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Audio: rbb 88.8 | 04.12.2023 | Michael Ernst | Quelle: dpa/Schoening

Berliner Moderne

Waldsiedlung Zehlendorf für Unesco-Welterbe vorgeschlagen

Sieben deutsche Vorschläge wurden auf die Liste für das Welt- und Kulturerbe der Unesco gesetzt. Darunter ist die Waldsiedlung Zehlendorf in Berlin - sie soll damit als eine Stätte von besonderer Bedeutung für die Weltgemeinschaft gewürdigt werden.

Die Waldsiedlung in Berlin-Zehlendorf steht auf der aktuellen Vorschlagsliste für das Welt- und Kulturerbe der Unesco. Die Kultusminister von Bund und Ländern einigten sich am Montag auf sieben neue deutsche Vorschläge. Dazu gehören neben der Waldsiedlung aus der Zeit der Berliner Moderne unter anderem die Fundstätte der 300.000 Jahre alten Schöninger Speere in Niedersachsen, das "Pretziener Wehr" in Sachsen-Anhalt, der Fernsehturm in Stuttgart und der Olympiapark in München, wie die Kultusministerkonferenz mitteilte.

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Bunte "Papageiensiedlung" - mit hoher Lebensqualität

Die farbenfrohe Waldsiedlung Zehlendorf, auch bekannt als Onkel Toms Hütte oder Papageiensiedlung, wurde von 1926 bis 1931 nach Plänen der Architekten Bruno Taut, Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg errichtet und war ihrer Zeit voraus. Die etwa 1.100 Mehrfamilienhäuser mit bis zu drei Stockwerken sowie Einfamilienhäuser stehen rund um den U-Bahnhof Onkel Toms Hütte. Dieser wurde erst während der Bauzeit der Siedlung eröffnet.

Die Architekten konzipierten sie auf dem damals unbebauten Gelände am Rande Berlins als Genossenschaftsprojekt, um Wohnraum für verschiedene soziale Schichten bereitzustellen. Architektur, Natur und Funktionalität sollten eine harmonische Verbindung eingehen, die Häuser organisch in die grüne Umgebung eingefügt werden. Für damalige Verhältnisse - Wohnraummangel war auch in der Weimarer Republik ein großes Problem - waren die Einfamilienhäuser fast schon weitläufig, mit ihren jeweils 85 bis 104 Quadratmetern Wohnfläche.

Bruno Taut ließ alle Fassaden mit leuchtenden Farben bemalen, die Richtung Osten in Gelb- und Grüntönen, die Richtung Westen in braun und dunkelrot. Er integrierte Gärten und Grünflächen zwischen den Gebäuden und verwendete bewusst Naturmaterialien wie Holz und Ziegelstein. Ein zeitloses Konzept, das den etwa 15.000 Bewohnerinnen und Bewohnern ein angenehmes Wohnumfeld und damit eine hohe Lebensqualität bieten sollte - daran hat sich in fast 100 Jahren nichts geändert. Seit 1995 steht die Waldsiedlung unter Denkmalschutz.

Onkel Toms Hütte würde Berliner Welterbe-Siedlungen der Moderne komplettieren

Dass sie nun fürs Unesco-Welterbe vorgeschlagen wurde, ist nur ein erster Schritt - sicher ist der Aufstieg in den exklusiven Klub damit noch nicht. Für die Auswahl von Welterbestätten müssen sich interessierte Stätten auf nationaler Ebene um die Aufnahme in die sogenannte Tentativliste für das Unesco-Welterbe bewerben. Ein Platz auf dieser Anmeldeliste ist Voraussetzung dafür, einen Antrag für die Welterbe-Liste einreichen zu können. Die aktuelle deutsche Tentativliste läuft den Angaben zufolge Ende 2024 aus.

Unter den sieben deutschen Vorschlägen wurde die Waldsiedlung Zehlendorf auf den ersten Platz gesetzt, "weil sie eine bereits existierende Welterbestätte vervollständigt". Die bereits registrierten sechs Siedlungen der Berliner Moderne - Gartenstadt Falkenberg, Schillerpark-Siedlung, Hufeisensiedlung, Wohnstadt Carl Legien, Weiße Stadt und Großsiedlung Siemensstadt - sind laut Unesco "Ausdruck der politischen, sozialen, kulturellen und technischen Fortschrittlichkeit im Berlin der Weimarer Republik".

Der Berliner Kultursenator Joe Chiallo (CDU) bestätigte, dass die Waldsiedlung als eine Erweiterung der schon seit dem Jahr 2008 bestehenden Welterbestätte der Berliner Moderne eingetragen werde. Den Worten des Stadtentwicklungssenators Gaebler (SPD) ist die Waldsiedlung ein herausragendes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau.

Fast 100 Jahre alt - und doch nie aus der Zeit gefallen: Die Waldsiedlung Zehlendorf. | Quelle: dpa/Joko

Karl-Marx-Allee und Interbau-Gebäude setzen sich nicht durch

Zuvor hatte ein international besetzter Fachbeirat die neuen Vorschläge für Deutschland erarbeitet. Das letzte Verfahren dieser Art hatte vor zehn Jahren stattgefunden. Jedes Bundesland hatte die Gelegenheit, zwei Anträge einzureichen. Entscheidende Faktoren für eine positive Bewertung waren den Angaben zufolge neben dem Potenzial zur außergewöhnlichen weltweiten Bedeutung die Berücksichtigung der "Globalen Strategie für eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Welterbeliste", heißt es in dem Bericht, der am Montag veröffentlicht wurde [unesco.de].

Die ebenfalls vom Land Berlin auf die Vorschlagsliste eingereichten Gebiete der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin und der Interbau 1957 setzten sich dagegen nicht durch. Berlins Landeskonservator Christoph Rauhut sagte, er bedauere zutiefst, dass die Einzigartigkeit dieser Ensembles nicht erkannt wurde. "Für mich steht die herausragende Bedeutung dieser Denkmale außer Frage", sagte Rauhut: "Ich hoffe, dass wir für die Zukunft einen Weg zu finden, wie wir gemeinsam diesen bedeutsamen Gebieten der Berliner Baugeschichte zu einer dies würdigenden Anerkennung verhelfen können."

Die Welterbeliste zählt den Angaben zufolge aktuell 1.157 Stätten in 167 Ländern. Mit 51 Welterbestätten liegt Deutschland im weltweiten Vergleich aktuell nach Italien (58) und China (56) auf Platz drei [unesco.de]. Bei den Kulturerbestätten findet sich Deutschland (48) nach Italien (53) auf Platz zwei.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.12.2023, 19 Uhr

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