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Quelle: dpa/Die Linke Berlin/Ferat Koçak

Neuköllner Anschlagsserie

Berliner Staatsschutz-Chef räumt eigene Fehler ein und verteidigt Ermittlungen

Die Ermittlungen zu einer rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln beschäftigen weiterhin einen Untersuchungsausschuss. Am Freitag äußerte sich der Chef des Berliner Staatsschutzes in der Sache - und räumte eigene Versäumnisse ein. Von Christoph Reinhardt

Der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der rechtsextremistischen Straftatenserie in Neukölln hat weitere leitende Ermittler aus dem polizeilichen Staatsschutz vernommen. Ein seit 2019 verantwortlicher Abteilungsleiter räumte dabei eigene Fehler ein. Dass Ermittlungserfolge ausgeblieben waren, sei aber weder auf Schlamperei noch rechte Gesinnung von Polizeibeamten zurückzuführen, sagte er.

André Rauhut hatte 2019 die Leitung des polizeilichen Staatsschutzes übernommen. Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Brandstiftung der Serie bereits ein Jahr zurück. An der Entscheidung, die schleppenden Ermittlungen mit einer besonderen Aufbauorganisation ("BAO Fokus") zu überprüfen, habe er beratend mitgewirkt und den Leiter der BAO selbst vorgeschlagen.

Die Überprüfung habe mehrere Schwachpunkte in der Ermittlung aufgedeckt. Insbesondere was den Umgang der Polizei mit den Opfern der Anschlagserie angeht sowie die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz oder mit der örtlichen Schutzpolizei. Der Verdacht, Polizeibeamte mit rechter Gesinnung hätten die Ermittlungen sabotiert, habe sich hingegen nicht bewahrheitet.

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"Fehler passieren. Sie werden nicht absichtlich gemacht"

Dass die Ermittlungen jahrelang erfolglos geblieben waren, habe vor allem an der Art und Weise der Anschläge und den fehlenden Beweismitteln gelegen. "Straftaten, bei denen man Grillanzünder in der Nacht auf einen Reifen legt oder Sachbeschädigungen an einem Auto, sind von Hause aus schwer aufzuklären", sagte Rauhut. Dass Polizisten etwa einen Stein nicht sofort untersucht hatten, mit dem eine Scheibe eingeworfen wurde, sei "extrem schade" gewesen - vielleicht hätten sich verwertbare DNA-Spuren finden lassen. "Fehler passieren. Sie werden nicht absichtlich gemacht."

Über sich selbst ärgere er sich bis heute, weil er nicht richtig geschaltet habe, als ihm der BAO-Leiter in einem Gespräch über einen Verdacht gegen einen angeblichen AfD-nahen Oberstaatsanwalt berichtete. Bei einer Telefonüberwachung hatte ein Verdächtiger gesagt, dass man von dem Staatsanwalt nichts zu befürchten habe, weil er auf ihrer Seite stehe.

Er hätte sich den Fall selbst vorlegen lassen und die Staatsanwaltschaft mit ins Boot holen müssen, räumte Rauhut vor den Abgeordneten ein. Stattdessen geriet der Vorwurf in Vergessenheit und wurde erst viel später durch die Akteneinsicht einer Opferanwältin bekannt. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers habe ihm deswegen "ein paar hinter die Ohren gegeben", sagte Rauhut, und den Fall an sich gezogen. Danach habe sich die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft "um hundert Prozent verbessert".

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Bessere Zusammenarbeit nach Wechsel der Abteilungsleiter

Schwer sei ein Versäumnis gewesen, das dazu führte, dass der heutige Abgeordnete Ferat Kocak (Die Linke) vor einem bevorstehenden Brandanschlag nicht gewarnt wurde. Der Berliner Verfassungsschutz wusste zwar, dass Kocak von den Tatverdächtigen systematisch beobachtet wurde, hatte diese Erkenntnisse aber erst spät an die Polizei übermittelt und die weitere Nutzung nicht zugelassen. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz "war nicht so, wie sie hätte sein müssen", sagte Rauhut. Seit dem Wechsel des Abteilungsleiters habe sich das sehr verbessert, Informationsübergaben mit solchen Beschränkungen gebe es heute nicht mehr.

Dass viele Opfer Vertrauen in die Polizei verloren hätten, sei verständlich und nur schwer wieder gutzumachen. Zwar habe es viele Kontakte zu den Opfern gegeben, aber nicht mit festen Ansprechpartnern. Aus Sicht der Opfer seien die Zuständigkeiten unklar gewesen. "Die Struktur war nicht günstig gewählt." Dies sei umso ärgerlicher, als die seit 2014 nach dem NSU-Skandal eingeführte Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus die Perspektive der Opfer viel stärker berücksichtigen sollte. Er habe erst im Nachhinein festgestellt, wie lückenhaft der Kontakt der aktiven Ermittler zu den Opfern war, obwohl dies ständig gewährleistet sein müsste.

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Beitrag von Christoph Reinhardt

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