Möglichkeit geben, mit Bargeld eine BVG-Guthabenkarte zu kaufen und die Rufbus-Fahrten damit zu bezahlen.

FDP will auch Umlandgemeinden einbeziehen, SPD spricht von "Krücke"

Grundsätzlich sei das ganze System eine gute Idee, findet der FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider. Er ist verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Für ihn steht und fällt das Projekt mit einer Frage: "Wie schnell wird das Angebot hochgefahren, wenn die Nachfrage hoch ist? Daran werden wir den Senat messen.“

Aus Sicht des Liberalen hätte der neue Rufbus auch von Vornherein größer gedacht werden sollen. "Besser wäre gewesen, auch die ersten Umlandgemeinden einzubeziehen", findet Reifschneider. "Für die Menschen spielt die Landesgrenze im Alltag keine Rolle – und das muss auch in der Mobilitätspolitik so sein."

Aber bevor solche Ausweitungspläne real werden können, muss der neue Rufbus erstmal ganz Berlin erreichen. Das soll nach aktuellen Planungen erst Anfang übernächsten Jahres passieren. "Warum die Ausweitung erst 2024 passieren soll, verstehe ich nicht so richtig – wir hatten ja die Erfahrung mit dem Berlkönig", kritisiert der SPD-Abgeordnete Stephan Machulik. "Als Spandauer sehe ich, dass man vor allem abends und nachts nicht gut weiß, wie man vom Bahnhof nach Hause kommt", sagt der verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion. Der neue Rufbus sollte da aus seiner Sicht lieber früher als später helfen.

Langfristig setzt Machulik aber in erster Linie auf den Ausbau des klassischen Nahverkehrs mit Bus, Straßenbahn und U-Bahn. Der neue Rufbus ist für ihn nur eine Übergangslösung. "Wir wollen die Menschen schneller dazu bringen, dass sie ihren eigenen Pkw zu Hause lassen – und möglicherweise dann auch merken, dass sie ihn gar nicht mehr brauchen. Dafür haben wir jetzt diese Krücke mit diesem Rufbus." Das Projekt soll bis Ende 2025 laufen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2022, 09:40 Uhr

Beitrag von Tobias Schmutzler

18 Kommentare

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  1. 18.

    "Wie schön, dass Sie immer und zu jedem Thema alles besser wissen, fast alles" Sie haben eine Ungenauigkeit drin. Statt der absoluten Aussage ist der Konjunktiv zu wählen.
    Und dann fehlt noch etwas : GOOGLE
    Sollte sein Zugriff mal gestört sein ist Ende Gelände.
    Aber bewundernswert ist seine Ausdauer. Könnten sie sich das vorstellen hier 20 Stunden am Tag zu schreiben, sogar nachts? Heidekind hatte es mal so formuliert (sinngemäß) " ein verbittert alter Mann ohne Familie und ohne jeden Lebensinhalt".

  2. 17.

    Wenn das Fahrgastaufkommen nichtmals für einen Kleinbus auf Sprinter-Basis ausreicht, ist die Idee mit dem Großraumtaxies doch gar nicht verkehrt - wenn die barrierefrei sind. Nur gestaltete sich das ja anfangs bei den ähnlichen Fahrzeugen des BerlKönigs nicht ganz so einfach. Der Kostenblock "Personal" bleibt allerdings bestehen.

  3. 16.

    Aber abgesehen von dieser Thematik verstehe ich nicht warum Großraumtaxen abends ab 21 Uhr anstelle Busse eingesetzt werden ?
    Wie gesagt bis zur einer bestimmten Zeit und der Senat sollte da mal überlegen ob sich nicht eine Zusammenarbeit BVG und Taxen lohnt es gibt immer Möglichkeiten wenn man will im verbessern des Nahverkehrs.
    Ich will kein Auto um angeblich von A nach B zu fahren und dann sehen zu müssen wo ich parke etc die anderen Probleme die sich daraus ergeben.

  4. 15.

    Da habe ich bzw. meine Frau eher umgekehrt andere Erfahrungen wie versuchte Anmache meiner Frau das hat Sie mir von Taxifahrern noch nicht berichtet.
    Und die Unfälle mit Uberfahrern sind erheblich höher was Statistiken und Zeitungsberichte ganz klar Aussagen.
    Ich fahre als Nichtautofahrer häufig und gerne mit Taxe bestellen über Berlintaxi.eu und dort scrolle ich auf greentaxi also umweltfreundlich was mir wichtig ist

  5. 14.

    Also ich hatte auch schon Freenow genutzt ist übrigens nur Nachfolger von Mytaxi und es kommt gewöhnlich meist ein Taxi den Unterschied zu einer Funkzentrale und deren App ist aber auch die Möglichkeit das wenn etwas nicht stimmte wirklich einen Ansprechpartner zu haben.
    Was ist als Vorteil ansehe bei Freenow ist nicht wirklich jemand als Ansprechpartner zu finden

  6. 12.

    Also ich nutze freenow und kann mich hier nicht über eine schlechte Versorgung beschweren. Die Fahrzeuge sind in aller Regel in unter 10 min. überall vor Ort, um mich einzusammeln.

  7. 11.

    Hoffentlich bekommen die vielen tollen Fahrer sinnvolle neue Jobs. Keine einzige schlechte Erfahrung bei ca. 30 BerlKönig-Fahrten in all der Zeit. Kein Vergleich zu den Uber-Vollpfosten und so manchem Laber-Taxifahrer.

