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Video: rbb24 Abendschau | 11.05.2024 | Marvin Wenzel | Quelle: rbb

Jilou Rasul

Berlins Breaking-Hoffnung für die Olympischen Spiele in Paris

Die in Berlin lebende Breakerin Jilou Rasul ist in ihrem Sport die Beste des Landes. Im Sommer will sie nach Paris, denn da wird Breaking das erste Mal eine olympische Disziplin sein. Von Marvin Wenzel

Mit dem Boden verbindet sie nur ihre rechte Hand: Jilou Rasul macht einen einarmigen Handstand, bei dem sie sich mehrere Male auf ihrem Ballen um die eigene Achse windet. Ihr Körper ist dabei gerade wie eine Kerze. Anschließend lässt sie sich auf ihre Beine fallen, nimmt eine aufrechte Haltung ein und macht einen Vorwärtssalto. Bei ihrem Training in der "Flying-Steps-Academy" in Kreuzberg wirkt sie so, als könne sie mit ihrer Tanzkunst die Gesetze der Schwerkraft aushebeln.

Mit ihren akrobatischen Sprüngen und Tanzschritten hat sich Jilou Rasul einen Namen gemacht: als beste Breakerin des Landes. Die Deutsche Meisterschaft und wichtigsten Breaking-Turniere in Deutschland hat sie bereits mehrere Male gewonnen. Nun trainiert sie täglich vier bis fünf Stunden für ihr nächstes Ziel in dem Sport, der den meisten unter dem Begriff Breakdance bekannt sein dürfte. "Mich zu qualifizieren für die Olympischen Spiele wäre ein Traum, der in Erfüllung geht", sagt Rasul, die als Künstlerinnennamen ihren Vornamen Jilou gewählt hat. Sie macht Dehnübungen vor einem Spiegel und sagt: "Ich liebe es, meine Kunst auf einer großen Plattform zu zeigen." Und da gebe es kaum eine größere Bühne als Olympia.

Inzwischen Vollprofi: Die 32-Jährige im Outfit der Nationalmannschaft. | Quelle: rbb

Breaking ist bei den Sommerspielen in Paris das erste Mal olympisch

Bei den Wettkämpfen in Paris wird ihr Sport das erste Mal eine olympische Disziplin sein. Passend dazu trägt Jilou eine schwarze Wollmütze und ein grünes T-Shirt mit einem Deutschland-Adler auf der Brust. Ihr Wettkampf-Outfit, falls sie es nach Paris schaffen sollte.

Im deutschen Breaking-Nationalteam ist sie bereits. Ihr langer Weg dorthin beginnt vor 17 Jahren vor dem Fernseher. Damals lebt sie noch in Köln, wo sie aufgewachsen ist. Sie sitzt mit ihrer Mutter auf der Couch und sieht eine Breaking-Crew in einer Tanzsendung. Damals ist sie 13 Jahre alt und noch Turnerin. Schnell geht sie in der Breaking-Kultur auf, die in den Siebzigerjahren in den Straßen New Yorks entstanden ist. Sie begeistert sich für die Freiheit der Bewegungen, die Hip-Hop-Musik und Offenheit der Szene.

"Breaking-technisch ist Berlin eine kleine Insel in Deutschland"

Vor knapp zehn Jahren zieht sie dann nach Berlin. "Breaking-technisch ist die Stadt eine kleine Insel in Deutschland", sagt sie. "Die Szene hier ist sehr stark und facettenreich." Damit meint sie Clubs mit Hip-Hop-Partys wie das Badehaus in Friedrichshain und Tanzschulen wie die Flying-Steps-Academy in Kreuzberg. Orte, die die Breaking-Kultur seit Jahrzehnten aufrechterhalten und Sportlerinnen wie ihr Trainings- und Begegnungsmöglichkeiten bieten. Die 31-Jährige sagt: "Breaking ist mein Leben: Ich reise für den Sport um die Welt und habe fast alle meine Freunde übers Breaking kennengelernt." Ihr Alltag besteht aus dem Training. Denn sie trainiert jeden Tag - ohne Ausnahme.

