Hertha-Niederlage in Dortmund - Es fehlt nicht viel

Mo 20.02.23 | 06:52 Uhr | Von Marc Schwitzky
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BVB-Spieler Julian Brandt jubelt, Hertha-Spieler Marc Oliver Kempf guckt frustriert (Bild: Imago Images/Moritz Müller)
Video: Sportschau | 19.02.2023 | Bild: Imago Images/Moritz Müller

Hertha BSC verliert deutlich mit 1:4 in Dortmund, jedoch waren die Berliner alles andere als chancenlos. Die Gründe für die Niederlage sind schnell gefunden und sollten keine Panik aufkommen lassen – entscheidend wird der Umgang mit ihnen sein. Von Marc Schwitzky

15 zu zwölf Schüsse, acht zu fünf davon auf das Tor.

119,4 zu 111,8 gelaufene Kilometer.

238 zu 204 Sprints.

84 zu 86 gewonnene Zweikämpfe.

43 zu 57 Prozent Ballbesitz – viele der Spielwerte vom Sonntagabend lassen ein recht ausgeglichenes Spiel vermuten. Und doch verliert Hertha BSC durchaus deutlich mit 1:4 bei Borussia Dortmund.

Die eben genannten Zahlen lassen bereits erahnen: Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen Leistung und Ergebnis. "Meines Erachtens war das kein 4:1-Spiel, es ist ein komisches Ergebnis für eine eigentlich gute Leistung von uns", findet auch Marco Richter nach dem Abpfiff. Die Gründe, weshalb die Berliner trotz eines lobenswerten Auswärtsspiels eine herbe Niederlage kassiert haben, sind schnell gefunden.

Hertha beginnt gut, das 3-5-2 funktioniert

Doch zunächst zu den Gründen, weshalb die Blau-Weißen überhaupt von einem guten Auftritt sprechen können. Erneut schickt Trainer Sandro Schwarz seine Mannschaft im noch neuen System aufs Feld. Im 3-5-2 nimmt er keinerlei personelle Veränderungen vor – der 4:1-Sieg über Borussia Mönchengladbach hat auch keinen Anlass dazu gegeben. Hertha schafft es, den Schwung aus dem Heimsieg mit nach Dortmund zu nehmen, von Beginn an spielen die Berliner mutig auf.

Das 3-5-2 hat der Mannschaft offensichtlich neue Sicherheit gegeben. Die Abläufe mit und gegen den Ball wirken deutlich souveräner und homogener als noch in den Wochen zuvor. Dazu trägt auch Tolga Cigerci sichtlich bei. Der Winterneuzugang ist auf Anhieb zur zentralen Figur des Berliner Spiels geworden, auf der Sechs dirigiert er durchgehend, bestimmt Tempo und Abstände seines Teams. Seine Passsicherheit, Präsenz und Laufstärke verleihen Hertha neue Balance.

Zwar hat der BVB von Anfang an mehr Ballbesitz, doch beherrscht Hertha die Begegnung in den ersten 20 Minuten durch hervorragendes Verhalten gegen den Ball, hohe Ballgewinne und schnelles Spiel in die Tiefe. Hertha wirkt insgesamt agiler und körperlich robuster. Die von Schwarz geforderte Intensität ist in jeder Aktion zu sehen. In der 21. Minute hätte der Hauptstadtklub in Führung gehen können, Florian Niederlechner und Marco Richter ließen die aussichtsreiche Doppelchance jedoch ungenutzt.

Der entscheidende Unterschied

Die mangelnde Effizienz, sie begleitet Hertha während des kompletten Spiels – sowohl im eigenen Angriff als auch im Verteidigen. Nachdem die Berliner ihre ersten Chancen liegen lassen und somit ihr Momentum nicht in eine Führung ummünzen, zeigt der BVB, wie es gehen kann. In der 25. Minute erzielen die Schwarz-Gelben aus dem Nichts das 1:0. Das erste Mal steht Hertha gegen den Ball nicht perfekt gestaffelt, was sofort bestraft wird. Ein Ballverlust im Mittelfeld landet bei Marco Reus, der den gebotenen Platz gut nutzt, bis zum Strafraum marschiert und schießt. Sein Schuss wäre allerdings deutlich am Tor vorbei gegangen, doch steht Karim Adeyemi zufällig goldrichtig. Der so formstarke Angreifer verwandelt eiskalt per Hacke zum 1:0.

