Ausschreitungen in Neukölln - Zentralrat der Palästinenser verurteilt Gewalt und kritisiert pauschales Demo-Verbot

Fr 20.10.23 | 10:43 Uhr
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Archivbild: Bei einer Pro-Palästina-Demo in Berlin werden Palästina-Flaggen geschwenkt. (Quelle: imago images/Geisler)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.10.2023 | Y. El-Ali und A. Ulrich | Bild: imago images/Geisler

Das Verbot von mehreren pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin stößt beim Zentralrat der Palästinenser auf Kritik. Gewalt dürfe zwar nicht sein, doch friedlichem Protest würde so auch die Chance genommen. Die Innensenatorin sieht das anders.

  • Zentralrat der Palästinenser verurteilt Ausschreitungen
  • Innensenatorin betont Demonstration- und Meinungsfreiheit
  • Neuköllns Bezirksbürgermeister befürchtet weitere Randale

Der Zentralrat der Palästinenser in Deutschland hat die Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Kundgebungen in Berlin-Neukölln verurteilt. Zentralratsmitglied Youssef El-Ali sagte am Freitag im rbb24 Inforadio, seine Organisation rufe immer zum friedlichen Protest auf.

Zentralrat: Tausenden wird Demonstrationsrecht genommen

Für ein generelles Verbot solcher Kundgebungen zeigte El-Ali kein Verständnis. Es sei bedenklich, wegen einiger weniger Verstöße vielen tausend Menschen das Demonstrationsrecht zu nehmen. Vereinzelte antisemitische Parolen bei Versammlungen in dieser Größenordnung könne man nie ganz ausschließen. Dann sei es Aufgabe von Veranstaltern und Polizei entsprechend einzugreifen, so El-Ali. Es gebe klare Gesetze, wie mit einzelnen Straftätern umzugehen sei.

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel kommt es in Berlin immer wieder zu pro-palästinensischen Protesten. Die Polizei hatte seitdem Verbote für bestimmte Demonstrationen ausgesprochen. Zuletzt wurden zwei Versammlungen am Mittwoch und Donnerstag inklusive derer Ersatzveranstaltungen bis zum 27. Oktober utersagt. Zur Begründung hieß es, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass "die unmittelbare Gefahr" bestehe, dass es zu "volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen", Gewaltverherrlichungen und Gewalttaten komme.

Spranger: Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Berlin garantiert

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat in diesem Zusammenhang betont, dass in der Hauptstadt Versammlungs- und Meinungsfreiheit besteht. So sei es erlaubt, auf Demonstrationen Palästinenserfahnen und -tücher zu zeigen. "Wir verbieten keine Fahnen und verbieten auch nicht das Tuch. [...] Wir haben das Versammlungs- und Meinungsfreiheitsrecht in Berlin, [...] aber wer antisemitische Ausrufe abgibt, da wird der Rechtsstaat und die Polizei konsequent dagegen vorgehen", sagte die SPD-Politikerin am Freitag im rbb24 Inforadio.

Spranger sagte weiter, dass auch friedliches Miteinander wie Mahnwachen selbstverständlich zugelassen würden. Gegen Antisemitismus, Bedrohungen und Gewalttaten werde die Polizei aber konsequent vorgehen.

Zum Aufruf der islamistischen Hamas zu weltweiten Protesten am Wochenende und den Folgen für Berlin sagte Spranger: "Wir schätzen ja die Lage jeden Tag ein und wenn wir Amtshilfe brauchen, dann bekommen wir die selbstverständlich auch am Wochenende." Am Donnerstag teilte die Polizei mit, dass wegen der angespannten Lage bereits Unterstützung aus anderen Bundesländern sowie vom Bund angefordert wurde.

Neuköllns Bürgermeister Hikel rechnet mit weiteren Ausschreitungen

Unterdessen rechnet Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) mit weiteren Ausschreitungen im Bezirk und spricht sich gleichzeitig für stärkere Gegensignale aus der Bevölkerung aus. "Ich mache mir große Sorgen. Wenn sich der Konflikt in Nahost weiter verschärft, zum Beispiel durch eine israelische Bodenoffensive, sehe ich schon die Gefahr, dass Leute das hier ausnutzen und den Hass weiter auf die Straße tragen", sagte Hikel der Deutschen Presse-Agentur.

"Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die bei allen möglichen Anlässen auf der Welt schnell auf die Straße gehen, auch jetzt auf die Straße gehen und ein deutliches Zeichen gegen die Gewalt auf der Sonnenallee und die Hetze in dieser Stadt setzen." Am Ende gehe es auch darum, hinter den Jüdinnen und Juden in der Stadt zu stehen.

Mit Blick auf Demonstrationsverbote sagte er: "Die Demonstrationen, die sich zunächst pro-palästinensisch ausgegeben haben, sind in der Regel in Hetze gegen Israel ausgeartet." Es sei auch ein Stück weit scheinheilig zu sagen, da werde Palästinensern das Demonstrationsrecht genommen. "Richtig wäre zu sagen: Es wurde ihnen das Recht genommen, hetzerisch unterwegs zu sein."

Heftige Ausschreitungen am Mittwoch und Donnerstag

In den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag hatten sich in Berlin-Neukölln hunderte Menschen versammelt. Mülltonnen, Reifen und Autos wurden in Brand gesetzt, Polizeikräfte mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen beworfen. Die Polizei meldete allein nach der Nacht auf Donnerstag fast 200 Platzverweise und vorläufige Festnahmen. 65 Polizisten wurden verletzt.

In der Nacht zu Freitag ist es nach den zwei Krawallnächten in Folge ruhig geblieben. Wie ein Sprecher des Berliner Lagezentrums dem rbb am Freitagmorgen bestätigt hat, gab es keine größeren Ausschreitungen. Den Angaben zufolge wurde vereinzelt zwar Pyrotechnik abgebrannt. Die Vorfälle seien aber nicht vergleichbar gewesen mit den Ereignissen der vergangenen beiden Nächten, so der Sprecher.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.10.2023, 07:25 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    "Wer sich hier, wo jedem alle Chancen offenstehen für ein Leben in Frieden und Freiheit, wo alle Religionen und Völker gut zusammen leben und arbeiten können....wer derart gegen unsere Ordnung ist, unsere Gesetze, unsere Werte: Der möge gehen. Sofort."

    Und wohin sollen die Wähler der rechtsextremen und demokratiefeindlichen AfD gehen?

  2. 15.

    Friedlich demonstrieren Ja. In unserem Land kein Problem. Straßenschlachten mit Brandstiftung, überschütten von Polizisten mit brennbaren Flüssigkeiten (berichtet im ÖRR), brennende Autos, Barrikaden in Flammen.....Stop sofort, mit der Härte die angemessen ist. Auch und vor allem der Missbrauch friedlich angemeldeter Versammlungen zum grölen von antisemitischen hasserfüllten Parolen und übelsten Aufrufen der Gewalt. Sehr viele Menschen sorgen sich berechtigt wie das weitergeht. Sie wollen sowas nicht. Deutlich überall geäußert. Was die Politik zurzeit macht, sorgt für Sprachlosigkeit bis Unverständnis. Polizei und Sicherungskräfte geben alles. Dafür Dank und tiefer Respekt. Ich möchte diesem hasstobenden Mob nicht gegenüber stehen. Wer sich hier, wo jedem alle Chancen offenstehen für ein Leben in Frieden und Freiheit, wo alle Religionen und Völker gut zusammen leben und arbeiten können....wer derart gegen unsere Ordnung ist, unsere Gesetze, unsere Werte: Der möge gehen. Sofort.

  3. 14.

    Merkwürdige Begründung, die auf die rechtsextreme AfD angewendet, ihre sofortiges Verbot bewirken würde.

    Wo wurden denn Nazi-Demonstrationen konsequent verboten? Sogar der Hess "Gedenkmarsch" konnte in Spandau und Wunsiedel stattfinden und auf jeder Demonstration der AfD oder "Zukunft Heimat" laufen Nazis und Antisemiten mit.

