Lehrstuhl für ukrainische Geschichte - "Die Ukraine wurde im deutschen Diskurs als Teil Russlands angesehen"

Do 28.04.22 | 13:02 Uhr
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Bozhena Kozakevych
Audio: Antenne Brandenburg | 28.04.2022 | Bozhena Kozakevych | Bild: privat

An der Viadrina-Uni gibt es den einzigen Lehrstuhl für ukrainische Geschichte in Deutschland, an dem Bozhena Kozakevych arbeitet. Im Interview erinnert sie daran, dass die Sowjetunion mehr als Russland war.

Seit Russland Krieg gegen und in der Ukraine führt, ist das Interesse an der Ukraine gestiegen. In ganz Deutschland gibt es nur einen einzigen Lehrstuhl für ukrainische Literatur. Und an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) den einzigen Lehrstuhl für ukrainische Geschichte in Deutschland. Die wissenschaftlerin Bozhena Kozakevych arbeitet an diesem Lehrstuhl.

rbb|24: Frau Kozakevych, Sie kommen aus Lemberg in der Ukraine, sind aber schon viele Jahre in Frankfurt, erst als Studentin und jetzt als Wissenschaftlerin. Mit welchen Vorurteilen werden Sie oft konfrontiert?

Bozhena Kozakevych: Zum einen ist es die Gleichsetzung der Sowjetunion mit Russland und somit auch paradoxerweise, dass die Ukraine im deutschen Diskurs als Teil Russlands angesehen wurde. Man hat die russische Narrative übernommen, wenn man über die Ukraine hier in Deutschland gesprochen hat.

War das immer so?

Das fand ich immer sehr befremdlich, wie selbstverständlich Menschen die Sowjetunion "Russland" genannt haben. Das passiert immer noch und leider nicht nur in Küchengesprächen, sondern auch in der Fachliteratur.

Da sind wir schon beim Thema des Lehrstuhls. Was macht ukrainische Geschichte aus?

Die Ukraine ist ein vielfältiges Land – in nationaler, aber auch religiöser Hinsicht. Das war es auch immer. Es lohnt sich auf die Ukraine zu schauen, aber nicht nur ab 2014, sondern auch ins 19. Oder ins 20. Jahrhundert. Die Annahme, dass die Ukraine 1991 vom Himmel gefallen ist, ist ein bisschen vereinfacht. Damit wurde ich immer wieder konfrontiert.

Aber können nicht auch Russland-Experten kompetent zur Ukraine sprechen und forschen?

Wenn man jahrelang zu Russland geforscht hat, wird man nicht von einem Tag auf den anderen Experte in Ukraine- oder Polen-Themen.

Das verstehe ich. Warum ist die Ukraine-Forschung dann ausgerechnet hier in Frankfurt?

Die Viadrina ist ein prädestinierter Ort dafür, um mehr Ukraine-Forschung zu betreiben. Es gibt hier viele Kompetenzen. Nicht zu vergessen ist, dass man an der Viadrina auf Ukrainisch lernen kann. Das ist sehr wichtig für die angehenden Wissenschaftler, aber auch für unsere Kollegen, die in anderen Bereichen der Slawistik arbeiten und sich mit Ukraine-Themen beschäftigen möchten. Wir hoffen sehr darauf, dass es auch zur Professionalisierung der Ukraine-Studien kommen wird. Der Lehrstuhl war der erste Schritt und wir hoffen, dass es daraus ein Zentrum wachsen könnte.

Dieser Text ist ist eine verkürzte und redigierte Fassung des Interviews. Die Fragen stellte Andreas Oppermann.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.04.2022, 14 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Wirklich beschämend Deutschlands Politik der letzten 20 Jahre in Bezug auf Osteuropa. Da muss man sich wirklich für die SPD aber auch CDU schämen.

    Erinnert so ein bisschen an die Aufteilung Polens zwischen Hitler und Stalin bzw. Noch mehr an die gleiche Vereinbarung bezüglich den Baltischen Staaten.

    Ukraine? Gehört dir lieber Putin? Ja na dann bitte, aber denk dran schnell zu gewinnen und ein Terrorregime einzusetzen, damit wir schön weiter Gas kaufen können. Und bitte denk dran lieber Putin, keine Bilder von erschosdenen Kindern und Frauen ins Ausland kommen zu lassen. Hatte in Tschetschenien doch auch prima funktioniert.

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