Nur zwei Minuten später erhöht Donyell Malen auf 2:0. Erneut findet Hertha in der Rückwärtsbewegung keinen Zugriff, erneut ist es Adeyemi, der durch seine individuelle Klasse – dieses Mal spielt er sein unwiderstehliches Tempo aus – das Tor ermöglicht. Er setzt sich im Sprint gegen den bemitleidenswerten Filip Uremovic durch, flankt und findet den perfekt eingelaufenen Malen, der einnetzt.

Es sind die zwei Minuten, die symbolisch für den entscheidenden Unterschied am Sonntagabend stehen: Form und individuelle Klasse. Während Hertha momentan für jeden gewonnen Zweikampf und jede Torchance hart arbeiten muss, fliegen dem BVB, der bislang jedes Spiel im neuen Jahr gewonnen hat, die Dinge regelrecht zu. Hinzu kommen geniale Einzelaktionen von Ausnahmespielern wie Adeyemi oder Reus, die Hertha trotz gutem Auftritt vor unlösbare Momente stellen.

Hertha beweist Widerstandsfähigkeit

Rückstände haben in den ersten Partien des neuen Jahres dazu geführt, dass Hertha dramatisch in sich zusammengebrochen ist. Doch wie schon vergangene Woche gegen Gladbach beweist die „alte Dame“ auch in Dortmund Moral. In der 47. Minute führt das Engagement zum verdienten Anschlusstreffer. Ein energischer Ballgewinn im Mittelfeld wird schnell wie präzise in den Dortmunder Strafraum getragen, wo letztendlich Lucas Tousart zum Abschluss kommt und sehenswert zum 1:2 einnetzt.

Die Gäste kommen regelrecht aufgepeitscht in die zweite Halbzeit und kreieren aus der eigenen Stärke heraus ein Momentum. Wie Jagdhunde stürzen sich Tousart, Serdar, Richter und Co. auf den Dortmunder Ballbesitz, der BVB kommt zunächst nicht zum Durchatmen. Als Dortmund Herthas Angriffswelle um die Stundenmarke überstanden hat, wiederholen sich die Ereignisse aus dem ersten Durchgang. Ein Handspiel des eingewechselten Agustin Rogel lädt Reus zum direkten Freistoß ein, den er gekonnt zum 3:1 verwandelt - erneut schlägt die Dortmunder Effizienz den eigentlich ausgeglichenen Spielverlauf.

Hertha läuft infolgedessen unermüdlich an, doch wie schon davor fehlt es bei jedem Angriff an der entscheidenden Kaltschnäuzigkeit. Stattdessen darf der BVB nochmal. Jamie Bynoe-Gittens setzt zu einem wunderbaren, unaufhaltsamen Dribbling an, steckt auf Julian Brandt durch, der allein vor Torhüter Oliver Christensen zum 4:1 einschiebt. Erneut ist es die individuelle Klasse des BVB, gepaart mit einer beflügelnden Formkurve, der Hertha einfach nicht gewachsen ist.

Gegen Augsburg kommt es darauf an

Am Ende steht mit dem 1:4 die zwölfte Niederlage der laufenden Saison. Sie ist jedoch keine, die beispielsweise mit den Auftritten im neuen Jahr gegen den VfL Bochum, VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt zu vergleichen ist. Gegen Dortmund hat Hertha sogar eine der besseren Saisonleistungen gezeigt. "Effizienz war der ausschlaggebende Punkt. Wir haben viel investiert, können viel in Sachen Arbeit gegen den Ball, Intensität und schnelles Umschalten mitnehmen. Wir waren heute extrem widerstandsfähig, ich habe riesigen Respekt vor meiner Mannschaft. Das ist der Weg", hält Trainer Schwarz fest.