  4. 13.

    Ist Aggression verwunderlich, wenn Menschen immer wieder diskriminiert werden? Wenn sie keine Heimat haben? Wenn konstant gegen sie gehetzt wird? Wenn sie sich nicht frei versammeln können? Wenn die Regierung sie ignoriert? Und die Medien nicht neutral berichten? Wenn Menschen auf friedliche (!) Art und Weise nicht gehört werden, schaffen sie sich anderweitig Gehör. Vielleicht könnte man auch mal hinhören.

  5. 12.

    @Franke Wedekind, habe ich.
    "Wenn Hunderte demonstrieren und kann es leider auch vorkommen, dass sich einige Wenige darunter mischen, die antisemitische und judenfeidliche Sprüche rufen, wie es auch Wenige gibt, die hier und da Böller werfen. Da sollte man nicht die friedlich Demonstrierenden mit einem generellen Demonstrationsverbot bestrafen." (info-radio)So das Zentralratsmitglied Youssef El-Ali sagte am Freitag im rbb24 Inforadio,
    Nur, die Bilder sehen anders aus.
    Ich bin darum für ein totales Demonstrationsverbot und für ein konsequentes Verbot von HAMAS-Vereine und dessen Vorfeldorganisationen.
    Nazi-Demonstrationen werden konsequent verboten, hier aber wird einer mörderischen Terrorvereinigung Raum gegeben, unser Grundrecht zu unterhalten.

  6. 11.

    Ich kann nur allen raten, sich das Interwiev des Herren Zentralratsmitglied Youssef El-Ali vom Freitag, 20.10.23, im rbb24 Inforadio anzuhören.
    https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2023/10/20/nahost-eskalation-palaestinenser-berlin-demonstration-verbot.html

  7. 10.

    Ich verstehe nicht was Sie schreiben, in diesem Land will Keiner Irgendjemand seine Religion wegnehmen.
    Das Verbot bezieht sich lediglich auf Demonstrationen auf denen die Vernichtung des Staates Israel gefordert wird. Weiterhin wurden die bestialischen Morde der Hamas an Juden gefeiert und es wurde zur Gewalt aufgerufen. Aber all das deckt sich nicht mit dem Recht auf Demonstrationsfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Beides hat seine Grenzen wenn zum Töten von Menschen, zu sonstiger Gewalt aufgerufen und Beleidigungen ausgesprochen werden. All das sind Straftaten. Weiterhin sind Straftaten wenn man Gewalt gegenüber Polizisten anwendet und Gegenstände in Brand setzen.
    Das alles wird von Leuten begangen die in dieses Land kamen um Schutz zu suchen. Aber als Gäste benimmt man sich so nicht. Dieses Land hat den Palästinensern Sicherheit, Schulbildung, eine Berufsausbildung bis hin zum Studium ermöglicht. Sie sollten in ihr geliebtes Palästina gehen.

  8. 9.

    "Deshalb bin ich dafür, dass friedliche Demonstrationen zugelassen werden."

    Da stimme ich Ihnen vollkommen zu und genau darin liegt das Problem, denn: sind diese Demonstrationen friedlich und bleiben sie es auch? Der "Trend" zeigt leider in eine andere Richtung. Wie will man überhaupt sicherstellen, dass sich keine Hamas-Sympathisanten darunter mischen um absichtlich Aggressionen zu verbreiten und die Stimmung kippen zu lassen? Kann man das überhaupt? Dass der Zentralrat der Palästinenser Kritik geübt hat, ist vollkommen nachvollziehbar. Es wäre eher merkwürdig gewesen, hätte er es nicht getan. Und was für zusätzliche Ängste schürt es eigentlich noch bei den jüdischen Berlinerinnen und Berlinern, wenn sie so etwas dann sehen?

    Mein innigster Wunsch wäre eine gemeinsame, friedliche Demonstration mit beiden Seiten.
    Ob das allerdings möglich ist? Ich befürchte eher nicht. Eine wirklich schwierige Entscheidung, die gut abgewogen werden muss.

  9. 8.

