Fußball in der Energiekrise - Sport im Schummerlicht

Mi 12.10.22 | 08:03 Uhr | Von Friedrich Rößler
  5
Das Berliner Olympiastadion mit sparsamer Beleuchtung(Bild: imago images/Nordphoto)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.10.2022 | Friedrich Rößler | Bild: imago images/Nordphoto

Weniger Flutlicht, keine Rasenheizung: Fußballvereine in Berlin und Brandenburg drehen an vielen Schrauben, um Energie einzusparen. Profiklubs haben es da wesentlich leichter als Amateurvereine. Von Friedrich Rößler

Plötzlich wurde es finster im Olympiastadion. Das hatte beim Sonntags-Heimspiel am 9. Spieltag gegen den SC Freiburg (2:2) aber nichts mit der Spielweise von Hertha BSC zu tun, sondern mit dem Licht. Die mehr als 40.000 Fußballfans wunderten sich in der zweiten Halbzeit, als die Zuschauerränge gar nicht mehr und der Rest des Fußballtempels, abgesehen vom Spielfeld, nur bedingt beleuchtet wurden.

Die vorweihnachtliche Stimmung im Olympiastadion entpuppte sich als Experiment der Deutschen Fußball-Liga(DFL) in enger Abstimmung mit Hertha BSC und der Olympiastadion GmbH. "Im Zuge der Möglichkeiten für Energie-Einsparungspotenziale hatten wir ja bereits das grundsätzlich geforderte Flutlicht bei 15:30 Uhr-Spielen reduziert. Nun als Test auch bei einem 17:30 Uhr-Spiel", sagt Hertha-Sprecher Marcus Jung auf Anfrage von rbb|24.

Immer Flutlicht laut Fernsehvertrag

Der wichtigste Faktor beim Dimmen der Helligkeit im Olympiastadion sei die Qualität für die TV-Übertragung. "Es war ausreichend hell und es gab keine Beschwerden", berichtet Hertha-Sprecher Jung. Man werde alles auswerten und anschließend entsprechende Anpassungen vornehmen.

Eingeschaltetes Flutlicht bei allen Spielen, das schreibt der Fernsehvertrag vor, den alle Profiklubs der 1. und 2. Bundesliga unterschrieben haben. Es geht dabei um eine bessere Auflösung der Bilder und um einen einheitlichen Look bei Konferenzschaltungen. Wenn es in Berlin heiter bis wolkig ist, in Bremen stark bewölkt und in München sonnig, wären die Unterschiede für die Zuschauer störend.

In Zeiten von Energieknappheit und staatlich angeordneten Sparmaßnahmen wirkt aber eher eine voll aufgedrehte Beleuchtung in den Stadien irritierend. Deswegen handeln und testen die DFL und Profiklubs jetzt, wie sich weiterhin die Energiekosten senken lassen.

Flutlicht nur geringer Anteil an Energieverbrauch

Das Berliner Olympiastadion ist da bereits auf einem guten Weg. Seit Jahresbeginn wird auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage installiert, "die zukünftig zwölf Prozent der auf Jahressicht vor Ort benötigten Energie produzieren wird". Das sagt Thomas Margraf, Sprecher der Olympiastadion Berlin GmbH.

Im Jahr 2020 hat der Eigentümer des Fußballstadions, in dem Hertha BSC seine Heimspiele austrägt, die gesamte Beleuchtung auf LED-Technologie umgerüstet. "Dadurch sparen wir im Vergleich zur vorherigen Anlage 50 Prozent Strom ein", ergänzt Margraf. Außerdem sei die neue Anlage besser zu steuern. Der Flutlichtanteil mache aber nur einen einstelligen Prozentsatz aus, wenn es um den gesamten Energieverbrauch an einem Bundesligaspieltag geht. Es muss also an weiteren Stellschrauben gedreht werden.

SV Babelsberg fordert Abschaffung der Rasenheizung

In der durch die WM in Katar verursachten verlängerten Winterpause von Mitte November bis Januar wolle man im Olympiastadion die Rasenheizung komplett abschalten und in einigen Stadionbereichen Temperaturabsenkungen vornehmen. Zudem seien bereits seit einigen Wochen die Entmüdungsbecken im Heim- und Gastbereich außer Betrieb genommen worden. Laut Hertha-Sprecher Jung arbeite man bereits an einer Liste, wie sich auch im Training Energie sparen ließe.

Auf einen kompletten Verzicht der Rasenheizung pocht man dagegen beim Regionalligisten SV Babelsberg 03. In einem offenen Brief an die DFL, den Deutschen Fußball-Bund und weiteren regionalen Verbänden hatten die 03er ihre Forderung bereits Mitte September formuliert. "Wir halten den Betrieb dieser energieintensiven Einrichtung in Zeiten brennender Wälder und angesichts des Klimawandels für irrsinnig", sagt Vorstandsmitglied Katharina Dahme auf Anfrage von rbb|24.

Keine Rasenheizung in der Regionalliga Nordost vorgesehen

40.000 Menschen hätten bisher die Online-Petition unterschrieben, doch von den Verbänden gäbe es bisher keine Reaktion. "Wir haben aber einen Antrag beim Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) eingereicht, das Anliegen beim kommenden Verbandstag zu diskutieren und eine Unterstützung zu beschließen", erzählt Dahme.

NOFV-Geschäftsführer Holger Fuchs bestätigt das gegenüber rbb|24 am Telefon. Uwe Dietrich, Spielausschuss-Vorsitzender beim NOFV, schreibt dazu: "In der Regionalliga Nordost ist der Spielbetrieb unter Nutzung von Rasenheizungen nicht vorgesehen."