Die Leistung gegen den BVB ist nicht weit von der gegen Gladbach entfernt, nur stand am Sonntag ein aktuell über den Dingen schwebender Gegner auf dem Feld, dem die Berliner nicht gewachsen waren. Hertha begegnete Dortmund über weite Teile der Begegnung auf Augenhöhe und bereitete der Champions-League-Mannschaft immer wieder große Probleme. "Wenn wir so auftreten, haben wir eine Chance. Deshalb bin ich positiv gestimmt", so Florian Niederlechner.

Aufgrund der Kräfteverhältnisse konnte Dortmund nur ein Bonusspiel für Hertha sein. Der Auftrag war, die Leistung vom 4:1 über Gladbach einigermaßen zu konservieren, weitere Sicherheit in die Abläufe des neuen Systems zu gewinnen und dadurch mit brauchbarem Selbstvertrauen in die so wichtige Partie am kommenden Samstag gegen den FC Augsburg zu gehen. Trotz des 1:4 sind all diese Punkte erfüllt worden.

Nun gilt es, die goldene Mitte zwischen kritischer Aufarbeitung des Ergebnisses und lobender Einordnung der eigentlich ordentlichen Leistung zu finden. Klar ist: Für das Duell gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf wird eine gute B-Note nicht ausreichen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

25 Kommentare

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  1. 24.

    Leider haben Sie nicht verstanden, wie und was ich meine(te).
    Und ich bin bei Leibe kein Fan der 777, wie Sie an der Vielzahl meiner Kommentare lesen kann.

  2. 23.

    Nochmals, ich moderiere garnichts
    Solange Meinungsfreiheit besteht werde ich meine Meinung zu Hertha Preisgeben
    Ihr Herthaner müsst halt mit vielen kritischen Kommentaren fertig werden

  3. 22.

    @Nils
    Wenn man Meinungen und Kommentare "moderiert" ist es, selbst zu hiesigen Themen, mit der Meinungsfreiheit vorbei.

  4. 21.

    @Dirk: Guter Kommentar, ich empfinde das als neutraler außenstehender Beobachter ähnlich wie Sie.

    Abgerechnet wird zum Schluss und ich drücke mittlerweile Hertha die Daumen für den Klassenverbleib und die Möglichkeit weiterer Stadtderbys.
    Bin gespannt auf das Spiel gegen Ausgsburg und insbesondere auf Niederlechners Performance gegen sein altes Team.

  5. 20.

    Zur Meinungsfreiheit gehört, dass man über einen Artikel mit dem Kopf schütteln und sich eine Bemerkung erlauben darf: Erst einmal hat der BVB offenbart, auch gegen den FCA, dass er hinten sehr anfällig ist, wenn man denn konzentriert abschließen würde.
    FAKT ist: Hertha hat 1:4 verloren und im permanenten Abstiegskampf, in dem sich die Hertha seit drei Jahren befindet, zählt ausschließlich das Ergebnis, nicht mehr und nicht weniger.
    Es interessiert sich kein Mensch, kein Hertha-Anhänger oder Sympathisant mehr dafür, wie es zustande kam.
    Die Hertha ist die einzige Mannschaft die ich kenne, die auch nach einem 1:4 sagt: Wir haben klasse gespielt, wir haben super gespielt.
    Das ist jämmerlich und erbärmlich, aber besonders drauf haben die stets unter der Woche gut trainierenden Versager folgendes: Vor einem kommenden Heimspiel (!) zu sagen, wir sollten punkten und somit bereits ein Alibi für ein 1:1 gegen den FCA parat zu haben, auch deshalb ist der BSC die Lachnummer Deutschlands.

  6. 19.

    Ich finde den Artikel absolut schlüssig und richtig analysiert. Mich als Fan von Hertha BSC, der jahrelang leidgeprüft schlechte Spiele meines Herzensvereins miterleben musste, stimmt diese Entwicklung aus den letzten Spielen auf dem Rasen postiv. Man sieht eine Mannschaft die füreinander kämpft und spielt, gespickt mit Berliner Jungs die sich reinhauen und alles geben. Das hätte ich mir so schon seit Jahren gewünscht und das wäre auch schon vor den Windhorst-Millionen für mich der richtige Weg gewesen. Vielleicht ist das der Turnaround und vielleicht mussten wir uns erst europaweit mit den herausgeschmissenen Millionen lächerlich machen, Fest steht für mich, dieser eingeschlagene Weg wird von dem Großteil der Fans unterstützt! Egal ob Hertha am Ende der Saison absteigt oder nicht, so will und werde ich meine Hertha spielen kämpfen und auch bald wieder siegen sehen.

