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Video: rbb24 | 15.06.2023 | Material: Brandenburg aktuell | Quelle: dpa/georg A

Mögliche Rüstungsansiedelung

Landesregierung will Kampfjet-Teile-Produktion nach Brandenburg holen

Rheinmetall sucht nach einem Standort für eine Zulieferfabrik für F-35-Kampfjets. In der engeren Auswahl soll nach Informationen von rbb und MDR auch Brandenburg sein. Bis zu 500 neue Arbeitsplätze könnten entstehen. Von Fabian Grieger (rbb24 Recherche) und Edgar Lopez (MDR Recherche)  

Die brandenburgische Landesregierung könnte bei ihren Bemühungen um die Ansiedlung einer Fabrik des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall erfolgreich sein. Das geht aus Informationen, die den Redaktionen rbb24-Recherche und MDR Recherche vorliegen, hervor. Rheinmetall ist derzeit auf der Suche nach einem neuen Produktionsstandort, an dem Zulieferteile für F-35-Kampfjets produziert werden sollen. Bisher galten das Rheinmetallstammland Nordrhein-Westfalen sowie Niedersachsen und Bremen als aussichtsreiche Kandidaten für die Ansiedlung. Doch Brandenburg scheint im Stillen durchaus erfolgreich lobbyiert zu haben.

Details noch nicht bekannt

Das Brandenburgische Wirtschaftsministerium wollte sich auf rbb-Anfrage nicht zu der möglichen Standortwahl äußern. Der US-amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin verweist darauf, dass der deutsche Konzern Rheinmetall für die Standortsuche zuständig sei. Rheinmetall erklärte auf Anfrage, dass noch "letzte Gespräche mit Entscheidungsträgern zu führen sind." Zu Details wolle man sich aber noch nicht äußern.

Personen, die mit dem Vorgang betraut sind, bestätigten dem rbb und dem MDR, dass die finale Entscheidung für einen Standort kurz bevorstehe. Es müssen noch organisatorische und politische Absprachen getroffen werden.

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Bereits im Februar dieses Jahres gab Rheinmetall bekannt, einen Kooperationsvertrag mit den US-amerikanischen Rüstungsfirmen Lockheed Martin und Northrop Grumman geschlossen zu haben. Im Rahmen des Ankaufs von 35 Tarnkappenjets des Modells F-35A für die Bundeswehr hatten die US-Amerikaner zugesagt, auch in deutsche Produktionsstandorte zu investieren. Solche Beteiligungen, bei denen auch die Industrie des Käuferlandes profitieren soll, sind eine gängige Praxis bei großen Rüstungsgeschäften. Konkret baut Rheinmetall künftig Teile des Mittelrumpfes des F-35-Jets.

Gut 400 Rumpfteile jährlich geplant

Eine mögliche Entscheidung für Brandenburg würde ihn nicht überraschen, sagt Klaus-Heiner Röhl, Experte für Rüstungs- und Verteidigungspolitik des Instituts der Deutschen Wirtschaft gegenüber dem rbb. "Die Hauptfaktoren für die Standortwahl sind die Verfügbarkeit von Flächen und Fachkräften", erklärt Röhl.

Diese Gründe waren auch ausschlaggebend für die Entscheidung von Tesla, nach Brandenburg zu gehen. Doch seit dem Tesla-Boom und der Ansiedlung diverser Zulieferer aus der Elektromobilität werden auch in Brandenburg die verfügbaren Industrieflächen langsam knapp. Eine Ansiedlung in der Größe von Tesla hätte aktuell keinen Platz mehr.

Die geplante Rheinmetall-Fabrik, die bislang für ein Volumen von 400 Rumpfmittelteilen ausgelegt ist, hat kleinere Dimensionen. "Die hier benötigten Fachkräfte können bei einer Ansiedlung in Brandenburg eben auch aus Berlin kommen. Dort ist das Potenzial groß", so Röhl.

Es gibt bisher in Brandenburg noch keine Rüstungsproduktion. Das müsse aber kein Hindernis sein, sagt Röhl. Genauso wenig wie die große Distanz zur F-35-Fabrik in Italien, wo die Flugzeugteile für den europäischen Markt zusammengesetzt werden: "Zulieferteile können auch aus der ganzen Welt angeliefert werden."

100-Millionen-Euro Investition

Mit der neuen Rumpfmittelteile-Fabrik sollen laut Angaben von Rheinmetall bei einer Investitionssumme von 100 Millionen Euro 500 neue Arbeitsplätze entstehen. Welchen Standort in Brandenburg die Landesregierung angeboten hat, ist bislang nicht bekannt. Die neue Fabrik wäre ein weiterer Baustein in der offensiven Industrieansiedlungspolitik.

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Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Linken, kritisiert diesen Kurs der Landesregierung mit Hinblick auf die mögliche Ansiedlung der Rheinmetall-Fabrik: "Am Ende ist es ein Konzern, der davon lebt, dass Waffen produziert werden und mit diesen Waffen Menschen umgebracht werden. Und das kann nicht das Ziel der Brandenburger Wirtschaftsstrategie sein. Wir konnten uns in den letzten Jahrzehnten sehr gut ohne große Rüstungskonzerne entwickeln."

Walter verweist auch auf die brandenburgische Landesverfassung. Dort steht: Brandenburg ist ein dem Frieden verpflichtetes Land. Eine Rüstungsproduktion gab es bislang nicht.

Diskussion über Rheinmetall-Ansiedlung absehbar

Die F-35-Teilefabrik wäre sowohl für Brandenburg als auch für Rheinmetall ein Novum. Bisher war der Rüstungskonzern im Bereich des Flugzeugbaus noch nicht vertreten. Der Düsseldorfer Konzern expandiert; die Akquise neuer Aufträge läuft auf Hochtouren und katapultierte das Unternehmen bis in den deutschen Leitindex DAX. Grund dafür ist der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Richtungswechsel in der westlichen Rüstungspolitik.

Die Schaffung neuer Standorte ist nicht unumstritten. Das bekommt Rheinmetall derzeit im sächsischen Großenhain zu spüren, wo die Ankündigung des Baus eines Pulverwerks für die Munitionsproduktion zu Protesten in der lokalen Bevölkerung führte. Zuletzt hatte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer angekündigt, die Fabrik nur nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid in Großenhain zu bauen. Der Rüstungskonzern zeigte sich über diese Aussagen wenig begeistert.

Rüstungsexperte Röhl kennt solche Konflikte: "Natürlich kann eine neue Rüstungsfabrik zu Ängsten führen; gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. In Deutschland wurden jahrzehntelang eher Rüstungskapazitäten zurückgefahren und nicht neu aufgebaut." Deshalb sei es laut Röhl allerdings "wichtig zu erklären, dass ein Angriff auf ein Nato-Land gerade durch unsere Verteidigungsfähigkeit unwahrscheinlich ist." Linken-Fraktionschef Walter wiederum kündigt an, gegen eine mögliche Ansiedlung Widerstand zu organisieren.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Fabian Grieger (rbb24 Recherche) und Edgar Lopez (MDR Recherche)

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