Parties, Musik- und Kultur-Events

Berlin feiert 50 Jahre Hip-Hop in 50 Wochen

Im August 1973 erfand ein New Yorker DJ den Hip-Hop-Beat. Im "HQforty4" in Friedrichshain wird der 50. Geburtstag der Musikrichtung gefeiert, die auch Berlin verändert hat. Mit 50 Wochen Party, Musik- und Kulturveranstaltungen. Von Marvin Wenzel

Bei "Breaking-Battles" treten die Tänzerinnen in einem K.o.-System gegeneinander an

Ihre Trainingsroutine besteht aus Ausdauer- und Krafttraining - und natürlich dem Breakingübungen, bei dem sie die schwindelerregenden Tanzbewegungen probt. Bei der "Windmühle" rollt sie ihren Oberkörper kreisförmig auf dem Boden über die Schultern und den Rücken, während sie ihre Beine V-förmig durch die Luft wirbelt. Sie sieht dabei aus wie ein menschlicher Helikopter, kurz vor dem Abheben. Ihre Form ist beeindruckend: Die Drehungen und Sprünge sitzen. Nur an wenigen besonders komplizierten Stellen ist sie noch ein bisschen wacklig. Zum Beispiel, wenn sie nach einem Vorwärtssalto wieder auf beiden Beinen landet.

Ihre "Moves", wie sie die Bewegungen nennt, muss sie schon in wenigen Tagen fehlerfrei präsentieren. Denn dann wird sie nach Shanghai fliegen zum Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele. Insgesamt 40 Breakerinnen sind in der letzten Runde, doch nur für zehn davon geht es im Sommer nach Paris.

Bei sogenannten Breaking-Battles muss sich die Berlinerin dann in einer Art Tanz-Zweikampf gegen ihre Kontrahentinnen durchsetzen. In einem K.o,-System treten sie gegeneinander an, eins gegen eins. Wer weiterkommt, entscheidet eine Jury anhand von Kriterien wie Originalität und Schwierigkeit des Tanzes. "Breaking hat einen super hohen Freestyle-Anteil", sagt Rasul: Kreativität und Improvisationskönnen spielen also eine enorm große Rolle. Die "B-Girls", wie sich die Tänzerinnen in der Szene nennen, bekommen von dem DJ einen Hip-Hop-Beat vorgelegt, den sie vorher nicht kennen, und müssen dann darauf reagieren.

"Wir haben jetzt eine Plattform, die vorher nie da gewesen ist": Jilou Rasul nach dem täglichen Training. | Quelle: rbb

"Ich kann zu 100 Prozent vom Breaking leben"

Jetzt, wo Breaking olympisch ist und immer mehr Aufmerksamkeit bekommt, haben sich die Bedingungen im Sport verbessert. Jilou sagt: "Wir haben jetzt eine Plattform, die vorher nie da gewesen ist." Breakerinnen und Breaker würden nun stärker von Sportverbänden und Tanzschulen unterstützt werden. Zudem sei nun etwas mehr Geld in dem Sport. "Ich kann zu 100 Prozent vom Breaking leben", sagt sie. Ihre Tanzkunst präsentiert sie auch auf Social-Media-Kanälen im Internet und in Werbevideos für große Sportmarken. Mit den Schuhen und Sport-Outfits ihres Hauptwerbepartners ist sie auch beim Training von oben bis unten komplett eingekleidet.

Bevor sie sich komplett auf den Sport konzentrieren konnte, hat Jilou auch Tanzunterricht gegeben und im Showbusiness gearbeitet. So war sie im Tabaluga-Musical von Peter Maffay zu sehen. Doch dafür hat sie schon lange keine Zeit mehr.

Denn heute liegt ihr Fokus komplett auf ihrer sportlichen Form und den Olympischen Spielen, für die sie neue "Special Moves" kreieren möchte. Das sind Bewegungsabläufe wie die Drehung im Handstand, kombiniert mit dem Vorwärtssalto, die sie einzigartig machen und ihr vor der Jury herausstechen lassen. Bei der letzten Breaking-Weltmeisterschaft hat sie es auf den 11. Platz geschafft. Wenn sie nach ihren Chancen für die nun anstehende Olympia-Qualifizierung gefragt wird, lacht sie und sagt: "Ich genieße das Tanzen mehr als je zuvor und bin auch besser geworden. Ich glaube, so zuversichtlich war ich lange nicht mehr."

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.05.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Marvin Wenzel

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