  8. 10.

    "Wirklich autonome Kleinbusse" habe ich bewusst geschrieben, weil die Busse in Tegel selbst für den Senat nur als hochautomatisiert gelten und zudem auf Grund der geringen Höchstgeschwindigkeit sogar ein Hindernis für Radfahrer darstellen.

  9. 9.

    Weil größere Gefährte nun einmal nicht um jede Ecke kommen, ist die Angelegenheit mit den Rufbussen in weit ausladenden Wohngebieten schon eine sinnvolle Angelegenheit - mindestens für Menschen, die nicht mehr so gut laufen können. Ein Ersatz für irgendetwas anderes können und sollten sie nicht sein.

  10. 8.

    Wie schön, dass Sie immer und zu jedem Thema alles besser wissen, fast alles: ". In München drehen wirklich autonome Kleinbusse ihre ersten Runden mit Sicherheitsfahrer, aber noch ohne Fahrgäste." die fahren in Berlin, und zwar in Tegel, bereits seit mehreren Jahren, MIT Fahrgästen. Momentan sind sie nicht im Betrieb.

  11. 7.

    Und man sollte nicht vergessen ein gesicherter Tarif 24 Stunden dergleiche und nicht wie bei Uber wenn Messen oder dergleichen sind das Sie dann teurer sind als noch ein Tag zuvor oder sogar nur eine Stunde früher.
    Das sollte man bedenken deshalb haben Taxen sehr wohl maßgeblich Anteil einer sicheren kostengünstige Alternative zu den bestehenden ÖPNV aber Berlin sollte Taxen und BVG endlich Vereinen.

  12. 6.

    Ich möchte auch mal den Senat der ja auch Taxen nutzt fragen?
    Warum unterstützt Ihr nicht den Taxen mit Hilfspaketen um zb. Die App mit der von der BVG besser für sharingdienste zu nutzen und Kartenbesitzer gleichzeitig ein besseres kostengerechtes Angebot anzubieten.
    Das wäre bestimmt auch im Sinne von Herrn Leszek und den angeschlossenen Taxen .
    Sie sind Tag und Nacht 365 Tage erreichbar was gut ist und im Gegensatz zu Uber auch überprüft und Sicher.

  13. 5.

    Was ist mit dem Berliner Westen? Nachtbus nach Albrechtshof? Fehlanzeige! Die Verbindungen in und nach Spandau West sind eine Katastrophe!

  14. 4.

    Also ich nutze ECOTAXI wenn ich eines brauche.
    Das sind moderne umweltfreundliche Taxen , ich denke das ist fair und meist schnell verfügbar.
    Also Ihre Begründung kann ich so nicht nachvollziehen?

  15. 3.

    Anscheinend passt das Mobilitätskonzept nicht zu Berlin, der Mitbewerber MOIA hatte sich bereits vor Jahren aus Berlin erabschiedet. UBER und Co. Sind in Berlin hingegen auf dem Vormarsch, wenn diese durch die Taxilobby nicht weiter ausgebremst werden.

  16. 2.

    Mir ist schon klar, dass der Taxiverband für die Interessen seiner Mitglieder kämpft, aber wenn wir mal ehrlich sind, ist die Taxibranche eine vollkommen kaputte Branche, in der nach aktuellen Untersuchungen rund 80 Prozent der Unternehmen in irgendeiner Weise nicht regelkonform arbeiten. Von einer vernünftigen sozialen Absicherung ganz zu schweigen. Meiner Meinung nach müsste der Taxiverkehr in Berlin vollkommen anders organisiert werden, weg von den Soloselbständigen, am besten unter dem Dach der BVG, mit gut ausgebildetem fest angestelltem Fahrpersonal, einer Flotte auf aktuellem Stand der Fahrzeugtechnik und Tarifen, die eine sinnvolle Ergänzung zum restlichen ÖPNV-Angebot darstellen. Jedes dieser Fahrzeuge kann dann bei Bedarf auch Teil des Rufbus-Systems sein und dynamisch disponiert werden.

  17. 1.

    Der Via-Berlkönig war nur ein Konkurrenzangebt zu ähnlichen Diensten und beschränkte sich vor allem auf Teile der östlichen Berliner Innenstadt, wo der "normale" ÖPNV ja ach so schlecht ist. Als die hier neue Diesel angeschafft haben, waren andere wie CleverShuttle oder Moia in HH elektrisch unterwegs. Um den BerlKönig BC ist es auch wg. Corona still geworden.

    Während hier das "innovative" Rufbuskonzept verschoben wird, gab es erste Pilotprojekte Ende der 70er bereits in Niedersachsen. Eine Renaissance haben On-Demand-Dienste schon vor Jahren in anderen Bundesländern unter Namen wie Anrufsammeltaxi erlebt und ergänzen dort in der Fläche insbesondere zu nachfrageschwachen Zeiten den ÖPNV. Andernorts ist man schon etwas weiter: In den USA und Südkorea sind Taxies vollautonom unterwegs. Der Gesetzgeber hat auch hierzulande dafür den rechtlichen Rahmen geschaffen. In München drehen wirklich autonome Kleinbusse ihre ersten Runden mit Sicherheitsfahrer, aber noch ohne Fahrgäste.

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