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Video: rbb24 Abendschau | 05.01.2024 | Phil Beng | Quelle: rbb/David Donschen

Wohnungen geplant

Endgültiger Abschied vom SEZ?

Das SEZ in der Landsberger Allee weckt bei seinen Fans bis heute warme Nostalgie. Nach langem Streit um den ehemaligen DDR-Freizeitkomplex steht fest: Er soll Wohnungen und einer Schule weichen. Noch gibt der Eigentümer nicht auf.

Bauzäune umringen das SEZ, das Sport- und Erholungszentrum in Berlin-Friedrichshain. Vergilbte Banner hängen an der Fassade, es ist ein trostloser Anblick. Viele erinnert das Gebäude trotz des sichtbaren Verfalls noch heute an schöne Erlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend. 1981 als Prestigeprojekt der DDR-Führung eröffnet, wurde den Ostberlinern im SEZ einiges geboten: Ein Wellenbad, im Winter eine Eisbahn, eine Bowlingbahn, Tennisplätze, eine Tischtennishalle, mehrere Restaurants und einiges mehr.

Doch dem Sehnsuchtsort SEZ blieben im Kern nur etwa zehn goldene Jahre. Nach der Wende wurde das Zentrum nach und nach aufgegeben und 2002 geschlossen. Zuvor hatte es bereits jahrelang Verluste gemacht. Der Investor Rainer Löhnitz übernahm das Grundstück 2003 für einen symbolischen Euro vom Land Berlin. Passiert ist seitdem aber wenig. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit muss der Eigentümer das SEZ nun wieder an das Land Berlin zurückgeben. Und der Senat hat auch schon einen klaren Plan für das Gebäude, der aber nicht allen gefällt: Abreißen.

"Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern", teilte die Berliner Finanzverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Damiano Valgolio (Linke) mit. Das Schreiben vom 21. Dezember liegt dem rbb vor. Keines der Gebäude steht demnach unter Denkmalschutz. "Das SEZ geht zurück an das Land Berlin und kommt damit endlich wieder den Berlinerinnen und Berlinern zu Gute", heißt es in einer Pressemitteilung des Finanzsenators Stefan Evers (CDU).

Wohnungen und Schulfläche seit 2018 im Bebauungsplan

Auf dem Gelände sollen laut Bebauungsplan 500 Wohnungen entstehen, davon mindestens 30 Prozent für einkommensschwächere Mieterinnen und Mieter - und außerdem eine Schule. Der Friedrichshainer Schulstadtrat Andi Hemke von der SPD befürwortet das sehr, wie er erklärt. "Ganz klar ist, dass im Bebauungsplan, der seit 2018 festgesetzt ist, hier eine Fläche vorgesehen ist für den Neubau einer Schule inklusive Sportfreifläche. Und das ist auch ein ganz dringender Bedarf und den möchte ich schnell realisiert haben", sagt Hemke.

Doch wie und wann genau der Abriss und der Neubau vonstatten gehen soll, das steht noch gar nicht fest. Das Land Berlin befindet sich dazu in Gesprächen mit der Wohnungsbaugesellschaft WBM. Überlegungen für eine mögliche Zwischennutzung des Geländes bis zum Abriss seien noch nicht abgeschlossen. "Es ist beabsichtigt, die Bausubstanz auf dem Grundstück so weit wie möglich wiederzuverwerten, um die CO₂-Belastung durch den Neubau so gering wie möglich zu halten", heißt es vom Senat.

Noch ist das Grundstück gar nicht wieder an das Land übergeben. Erst dann kann die Planung so richtig beginnen. "Ein vorschneller Abriss wäre jetzt das Falscheste, was man machen kann. Man muss jetzt gucken, was geben die Gebäude überhaupt noch her, was kann man weiter nutzen. Und dann, wenn das möglich ist, muss man so schnell wie möglich und sei es im Rahmen von einer Zwischennutzung hier in die Gebäude wieder eine Sport- und Freizeitnutzung reinbringen, die der großen Tradition des SEZ gerecht wird“, sagt der Linken-Abgeordnete Damiano Valgoglio.

"Mit dem SEZ kann ich machen was ich will"

Als das Land Berlin das SEZ 2003 unter dem zuständigen Senator Thilo Sarrazin (SPD) an Löhnitz verkaufte, war das Objekt für den Senat längst zum Problem geworden: geschlossen, verfallen und sanierungsbedürftig. Der Kaufvertrag verpflichtete den sächsischen Unternehmer Löhnitz, in der Landsberger Allee 77 wieder ein Hallenbad zu eröffnen. Komme er dem nicht nach, sollte Berlin das 5,6 Hektar große Gelände zurückkaufen können. Nur ließ der Kaufvertrag anscheinend Interpretationsspielraum zu, wie genau das Hallenbad auszusehen hatte. Und das führte Jahre später zu Streit. "Mit dem SEZ kann ich machen, was ich will. Ich könnte das Grundstück sofort verkaufen und hätte das schon vor zehn Jahren gekonnt", sagte Löhnitz 2014 bei einem Auftritt im Friedrichshainer Stadtplanungsausschuss. Er drohte damals, das SEZ "von heute auf morgen dichtzumachen", sollte er bei seinen Bauplänen ausgebremst werden. Es gebe genug Interessenten.

