Brandenburg und Berlin starten Kampagne - Qualzucht bei Tieren - das Drama hinter Faltohren und Stupsnasen

Fr 15.12.23 | 20:10 Uhr | Von Thomas Bittner
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Qualzucht unter dem Weihnachtsbaum: Rund um das Jahresende ist der illegale Welpenhandel besonders schlimm. (Foto: dpa)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.12.2023 | Katrin Neumann | Bild: dpa

Viele Tiere leben ein qualvolles Leben, weil ihnen exotische oder gewinnbringende Merkmale angezüchtet wurden. Brandenburgs Tierschutzbeauftragte startet jetzt zusammen mit Berlin eine Kampagne gegen Qualzucht. Von Thomas Bittner

  • Tierschutzbeauftragte fordert Umdenken
  • Postkartenmotive sollen sensibilisieren
  • Lieber ins Tierheim schauen als am Straßenrand kaufen

"Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos" - auch diese Weisheit von Loriot ist anfechtbar. Achim Gruber, Direktor des Instituts für Tierpathologie der Freien Universität Berlin, würde ihm jedenfalls widersprechen. Denn das Leben eines Mopses kann sehr qualvoll sein. Röchelnd und schnarchend schleppen sich die kulleräugigen Stupsnasen durch die Welt. An heißen Sommertagen können sie wegen Atemnot zusammenbrechen. Und sterben. Gruber hatte selbst schon Möpse auf dem Sektionstisch.

Zur Ehrenrettung von Mops-Liebhaber Loriot erklärt Tierpathologe Gruber, zu Loriots Lebzeiten hätten Möpse noch viel längere Nasen gehabt. Inzwischen sei aber vieles, was dem Kindchenschema widerspricht, weggezüchtet worden. Als Qualzucht bezeichnet man es, wenn Tiere Merkmale angezüchtet bekommen, die zu einem Leben mit Schmerzen, Leiden oder Schäden führen.

"Lifestyle oder Lebewesen?"

Brandenburgs Tierschutzbeauftragte Anne Zinke will hier nicht mehr tatenlos zuschauen. Am Freitag stellte sie eine Kampagne [msgiv.brandenburg.de] vor, die auf Qualzucht aufmerksam machen soll. Zusammen mit dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales [berlin.de] und einem Verein, der sich ganz speziell auf das Tierschutz-Thema Qualzucht konzentriert, will sie über das Leid der Tiere aufklären. "Lifestyle oder Lebewesen?" wird auf einer Website gefragt. 20.000 Postkarten mit Tiermotiven werden in Tierarztpraxen oder an Interessierte verteilt.

Das lebenslange Leid der Tiere sei vielen Halterinnen und Haltern gar nicht bewusst, meint Anne Zinke. "Das Tierschutzgesetz verbietet es zwar, Tiere mit Merkmalen zu züchten, unter denen sie leiden, dennoch ist das vielfach gelebte Realität", sagt sie. Es brauche dringend ein Umdenken, nicht nur bei Züchterinnen und Züchtern, sondern auch bei den Tierhaltenden, also Käuferinnen und Käufern.

Anne Zinke, die seit Februar 2022 Brandenburgs Tierschutzbeauftragte ist, hat den Kampf gegen Qualzuchten zu einem ihrer Schwerpunktthemen erklärt. Beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat sie bereits eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes in dieser Frage eingefordert.

Die Zahl von Hunden und Katzen in privaten Haushalten hat sich in den letzten zwölf Jahren verdoppelt. Pathologe Achim Gruber geht davon aus, dass Tierkäufe weiter zunehmen. Denn für immer mehr Menschen werden Haustiere zum Sozialpartner oder Kinderersatz. Von einem "Kuscheltierdrama" spricht Achim Gruber, er hat bereits Bücher über "Irrwege in der Rassezucht" geschrieben. Es sei höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen. "Vielfach ungesunde und teils tödliche Leitbilder in der Zucht dürfen nicht mehr mit falscher Tierliebe oder anderen fragwürdigen Motiven schöngeredet werden", so der Berliner Tiermediziner.