    Solange Hamas-Unterstützer in der palästinensischen Community den Ton angeben, müssen diese Hassveranstaltungen verboten bleiben.
    Wo ist die öffentliche Distanzierung der palästinensischen Gemeinde in Berlin von der Hamas? Habe ich etwas verpasst?

  10. 7.

    Leider laufen die Demos stets aus dem Ruder. Es ist übrigens nicht nur irgend ein Krieg, hier geht es um fundamentalistischen Glauben.
    Leider ist der Glaube, und das alles an den selben Gott, die Ursache für diesen grausamen Krieg. Wenn viele Muslime endlich den Koran richtig interpretieren würden, dann würde es diesen Krieg nicht geben. Der Islam ist eine friedliche Religion. Allein die Begrüßung bedeutet Friede sei mit dir!
    Aber nein, man will mit Gewalt die Religion zuf Weltreligion machen.

  11. 6.

    "Deshalb bin ich dafür, dass friedliche Demonstrationen zugelassen werden."

    Da stimme ich Ihnen vollkommen zu und genau darin liegt das Problem, denn: sind diese Demonstrationen friedlich und bleiben sie es auch? Der "Trend" zeigt leider in eine andere Richtung. Wie will man überhaupt sicherstellen, dass sich keine Hamas-Sympathisanten darunter mischen um absichtlich Aggressionen zu verbreiten und die Stimmung kippen zu lassen? Kann man das überhaupt? Dass der Zentralrat der Palästinenser Kritik geübt hat, ist vollkommen nachvollziehbar. Es wäre eher merkwürdig gewesen, hätte er es nicht getan. Und was für zusätzliche Ängste schürt es eigentlich noch bei den jüdischen Berlinerinnen und Berlinern, wenn sie so etwas dann sehen?

    Mein innigster Wunsch wäre eine gemeinsame, friedliche Demonstration mit beiden Seiten.
    Ob das allerdings möglich ist? Ich befürchte eher nicht. Eine wirklich schwierige Entscheidung, die gut abgewogen werden muss.

  12. 5.

    Ja, immer schön um die Mitte pendeln. Bei der bisherigen Bilanz müssen selbstverständlich alle solche Demos verboten werden. Das Risiko, dass viele Beamte verletzt werden von unreifen, ungebildeten nicht Integrierten ist zu hoch. Am besten die Straftäter direkt in den Gaza-Streifen ausfliegen. Wo sind wir denn hier?

  13. 4.

    Solange Demonstrationen für Gewalttätigkeiten missbraucht werden, gehören sie verboten! Punkt!

  14. 3.

    Es gab keine (in Zahlen: 0) Demonstration von Plaästinensern hier, die nicht auch das Existenzrecht Israels in Abrede stellten: "From the river to the sea, Palestine will be free" will Israel ausradieren. Das brauchen wir in Deutschland nicht zu unterstützen.

    Die Hamas ist eine Terrororganisation, die ihr ganzes Volk in Geiselhaft hat. Sie feuern Raketen in der Nähe von Krankenhäusern und Schulen ab, um bei Israelischen Antworten die Toten vorzuzählen. Das ist widerlich. Die Palästinenser müssen sich selbst von der Hamas befreien.

  15. 2.

    Wenn der Zentralrat der Palästinenser sich gegen den Terror der Hamas und für die unseren Grundrechte bekennt, dann hat er das Recht, wie im Bericht angegeben zu argumentieren.

  16. 1.

    Ich sehe es genauso, dass die Freiheit der Relegionszugehörigkeit gewahrt bleiben muss. Das hat mit dem Krieg nichts zu tun. Ein Krieg wird in Wirklichkeit meistens nur zwischen wenigen Menschen aus meistens nichtreligiösen Gründen geführt. Die anderen vielen Menschen werden dann hineingezogen und manipuliert. Ich kenne persönlich Menschen, die sich als Moslems und Juden sehr gut miteinander verstehen. Deshalb bin ich dafür, dass friedliche Demonstrationen zugelassen werden. Ein pauschales Verbot hilft nicht weiter.

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