Doch 2016 zog das Land Berlin vors Landgericht - und verlor. Die Richter befanden, dass der Investor seinen vertraglichen Verpflichtungen durchaus entsprochen hatte. Auf sein Wiederkaufsrecht sollte Berlin außerdem verzichten. Das ließ das Land nicht auf sich sitzen und zog erneut vor Gericht. In einer 180-Grad-Wende gab ihm das Kammergericht im Sommer 2022 Recht. Demnach musste der Investor das SEZ-Gelände zurückgeben. Eigentlich. Er wandte sich an den Bundesgerichtshof, die höchste Instanz. Der wies Löhnitz' Beschwerde ab. Damit bleibe das Urteil des Kammergerichts bestehen.

Räumungsklage abgelehnt

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende - trotz des Gerichtsurteils. Rainer Löhnitz ist immer noch Eigentümer, wie er in einer Stellungnahme gegenüber dem rbb betont. Er bietet den Gebäudekomplex samt Grundstück als Veranstaltungsort an, vermietet unter anderem für Ausstellungen, Konferenzen, Filmdrehs und Firmen-Events. Auch ein Techno-Club ist im ehemaligen SEZ seit dem vergangenen Jahr untergebracht.

Seine Geschäfte wird der Eigentümer auch bis auf Weiteres fortsetzen können, denn eine Räumungsklage des Landes Berlin hat das Kammergericht Berlin abgelehnt. Löhnitz bestreitet die Darstellung des Senats zur Vorgeschichte. "Mit mir hat Herr Sarrazin nie verhandelt, dass ich ein Schwimmbad oder Spaßbad aufzubauen habe. Ich habe mich in keinem Vertrag zu Derartigem verpflichtet. Mir wurde nie von meinem Vertragspartner, dem Land Berlin, auch nur ein Vertragsstrafenverstoß angezeigt, bis heute nicht. Es gibt nicht ein Dokument vom Liegenschaftsfonds, in dem er 2016 erklärt, er wäre Grundstücksverkäufer und Rechteinhaber und will das Grundstück zurückhaben", sagte Löhnitz am Montag dem "Berliner Rundfunk" [spotify.de].

Er habe nicht weiter in das SEZ investieren können, weil er seit 2013 gezielt an jeder baulichen Weiterentwicklung gehindert worden sei. "Über diese Art der Gesetzeslage soll ich gezwungen werden, das Objekt dem Verfall preiszugeben", sagte Löhnitz. Er habe Millionen in das Objekt investiert, alle Verpflichtungen erfüllt und in den ersten Jahren dort ohne Zuschüsse ein Sport- und Freizeitangebot umgesetzt - bis Corona kam. Gegenwärtig komme der Finanzsenator Evers "nicht mal in das Grundbuch", sagte Löhnitz. Deshalb verstehe er nicht, weshalb Evers "die Berliner so dreist belügt". Von einem sofortigen Abriss könne keine Rede sein [sez-event.de].

SEZ in Berlin-Friedrichshain

Vom Spaßbad zum ewigen Streitobjekt

Um kaum ein anderes Berliner Gebäude wird so ausdauernd gestritten wie um das Sport-und Erholungszentrum in Friedrichshain. Nun unterlag der Investor erneut vor Gericht. Dass das Gelände jetzt schnell zurück ans Land geht, steht aber noch nicht fest. Von Franziska Hoppen

Eigentümer kündigt weitere rechtliche Schritte an

Und so sitzt Rainer Löhnitz noch in seinem Büro im SEZ und möchte das so schnell auch nicht aufgeben. Gegenüber dem RBB betonte er am vergangenen Freitag, dass er das Urteil nicht akzeptiere und andere rechtliche Schritte einlegen wolle, um den Abriss zu verhindern.

Die Erfolgsaussichten sind zumindest fraglich. An dem Urteil selbst ist jetzt nichts mehr zu rütteln. Das Kammergericht wies die Klage des Eigentümers ab. Der Bundesgerichtshof, die höchste Instanz, hat dann 2022 Löhnitz' Beschwerde in Zusammenhang mit dieser Entscheidung zurückgewiesen. Deswegen treibt das Land die Planungen weiter voran. Noch sind drinnen nicht alle Lichter aus. Aber sind die Mieter raus und das Grundstück erst einmal offiziell zurückübergeben, steht für den Bezirk ganz oben auf der Wunschliste: der Bau einer Gemeinschaftsschule. Wann genau es damit losgehen kann, ist aber noch offen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 05.01.2024, 19:30 Uhr

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