  7. 18.

    Es fehlt nicht viel. Da fehlen den vielen Hertha-Fans bestimmt die Worte. Sind das die ersten Durchhalteparolen? Als Nächstes kommt bestimmt der berühmte Spruch: "Es gibt noch genug Spiele."

  8. 17.

    Das macht nichts
    Solange Meinungsfreiheit besteht werde ich meine Meinung zur jetzigen Situation des Vereins schreiben
    Da muss auch der Herthaner mit fertig werden

  9. 16.

    Sorry, meine Antwort sollte sich natürlich auf den lieben Nils beziehen.
    Bin in der Zeile verrutscht

  10. 15.

    Fakt ist doch das Hertha BSC zu viele Gegentore bekommt
    Wenn man 4 Tore bekommt kann man nicht zufrieden sein
    Trotz allem Kampfgeist und Wille reicht es halt nicht

  11. 14.

    Es wird aber auch nach Niederlagen gegen die direkten Abstiegskonkurenten viel Schöngeredet, anstatt die Ursachen für die Niederlagen und die Situation des Vereins zu Analysieren
    Fakt ist das Hertha 4 Gegentore Draufbekommen hat.

  12. 13.

    Keiner redet die Niederlage schön. Weiß nicht, wo sie das lesen.
    Aber es hat wohl auch niemand damit gerechnet, dass Hertha Dortmund mal eben so weghaut. Viel schlimmer sind die Niederlagen und schlechten Spiele gegen die direkten Konkurrenten.
    Schönreden und Hoffen der Fans sind immer noch zwei unterschiedliche Dinge.

  13. 12.

    "Es fehlt nicht viel", da kann man ja nur gratulieren! Aber mal ehrlich, mit einem 1:4 im Gepäck kann man doch nicht wirklich glücklich sein, auch wenn man aus Dortmund kommt. Gegen Augsburg ist ein Sieg absolut notwendig, mal sehen ob der Verein diesen Druck aushält?

  14. 11.

    Einfach herrlich, wie man sich eine 1:4 Niederlage in dieser Situation wieder mal schön redet. Ihr habt verloren, egal wie und nur das zählt.

  15. 10.

    Auch wenn man das Ganze durch deine Vereinsbrille betrachtet, könnte man den Artikel mal aufmerksam lesen und dabei feststellen, dass dieser absolut zutreffend das gestrige Spiel Herthas analysiert. Auch den erforderlichen Konsequenzen ist nichts hinzuzufügen. So wird Hertha nicht absteigen.

  16. 9.

    @ Rainer, an einem Spiel erklären Sie den Unterschied zwischen Hertha und Union? Irgendwie könnten Sie mit Nils in einer Mannschaft spielen.

  17. 8.

    Ja Nils, da gebe ich ihnen Recht. Hertha darf jetzt nicht den Fehler machen,den Trainer zu entlassen. Mit Schwarz wurde endlich ein Fortschritt sichtbar, nun fehlt noch die Effizienz.

  18. 7.

    Es gibt aber noch ein Unterschied zu Union
    Union ist Punktgleich mit dem Tabellenführer, zufällig ist das der FC Bayern
    Niederlagen können passieren, aber nicht die ganze Saison wie es bei Hertha so ist, beziehungsweise seit Jahren bis auf wenige Ausnahmen

  19. 6.

    Schade,ein wirklich gutes Spiel der Hertha geht mit 1:4 (viel zu hoch) verloren.
    Hauptproblem war die schlechte Chancenverwertung. Wenn Hertha so weiter spielt, und endlich die vielen Chancen nutzt,steigen sie nicht ab. Das ist eben der Unterschied zu Union, die holen in einem Grottenkick einen Punkt gegen den Tabellenletzten .

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