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Audio: rbb24 Inforadio | 20.10.2023 | Y. El-Ali und A. Ulrich | Quelle: imago images/Geisler

Ausschreitungen in Neukölln

Zentralrat der Palästinenser verurteilt Gewalt und kritisiert pauschales Demo-Verbot

Das Verbot von mehreren pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin stößt beim Zentralrat der Palästinenser auf Kritik. Gewalt dürfe zwar nicht sein, doch friedlichem Protest würde so auch die Chance genommen. Die Innensenatorin sieht das anders.

Der Zentralrat der Palästinenser in Deutschland hat die Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Kundgebungen in Berlin-Neukölln verurteilt. Zentralratsmitglied Youssef El-Ali sagte am Freitag im rbb24 Inforadio, seine Organisation rufe immer zum friedlichen Protest auf.

Zentralrat: Tausenden wird Demonstrationsrecht genommen

Für ein generelles Verbot solcher Kundgebungen zeigte El-Ali kein Verständnis. Es sei bedenklich, wegen einiger weniger Verstöße vielen tausend Menschen das Demonstrationsrecht zu nehmen. Vereinzelte antisemitische Parolen bei Versammlungen in dieser Größenordnung könne man nie ganz ausschließen. Dann sei es Aufgabe von Veranstaltern und Polizei entsprechend einzugreifen, so El-Ali. Es gebe klare Gesetze, wie mit einzelnen Straftätern umzugehen sei.

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel kommt es in Berlin immer wieder zu pro-palästinensischen Protesten. Die Polizei hatte seitdem Verbote für bestimmte Demonstrationen ausgesprochen. Zuletzt wurden zwei Versammlungen am Mittwoch und Donnerstag inklusive derer Ersatzveranstaltungen bis zum 27. Oktober utersagt. Zur Begründung hieß es, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass "die unmittelbare Gefahr" bestehe, dass es zu "volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen", Gewaltverherrlichungen und Gewalttaten komme.

Pro-palästinensische Gewalt

Berliner Polizei fordert bei Bund und Ländern Unterstützung an

Verletzte Beamte, anhaltende Gewalt in Neukölln: Die Berliner Polizeipräsidentin sieht die Einsatzkräfte am Limit. Aus diesem Grund werden nun Polizisten aus anderen Ländern und vom Bund angefordert.

Spranger: Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Berlin garantiert

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat in diesem Zusammenhang betont, dass in der Hauptstadt Versammlungs- und Meinungsfreiheit besteht. So sei es erlaubt, auf Demonstrationen Palästinenserfahnen und -tücher zu zeigen. "Wir verbieten keine Fahnen und verbieten auch nicht das Tuch. [...] Wir haben das Versammlungs- und Meinungsfreiheitsrecht in Berlin, [...] aber wer antisemitische Ausrufe abgibt, da wird der Rechtsstaat und die Polizei konsequent dagegen vorgehen", sagte die SPD-Politikerin am Freitag im rbb24 Inforadio.

Spranger sagte weiter, dass auch friedliches Miteinander wie Mahnwachen selbstverständlich zugelassen würden. Gegen Antisemitismus, Bedrohungen und Gewalttaten werde die Polizei aber konsequent vorgehen.

Zum Aufruf der islamistischen Hamas zu weltweiten Protesten am Wochenende und den Folgen für Berlin sagte Spranger: "Wir schätzen ja die Lage jeden Tag ein und wenn wir Amtshilfe brauchen, dann bekommen wir die selbstverständlich auch am Wochenende." Am Donnerstag teilte die Polizei mit, dass wegen der angespannten Lage bereits Unterstützung aus anderen Bundesländern sowie vom Bund angefordert wurde.

Neuköllns Bürgermeister Hikel rechnet mit weiteren Ausschreitungen

Unterdessen rechnet Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) mit weiteren Ausschreitungen im Bezirk und spricht sich gleichzeitig für stärkere Gegensignale aus der Bevölkerung aus. "Ich mache mir große Sorgen. Wenn sich der Konflikt in Nahost weiter verschärft, zum Beispiel durch eine israelische Bodenoffensive, sehe ich schon die Gefahr, dass Leute das hier ausnutzen und den Hass weiter auf die Straße tragen", sagte Hikel der Deutschen Presse-Agentur.

Pro-palästinensische Gewalt in Neukölln

Berliner Polizei meldet knapp 200 Festnahmen und 65 verletzte Kollegen

Am Tag nach den schweren Krawallen von Pro-Palästinensern in Berlin-Neukölln zieht die Polizei Bilanz. So wurden zahlreiche Personen vorübergehend festgenommen, darunter auch einige Minderjährige. Und es gab Dutzende Verletzte.

"Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die bei allen möglichen Anlässen auf der Welt schnell auf die Straße gehen, auch jetzt auf die Straße gehen und ein deutliches Zeichen gegen die Gewalt auf der Sonnenallee und die Hetze in dieser Stadt setzen." Am Ende gehe es auch darum, hinter den Jüdinnen und Juden in der Stadt zu stehen.

Mit Blick auf Demonstrationsverbote sagte er: "Die Demonstrationen, die sich zunächst pro-palästinensisch ausgegeben haben, sind in der Regel in Hetze gegen Israel ausgeartet." Es sei auch ein Stück weit scheinheilig zu sagen, da werde Palästinensern das Demonstrationsrecht genommen. "Richtig wäre zu sagen: Es wurde ihnen das Recht genommen, hetzerisch unterwegs zu sein."

Heftige Ausschreitungen am Mittwoch und Donnerstag

In den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag hatten sich in Berlin-Neukölln hunderte Menschen versammelt. Mülltonnen, Reifen und Autos wurden in Brand gesetzt, Polizeikräfte mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen beworfen. Die Polizei meldete allein nach der Nacht auf Donnerstag fast 200 Platzverweise und vorläufige Festnahmen. 65 Polizisten wurden verletzt.

In der Nacht zu Freitag ist es nach den zwei Krawallnächten in Folge ruhig geblieben. Wie ein Sprecher des Berliner Lagezentrums dem rbb am Freitagmorgen bestätigt hat, gab es keine größeren Ausschreitungen. Den Angaben zufolge wurde vereinzelt zwar Pyrotechnik abgebrannt. Die Vorfälle seien aber nicht vergleichbar gewesen mit den Ereignissen der vergangenen beiden Nächten, so der Sprecher.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.10.2023, 07:25 Uhr

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