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Quelle: IMAGO / Moritz Müller, MIS

Keeper von Union und Hertha

Wie Rönnow und Christensen Berlin zu Dänemarks Torhüter-Hauptstadt machen

Es wird ein ungewohntes Bild bei der WM in Katar: Hertha-Keeper Christensen und Unions Rönnow werden wohl gemeinsam auf einer Bank sitzen. Warum die Dänen ganz verschiedene Torwart-Typen sind - und was sie auszeichnet. Von Sascha Felter

Zur Fifa-WM werden wahrscheinlich gleich beide Berliner Bundesliga-Vereine ihre Stamm-Keeper nach Katar schicken - und das für ein- und dieselbe Nation. Auch wenn für Dänemark aller Voraussicht nach Routinier Kasper Schmeichel das Tor hüten wird, dürfte es danach nur eine Frage der Zeit sein, bis entweder Frederik Rönnow vom 1. FC Union oder Oliver Christensen von Hertha BSC zur Nummer eins bei den Skandinaviern ernannt wird.

Während es sich der eine durch seine Beharrlichkeit und sachliche Arbeit verdient hat, besticht der andere durch seine Extrovertiertheit. Es sind zwei Torhüter, die in ihrer Spielweise unterschiedlicher nicht sein könnten, aber dennoch das gleiche Ziel verfolgen. Eine Analyse von Sascha Felter (Podcast 'Keeperanalyse' beim Blog 'Cavanis Friseur').

Quelle: imago images/Eibner

Frederik Rönnow: Der richtige Mann am richtigen Ort

Nach Jahren des Suchens hat der mittlerweile 30-jährige Frederik Rönnow in Köpenick sein Glück gefunden. Weder bei seiner vorherigen Bundesliga-Station bei Eintracht Frankfurt noch bei Schalke 04 hatte man ihm zuvor langfristig das nötige Vertrauen gegeben.

Wozu Rönnow in der Lage ist, wenn er es bekommt, ist aktuell zu beobachten: Er ist zwar weder ein Weltklasse-Torhüter und auch zu den besten Bundesliga-Keepern wird er von vielen Expert:innen nicht gezählt. Aber ketzerisch gefragt: Welcher von allen Spielern aus dem Union-Kader gehört denn tatsächlich zu den besten seiner Zunft? Der dänische Schlussmann gesellt sich in die Riege seiner Kollegen, die perfekt zum Fußball Urs Fischers passen.

Unser Verein: "Eisern Union!"

Vom ewigen Außenseiter zum Überraschungsteam des deutschen Fußballs: Der Film erzählt die Geschichte des 1. FC Union Berlin – quer durch die Jahrzehnte. Eine Dokumentation über das Auf und Ab eines Fußballvereins – und über das Glück und Leid der Menschen, die sich ihm verschrieben haben.

Rönnow ist kein so sauberer Fußballer wie Gladbachs Yann Sommer und er verteidigt auch nicht so konsequent hinter der Kette wie Bayerns Manuel Neuer. Dass der 30-Jährige kein solches Alleinstellungsmerkmal hat, spricht per se nicht gegen ihn. Denn im Gesamtpaket ist er ein sehr solider Keeper, der einfach wenige Fehler macht.

Auf der Linie hat er zum Beispiel eine starke Beinarbeit. Fehlende Sprungkraft oder Größe kann der 1,88-Meter-Mann durch schnelle Zwischenschritte kompensieren. Dadurch kann er auch im Eins-gegen-Eins flexibel auf Situationen reagieren.

Gegen den BVB gab es zuletzt eine Szene gegen Marco Reus, in der die Parade leicht aussah. Rönnow versteifte sich nicht zu früh auf eine Aktion. Nachdem Reus den Ball noch einmal an Timo Baumgartl vorbeilegte, schob der Schlussmann nach und machte Druck. Dadurch hatte der Dortmunder keine andere Wahl als ihn anzuschießen.

Interview | Union-Präsident Dirk Zingler

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Bricht man das Torwartspiel auf das Wesentliche herunter, geht es nur um eine Frage: "Mache ich Druck oder verschaffe ich mir Zeit?" Das gilt natürlich nur für die Situationen, in denen der Gegner den Ball hat. Und genau bei dieser Frage trifft der Union-Keeper fast immer die richtige Entscheidung.