Atemprobleme und Schlafstörungen, Augen- und Gelenkentzündungen

Für das Amüsement der Menschen zahlen viele Tiere einen hohen Preis. Sie leiden unter Atem- und Schlafproblemen. Haut, Augen, Gebisse und Gelenke entzünden sich. Bei vielen Tieren aus Qualzucht müssen die Besitzer mit dem 20-fachen an Tierarztkosten im Vergleich zu gesunden Rassen rechnen, sagt Achim Gruber. Man solle sich nur mal die Kosten für Tierkrankenversicherungen anschauen: Für manchen Zuchthund werde deutlich mehr verlangt als für einen Mischling, die Krankenkassen kalkulieren das mit ihren Erfahrungen. Eine künstliche Hüfte für einen kranken Hund kann durchaus 6.000 Euro kosten. Hunde aus Qualzucht werden manchmal nur vier oder fünf Jahre alt, gesunde Hunde können 15 Jahre alt werden.

Keine konsequente Verfolgung von verbotenen Züchtungen in Deutschland

Eine Kampagne kann aufklären und Menschen dazu bringen, bestimmte Tierkäufe zu überdenken. Doch reicht das? Woran es in Deutschland mangelt, ist die konsequente Verfolgung von verbotenen Züchtungen. In anderen Ländern sei man da deutlich weiter, so Gruber.

Und nicht nur Züchtungsverbote, sondern auch das Verbot der Haltung solcher Tiere würde helfen. Auch ein Werbe- und Filmverbot wünschen sich Tierschützer. Denn nicht zuletzt durch die Weiterverbreitung von Hunde- und Katzenvideos, auf denen vermeintlich "süße" Haustiere zu erleben sind, werden bestimmte Züchtungen populär. "Petfluencer", die sich mit ihren Tieren in sozialen Medien präsentieren, machen Lust auf ein eigenes Haustier. Niedlichkeit sorgt für hohe Klickzahlen. Kurznasige oder besonders kleine Hunde sind beliebt. Ganz große Doggen werden auch gern als Statussymbole gekauft. Auch bestimmte Fellfärbungen, die nur durch genetische Veränderungen zu erreichen sind, können für Krankheiten sorgen. Bei Katzen fallen Züchtungen mit Klappohren auf, auch Nacktkatzen sind im Trend. Es sind nicht nur Mops und Bulldogge, die als Defektzuchten auffallen, sondern auch Perserkatzen oder schottische Faltohrkatzen.

Auch Qualzucht in der Landwirtschaft

Aber Qualzucht macht nicht Halt bei Hund und Katze. Auch schuppenlose Schlangen und Echsen oder Goldfische ohne Rückenflosse leben in Terrarien und Aquarien. Und auch in der Landwirtschaft sorgt der Mensch für angezüchtetes Tierleid. Milchkühe mit sehr hoher Milchleistung haben übergroße Euter, die beim Liegen und Laufen stören. Sie leiden unter Leberverfettung oder Stoffwechselstörungen. Legehennen, die bis zu 300 Eier im Jahr legen, erkranken an Osteoporose und Fettleber.

Die Adressaten der aktuellen Kampagne sind vor allem diejenigen, die sich ein Tier anschaffen wollen. Aber es ist nicht so einfach, Tiere mit Merkmalen von Qualzucht zu erkennen. Der Ratschlag der Initiatoren: Nur verantwortungsvolle Züchter aussuchen und nicht aus Mitleid am Straßenrand oder im Ausland ein Tier kaufen. Noch besser sei es, mal im Tierheim zu fragen. Das Wichtigste sei, hinzuschauen und sich zu informieren. Im Zweifel muss es eben heißen: Ein Leben ohne Mops ist durchaus möglich. Und sinnvoll.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.12.2023, 16:00 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

37 Kommentare

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  1. 37.