Das dürfte auch den FC Energie Cottbus freuen, denn sein Stadion der Freundschaft besitzt eine solche Rasenheizung, im Gegensatz zum Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion. "Die Kosten für den Betrieb sind enorm. Wir konnten den Einsatz im Dezember 2021 vor dem Spitzenspiel gegen den BFC Dynamo beispielsweise nur realisieren, weil mehrere Sponsoren dafür zusammengelegt haben", sagt Energie-Sprecher Stefan Scharfenberg-Hecht.

In Cottbus liegen die Kosten für einen Spieltag im Durschnitt im vierstelligen Bereich, beim SV Babelsberg hat man um die 60.000 Euro pro Saison errechnet. Zum Vergleich: Hertha BSC muss pro Heimspiel 300.000 Euro an den Vermieter zahlen.

Landesverbände bieten Hilfe an

Katharina Dahme prognostiziert für 2023 aufgrund von steigenden Energiekosten eine Summe von 220.000 bis 260.000 Euro, auch Scharfenberg-Hecht rechnet mit einem deutlichen Anstieg. Die Rasenheizung bleibe schon in dieser Saison kalt, "denn mit den gestiegenen Preisen werde das kaum darstellbar sein." Das bedeutet, dass es wieder Spielausfälle in der Regionalliga Nordost geben wird.

Um die Energiekosten bei Fußballklubs in den unteren Ligen zu senken, bieten sowohl der Berliner Fußball-Verband (BFV) als auch der Fußball-Landesverband Brandenburg (FLB) Hilfestellungen für ihre Amateurvereine an. Beim FLB zum Beispiel seien die Schwerpunkte Energiesparmaßnahmen für Vereinsgebäude, den Spielbetrieb und Flutlichtanlagen.

Im Gegensatz zum Profibereich können Amateure erst nach der Arbeit trainieren oder spielen. Im Winter heißt das Flutlicht an auf den Plätzen. Die Hertha-Profis zum Beispiel können tagsüber am Ball üben und werden dafür bezahlt. Im unterklassigen Fußball müssen die Spieler über ihren Mitgliedsbeitrag ihr Training oft selbst finanzieren.

Nachtragshaushalt für Berlin in Vorbereitung

Steigende Energiekosten stellen die Vereine da vor große Probleme. Anne Engel, Geschäftsführerin vom FLB, spricht daher von "einem guten Zeichen, dass Rettungsschirme von der Landesregierung auf den Weg gebracht worden sind" Sie hofft, "dass das auch überall ankommt."

Sabine Bieler, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport, macht den kleinen Vereinen ebenfalls Hoffnung. "Zur Abfederung der massiven Energiekostensteigerungen plant der Senat neben dem beabsichtigten Entlastungspaket des Bundes ein Berliner Entlastungspaket für Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen." Ein Nachtragshaushalt befinde sich bereits in der Vorbereitung, die gestiegenen Bedürfnisse des Sports seien entsprechend angemeldet worden.

Energiesparen beim FSV Luckenwalde

Wie Energiesparen in der Praxis aussieht, berichtet Marcel Hadel vom FSV Luckenwalde. Seit drei Wochen benutze man nur die Hälfte des Platzes beim Training und habe die Übungen entsprechend komprimiert. "So müssen wir weniger beleuchten", berichtet der Innenverteidiger, dessen Team nur aus Amateurkickern besteht.

Das Duschen sei kurz und nicht mehr "so schön heiß wie früher", das Entspannungsbecken und die Sauna würden nur noch halb so viel wie vor den verordneten Energiesparmaßnahmen genutzt. Und auch in der Halle achte man sehr penibel darauf, dass das Licht, wo es nicht gebraucht wird, sofort ausgeschaltet wird.

"Auf Eis im Winter zu spielen, sind wir gewohnt. Die Flutlichtspiele sind dabei immer etwas ganz Besonderes für uns Spieler", sagt der 33-Jährige. In Luckenwalde wolle man jetzt in den nächsten Wochen auf LED-Lampen umstellen, um noch mehr Energie zu sparen. Der Fußball in Berlin und Brandenburg scheint sich auf die Energiekrise besser vorzubereiten als auf die Corona-Pandemie. Allerdings lässt sich noch schwer abschätzen, wie sehr Vereine, Verbände, Länder, Kommunen und die Politik gefordert sein werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.10.2022, 15:14 Uhr

Beitrag von Friedrich Rößler

5 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 5.

    Seit Jahren schlage ich vor im Rhythmus des Jahreskalender zu spielen. Wie in Norwegen. Im Sommer wären auch die Stadien voller. Saison von April bis Oktober. Mein Vorschlag

  2. 4.

    Es gab Zeiten, wo selbst die 1. Bundesliga ohne Rasenheizung und Flutlicht (letzteres nur bei internat. Spielen) auskommen mussten. Die Spielpläne wurden immer dichter belegt. Aber der Kommerz will immer noch einen drauf setzen, so dass am Ende vllt. auch Silvester um Mitternacht Fußball gespielt wird. Nein danke, das brauche ich nicht! Die kleinen Vereine kämpfen ums Überleben. Wenn das so weitergeht, werden die Spieler Holz und Kohle selbst mitbringen, für Lagerfeuer und Warmwasser...

  3. 3.

    Die Sanktionen wirken bei uns Deutschen

  4. 2.

    Wozu eine Rasenheizung? Die öffentlichen Planschbecken werden kälter, aber die Ameisen haben ein warmes Popöchen. Irgendwie unlogisch. Ja, und das Licht ....
    "Es geht dabei um eine bessere Auflösung der Bilder und um einen einheitlichen Look bei Konferenzschaltungen."
    Hauptsache hübsch - dekadenter geht's nimmer.

  5. 1.

    Tja man siehet die im Lichte die im Dunkeln sieht man nicht. Typisch Zweiklassengesellschaft.

Nächster Artikel