Auch hier dient das BVB-Spiel als Anschauungsmaterial. In der zweiten Halbzeit legte sich Youssoufa Moukoko den Ball an Knoche vorbei in Richtung des Fünfmeterecks. Wohlwissend, dass der Winkel spitz ist, machte Rönnow nicht zu viel Druck. Dieser hätte nicht nur seine Reaktionszeit minimiert, sondern womöglich wäre er auch zu spät zum Stehen gekommen und hätte dadurch nicht die nötige Balance gehabt. Am Ende konnte er den Ball mit der linken Hand über das Gehäuse lenken. Es sind die kleinen Feinheiten, die sein Torwartspiel derzeit so gut machen.

Genauso die Tatsache, dass er bei Flanken enorm mutig ist. Nach Oliver Baumann hat er die beste Abfangquote (9,9 Prozent) von allen Bundesliga-Keepern. Ein häufig unterschätztes Mittel, um als Torhüter Ruhe von hinten auszustrahlen.

Quelle: imago images/Nordphoto

Oliver Christensen: Der proaktive Gegenpol

Im Gegensatz dazu hat die Hertha mit Oliver Christensen einen anderen Towarttypen. Während Rönnow sich bei der Frage Druck oder Zeit oft für die Zeit entscheidet, schlägt das Pendel beim 23-Jährigen meist in die andere Richtung aus. Das ist aber kein jugendlicher Leichtsinn. Er agiert nicht kopflos und bietet Stürmern die Möglichkeit für Lupfer oder Dribblings um ihn herum an. Die Nummer eins der "alten Dame" ist einer der proaktivsten Keeper der Liga.

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Im Grunde sieht man Christensen fast jedes Mal zwei bis drei Schritte nach vorne gehen, sobald der gegnerische Angreifer in die Elfmeterzone eindringt. Aufgrund seiner Athletik und der Schnelligkeit, die bei ihm noch einmal höher ist als bei seinem Landsmann in Köpenick, kann er die eine oder andere falsche Entscheidung noch korrigieren. Unter Neu-Coach Sandro Schwarz kommen seine Stärken gut zum Vorschein. Bei den Trainern der Vorsaison, die deutlich passiver spielen ließen, wäre er wohl nicht so sehr in den Fokus gerückt.

Wobei Tor-"Hüter" gar nicht die richtige Bezeichnung ist. Vielfach sieht man, wie Christensen hinter der Kette verteidigt. Zwar trifft er noch nicht jedes Mal die richtige Entscheidung beim Herauslaufen, aber diesen Mut braucht Schwarz, um ein hohes Pressing spielen zu können.

Nach elf Spieltagen hat der Hertha-Keeper (17) nach Manuel Riemann (32) und Robin Zentner (20) die meisten Defensivaktionen außerhalb des Strafraumes vorzuweisen. Rönnow hat im Gegensatz nur sieben klärende Aktionen gezeigt. Das verdeutlicht noch einmal die unterschiedlichen Spielideen beider Berliner Klubs.

Dass noch nicht alles bei ihm perfekt ist, ist auch klar. Der ständige Weg nach vorne - die Entscheidung für das Druckmachen -, ging im Spiel gegen den SC Freiburg zum Beispiel schief, als er einen Freistoß abfangen wollte. Den Ball zu attackieren, war aufgrund der Flugbahn und der Geschwindigkeit nachvollziehbar. Nur muss er sich am Ende konsequenter am Mann durchsetzen, um den Ball zu fangen. Oder aber er entscheidet sich dafür, den Ball zu fausten.

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Und gewissermaßen liegt hier auch der große Unterschied zwischen beiden Keepern. Während Rönnow fast immer eine klare Situation vorfindet, in der er zurückhaltender agieren kann, muss sich Christensen häufiger zwischen Druck und Zeit entscheiden. Es handelt sich um Entscheidungen, die in Sekundenbruchteilen getroffen werden müssen. Da ist es bei einem 23-Jährigen, der seine erste Bundesliga-Saison bestreitet, nachvollziehbar, dass noch nicht alles fehlerfrei funktioniert.

Wem gehört die Zukunft im dänischen Tor?

Die Weltmeisterschaft wird mutmaßlich Kasper Schmeichels letztes großes Turnier mit den Dänen sein. Ohnehin ist der bald 36-Jährige schon jetzt angezählt. Bei seinem neuen Klub in Nizza soll er nicht immer mit der Spielweise Lucien Favres zurechtkommen. Vielfach fand er sich deshalb sogar schon auf der Bank wieder.

Soweit wird es in Katar bei der Nationalmannschaft nicht kommen. Aber für die Zeit danach ist "Danish Dynamite" bestens auf dieser Position aufgestellt. Während Rönnow wohl der direkte Schmeichel-Nachfolger werden wird, dürfte Christensen bei entsprechender Entwicklung mittel- bis langfristig die Nummer eins sein.

Beitrag von Sascha Felter

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