    So, ich werde mal sachlich und lege mich zurück und antworte folgendes
    Der Mensch ist das größte Raubtier und verschandelt diese Welt.
    Behandelt doch mal diese Menschen, die Tiere quälen, genauso wie Tiere.

  2. 36.

    Die C-Parteien haben es ja auch nicht geschafft, die Kinderrechte ins Gesetz aufzunehmen. Da ist es nur konsequent, wenn das mit dem Tierschutz genauso wenig geschieht... Wofür steht doch das "C" nochmal?

  3. 35.

    Sorry, aber ich bleibe bei meiner Meinung das solche Qualzuchten verboten werden sollten. Und für mich gehören Mops und Französische Bulldogge oder Nackthunde dazu.
    Ich habe auch einen großen 12 Jahre alten Mischlingshund der noch Topfit, keinerlei Gelenkprobleme hat und auch sonst noch sehr Fit ist. Große Wanderungen in den Alpen kein Problem für ihn.

  4. 34.

    Ich schrieb nicht, dass sie schön sind, sondern, dass ich andere Hunde bevorzuge. Lediglich ums Schnaufen ging es und das tun die nicht, die ich kenne. Mein Hund ist kein Rassehund, sondern ein klasse Hund.

  5. 33.

    Was ist an so einer Überzüchteten Rasse schön ?
    Was ist an Qualzuchten schön ? Mir tun diese Hunde nur leid, denen die Nase weggezüchtet wurde.

  6. 32.

    Von mir auch ein Stimmt.
    Im Bekanntenkreis haben einige Leute französische Bulldoggen und die sind sehr auslauffreudig, da schnaufen eher die Halter als die Hunde.
    Für mich kommt so ein Tier allerdings nicht in Betracht, ich mag große Hunde mit tiefer, lauter Stimme, ohne Jäckchen und Schnickschnack, pflege ihn gut, sorge für gutes Futter und reichlich Bewegung. Der glänzt wie ein Araberhengst, es geht ihm gut.

  7. 30.

    Wie hier aus Unwissenheit gegen französische Bulldoggen gehetzt wird widert mich an. Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal ruhig sein.

    Unfassbar wie jeder zu allem immer mitreden und am besten noch verbieten will, obgleich er oder sie mal so überhaupt keine Ahnung hat.

  8. 29.

    Sie wissen schon dass es gerade bei Französischen Bulldoggen Züchtungen gibt die in eine sportliche Richtung gehen und demzufolge nicht die von Ihnen beschriebenen Merkmale haben? Offenbar nicht, dann würden Sie nicht so hysterisch nach einem Verbot kreischen. So viel Unwissenheit hier mal wieder.

  9. 28.

    Und ich habe eine sportliche französische Bulldogge die Treppen hoch und runter rennt. Und nun? Unterlassen Sie gefälligst Ihre Verallgemeinerungen.

  10. 27.

    Das stimmt so nicht, denn viele Fehlbildungen/Rassemerkmale, die ja eigentlich auf an- oder weitergezüchteten Mutationen beruhen, werden nur dominant verrerbt, wenn beide Elterntiere die Veranlagung dazu in sich tragen.
    Hat nur ein Elternteil diese Veränderungen im Erbgut, ist die Chance höher, dass die Nachkommen gesund oder zumindest gesünder sind. Die "normalen" Gene neigen eher dazu, sich durchzusetzen, da hat die Natur schon sowas wie eine Art "Gefahrenerkennung" und "Reparaturservice", weil die Art ja überleben und nicht an Fehlbildungen eingehen soll.

  11. 26.

    Ein Mischling kann nur so gesund sein, wie seine Eltern. Ist das bei Menschen auch so, oder nur bei Tieren ?

  12. 25.

