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Quelle: dpa/Andreas Altwein

Hausangestellte bei Diplomaten in Berlin

"Ich weiß nicht, ob ich mein Geld jemals bekommen werde"

Diplomaten sind vor Strafverfolgung geschützt - selbst dann, wenn sie ihre Angestellten angreifen oder jahrelang ausbeuten. Das Beispiel einer Hausangestellten aus den Philippinen, die in Berlin gearbeitet hat, zeigt die Hilflosigkeit der Betroffenen. Von Roberto Jurkschat

Die Berliner Beratungsstelle gegen Menschenhandel Ban Ying hat einen weiteren Fall von Ausbeutung in einem Diplomatenhaushalt in der Hauptstadt öffentlich gemacht.

Die philippinische Hausangestellte Maria Santos* hat demnach acht Jahre lang bei einer Diplomatenfamilie gearbeitet, ohne den vereinbarten Lohn zu bekommen. Fünf Jahre lang habe sie sich im Sultanat Oman von morgens bis abends bei der Familie um Essen, Wäsche und um die Kinderbetreuung gekümmert. Anschließend sei sie mit der Familie für drei Jahre nach Berlin gezogen.

950 statt 1.600 Euro

In einem Gespräch mit Pressevertretern am Dienstag berichtet die 45-Jährige mit leiser Stimme von ihrem Schicksal in der Hauptstadt, zwischendurch kommen ihr dabei die Tränen. Ihr Arbeitstag habe ungefähr 15 Stunden gedauert, freie Tage habe sie kaum gehabt. Der Diplomat habe ihr dabei nicht den vereinbarten Lohn ausgezahlt, statt der vereinbarten 1.600 Euro habe sie nur 950 Euro erhalten - vorher seien es statt vereinbarter 950 Euro nur 600 Euro gewesen.

Einschließlich Überstunden schulde ihr der Arbeitgeber damit rund 80.000 Euro, wie die Berliner Organisation Ban Ying errechnet hat. Ein WhatsApp-Chat mit einer Auseinandersetzung zwischen der Betroffenen und ihrem Arbeitgeber sei auch dem Auswärtigen Amt weitergeleitet worden, erklärt Lea Rakovsky, Projektkoordinatorin bei Ban Ying.

Das Auswärtige Amt bemüht sich in solchen Fällen in der Regel zunächst um eine einvernehmliche Klärung mit der entsprechenden Botschaft. Bislang seien aber alle Versuche, mit der Botschaft von Oman eine Einigung zu erzielen erfolglos geblieben, so Rakovsky.

Ban Ying: Botschaft von Oman verweigert Kooperation

"Der frühere Arbeitgeber streitet alle Vorwürfe ab", erklärte die Projektkoordinatorin. Laut Ban Ying platzten beide avisierten Termine für Mediationsgespräche. Zunächst habe der Diplomat einen Vertreter schicken wollen, was das Auswärtige Amt abgelehnt habe. Zum zweiten Termin habe sich der Botschaftsangehörige krankgemeldet.

Durch die Veröffentlichung des Falles erhoffe man sich doch noch eine einverständliche Lösung, sagte Rakovsky. Denn arbeitsrechtlich hat die Hausangestellte in Deutschland durch den besonderen Schutz, unter dem Diplomaten stehen, kaum eine Chance. Immunität schützt Botschaftsangehörige in der ganzen Welt vor zivil- und strafrechtlicher Verfolgung.

"Die Immunität entsandter Mitglieder diplomatischer und berufskonsularischer Vertretungen erschwert es den Hausangestellten, Lohnnachzahlungen auf gerichtlichem Weg in Deutschland einzufordern", hieß es aus dem Auswärtigen Amt auf rbb-Anfrage. Die Behörde sehe es als ihre Aufgabe an, die Betroffenen in solchen Fällen zu unterstützen.

Keine "Persona non Grata"

Auch wenn die juristischen Möglichkeiten begrenzt sind, kann das Auswärtige Amt bei schwerwiegenden Vorwürfen gegen einzelne Diplomaten, die Botschaftsmitarbeiter zur "Persona non grata" erklären. In der Regel müssen die betroffenen Personen die Bundesrepublik innerhalb von 48 Stunden verlassen.

Wie häufig das in den vergangenen Jahren geschehen ist, dazu machte das Auswärtige Amt auf Anfrage von rbb|24 bislang keine Angaben. Über Notifikationen zur "Persona non Grata" werde keine Statistik geführt, hieß es.

Nach Aussage von Lea Rakovsky hat das Auswärtige Amt allerdings in den vergangenen 20 Jahren in keinem Fall wegen der Ausbeutung von Hausangestellten von diesem Instrument Gebrauch gemacht. Wie Ban-Ying-Rechtsanwältin Annett Haberland erklärte, sei dies zwar theoretisch möglich, allerdings seien Notifikationen zur "Persona non Grata" bisher ergangen, wenn Verdacht auf Terrorismus oder Spionage bestanden habe.

Immer wieder Verstöße gegen das Arbeitsrecht

In den Residenzen von Diplomaten in Berlin kommt es offenbar immer wieder zu Verstößen gegen das Arbeitsrecht und Straftaten gegen Hausangestellte.

Nach Angaben der Berliner Hilfsorganisation Ban Ying wenden sich pro Jahr durchschnittlich zehn bis 15 Betroffene an die Beratungsstelle, um Schutz zu suchen oder um Lohn für ihre Arbeit einzufordern. "Die Betroffenen, die es schaffen zu fliehen, berichteten meistens, dass sie ausgebeutet wurden und deutlich weniger Lohn bekommen haben als vertraglich vereinbart", sagt Projektkoordinatorin Lea Rakovsky. Häufig verstießen Diplomaten aber auch mit Arbeitszeiten von bis zu 20 Stunden pro Tag gegen das Arbeitsrecht. Allerdings habe sich die Zahl der Beratungen seit Pandemiebeginn deutlich reduziert, derzeit berät Ban Ying vier Hausangestellte von Diplomaten.

Knapp 120 Hausangestellte in Berlin gemeldet

Knapp 120 Hausangestellte seien aktuell beim Auswärtigen Amt gemeldet. Diese Zahl unterliege aber Schwankungen. Etwa ein Drittel der Beschäftigten komme von den Philippinen. Bei den Hausangestellten ist der Aufenthaltsstatus an das Arbeitsverhältnis geknüpft. Diplomaten können laut Ban Ying Hilfen für ihren privaten Haushalt aus aller Welt einreisen lassen. Das Auswärtige Amt stelle ihnen - wie international üblich - Protokollausweise aus.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurde die Anmeldepraxis für private Hausangestellte 2012 verschärft. Das Ministerium sehe es als seine Aufgabe an, Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte durch Vermittlung zwischen Arbeitgeber und privater Hausangestellter zu unterstützen, hieß es. Der beste Schutz sei, bereits im Vorfeld Rechtsverstöße zu verhindern. Unter anderem müssten sich Arbeitgeber schriftlich verpflichten, dem oder der Hausangestellten ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen, um die Privatsphäre zu schützen.

Im November 2021 hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Verweis darauf die Klage gegen einen Diplomaten, der wegen "ausbeuterischer Beschäftigung" einer Hausangestellten in Anspruch genommen werden sollte, als unzulässig abgewiesen. Diplomaten könnten während der Dauer der Immunität "auch bei - tatsächlich oder angeblich - schweren Rechtsverletzungen nicht gerichtlich in Anspruch genommen werden", hieß es. Die Richterinnen und Richter ließen allerdings die Revision der Klägerin an das Bundesarbeitsgericht zu.

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Beitrag von Roberto Jurkschat

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