    Rassehunde wie Zb. Mops oder Französische Bulldogge die man aus 2 km Entfernung schon Röcheln und Atmen hört sollten sofort verboten werden. Ich frage mich, wie kann man einem Tier solche Fehlbildungen anzüchten ?
    Wie kann man sich so ein Tier kaufen und diese Qualzuchten damit unterstützen ?
    Das es solche Zuchten überhaupt gibt, sind neben den Züchtern auch die Hundehalter die solche Tiere halten schuld.

  13. 24.

    Ich hatte 2 Rassehunde einer Rasse die eigentlich eine Lebenserwartung von ca.12 Jahren haben .
    Beide starben mit 8 bzw. Einer mit 9 Jahren und hatten mit Gelenke und Wirbelsäulenleiden zu tun.
    Danach holte ich mir einen Mischling ( ca.35 kg. ) , der jetzt 15 Jahre ist und immernoch lange Spaziergänge fordert und noch nie wirklich Krank war.
    Ich bin schon überzeugt das Mischlingshunde meist robuster und gesünder sind als viele Rassehunde.
    Sie können sich glücklich schätzen, das ihr Rassehund so alt und Fit ist. Das ist leider die Ausnahme.

  14. 23.

    Ich hatte 2 Rassehunde einer Rasse die eigentlich eine Lebenserwartung von ca.12 Jahren haben .
    Beide starben mit 8 bzw. Einer mit 9 Jahren und hatten mit Gelenke und Wirbelsäulenleiden zu tun.
    Danach holte ich mir einen Mischling ( ca.35 kg. ) , der jetzt 15 Jahre ist und immernoch lange Spaziergänge fordert und noch nie wirklich Krank war.
    Ich bin schon überzeugt das Mischlingshunde meist robuster und gesünder sind als viele Rassehunde.
    Sie können sich glücklich schätzen, das ihr Rassehund so alt und Fit ist. Das ist leider die Ausnahme.

  15. 22.

    In unserem Mehrfamilienhaus wohnt eine große französische Bulldogge ca. 15 kg, die, wenn der Fahrstuhl ausfällt, acht Etagen hoch und runter getragen werden muss. Das tut mir sehr leid, für den Hund und deren Besitzer. Mein Hund, ein Mischling aus dem Tierschutz, auch ca. 15 kg und 15 Jahre alt, schafft locker die 10 Etagen.
    Ich bin auch der Meinung dass, viel mehr gegen Qualzucht unternommen werden muss .

  16. 21.

    Hier sind besonders FCI und VDH in der Pflicht, sie geben die Rassestandards vor! Werden die Vorschriften verschärft, wechseln die Mitglieder zu Dissidentenvereinen. Hier ist der Käufer gefragt, worauf er Wert legt. Jedoch ist ein liebevoll gezüchteter Rassehund nicht für kleines Geld zu bekommen. Die Tierarztkosten bei jedem Hund/Tier können wesentlich höher sein als der Kaufpreis. Wenn man diese nicht stemmen kann, sollte man sich gar kein Tier anschaffen! Das gehört zum Pflichtbewusstsein!

  17. 20.

    Bitte einfach mal sachlich über das Problem nachdenken, alle Emotionen beiseite legen und sich dann vielleicht nochmal äußern.

  18. 19.

    So lange Tier im Gesetz als Sache behandelt werden und die Strafen so gering ausfallen wird sich nichts ändern.

  19. 18.

    So ein Blödsinn. Ein Mischling kann nur so gesund sein, wie seine Eltern. Aber diese sind für gewöhnlich auf nichts untersucht, sowie die Generationen vor Ihnen. Aus diesem Grund kommt für mich nur ein Rassehund in Frage. Allerdings hab ich eine gesunde Rasse, die als großer Hund trotzdem 13-14 Jahre alt werden kann (15 und 16 Jahre sind mir aber auch bekannt). Viele Krankheiten sind bei meinem Hund schon genetisch ausgeschlossen oder minimiert. Zudem ist er auch charakterlich einigermaßen "vorprogrammiert".

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