Deutsch-polnische Konferenz in Frankfurt (Oder) - Situation in der Oder laut Umweltexperten weiter beunruhigend

Mo 27.03.23 | 19:37 Uhr
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Andreas Hein, Ranger bei der Naturwacht Brandenburg, steht mit Schutzbekleidung im deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder, nahe dem Abzweig vom Hauptfluss Oder und holt mit einem Kescher tote Fische aus dem Wasser. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: Brandenburg aktuell | 27.03.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die Sorge um die Oder ist weiter groß - die Gefahr eines neuen Fischsterbens nicht gebannt. Dies wurde am Montag auf einer Konferenz zur Situation des Grenzflusses deutlich. Umweltministerin Lemke regte dort mehrere Maßnahmen an.

Deutschland will mit einer Reihe von Maßnahmen eine neue Umweltkatastrophe in der Oder verhindern. Dazu gehört nach Worten von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auch der Vorschlag, ein grenzüberschreitendes Frühwarnsystem zu erarbeiten, mit dem unter anderem die Temperatur der Oder kontinuierlich überwacht wird, wie sie am Montag auf einer deutsch-polnischen Konferenz in Frankfurt (Oder) sagte.

Grüne richten Fachtagung in Frankfurt (Oder) aus

Zudem drängt Lemke Polen zu einer Verringerung der Salzeinleitungen. "Fakt ist: Die weiterhin hohen Messwerte sind mit Blick auf den Sommer höchst beunruhigend, und die Einleitungen müssen - wo immer das möglich ist - gestoppt oder mindestens deutlich reduziert werden", sagte sie bei der Konferenz zu den Problemen der Oder in Frankfurt (Oder). Ausrichter waren die Fraktionen der Grünen im brandenburgischen Landtag und im Bundestag. Auch polnische Politiker sowie Vertreter von Umweltorganisationen waren anwesend. Ihnen gegenüber sagte Lemke, dass die Untersuchungen zum Fischsterben in Polen noch nicht abgeschlossen seien. Bisher habe die polnische Regierung keine Verursacher der Salzeinleitungen genannt.

Alge weiterhin Bedrohung für die Oder

Experten gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und Gift einer Algenart, die sich aufgrund von Salzeinleitungen ausbreiten konnte, wesentliche Ursachen für das Fischsterben waren. Auf polnischer und deutscher Seite waren im August schätzungsweise mindestens 360 Tonnen Fische verendet.

Der Gewässerökologe Christian Wolter sieht den Fluss auch weiterhin in Gefahr. Die Alge könne bei relativ geringen Temperaturen wachsen, das sorge für eine angespannte Situation. Im vergangenen Jahr habe es eine "Algenwelle" in der Oder gegeben, jetzt herrschten "Dauerstadien". "Es kann sein, dass die Alge auf 300 Kilometer überall gleichzeitig anfängt zu wachsen. Da wissen wir noch gar nicht, was da passiert", stellte er auf der Konferenz dar.

Der Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin und seine Kollegen untersuchen in einem vom Bund bis 2026 geförderten Forschungsprojekt die Folgen des massenhaften Fischsterbens.

Mit Blick auf Einleitungen in Deutschland sagte Lemke, sie habe in der Umweltministerkonferenz angestoßen, ob auch auf deutscher Seite Genehmigungen an die Klimakrise angepasst werden müssen, etwa durch geringere Einleitungen bei niedrigen Wasserständen.

Kritik und Zuspruch am Oderausbau

Auch Wolter sieht als unmittelbare Maßnahmen das Anpassen aller Einleitungsgenehmigungen und das sofortige Einstellen der übermäßigen Salzeinträge. Der Forscher hält in diesem Zusammenhang auch eine Neubewertung der Auswirkungen des Oder-Ausbaus für notwendig. Bis dahin sollte dieser gestoppt werden, forderte Wolter.

Polen hatte im März 2022 mit den Ausbauarbeiten begonnen. Dabei werden auf der Höhe zwischen Frankfurt (Oder) und Hohensaaten (Märkisch-Oderland) hunderte Buhnen in fünf Abschnitten mit insgesamt 54 Kilometer saniert oder neu aufgebaut.

Die Steinschüttungen, die in die Oder ragen, sollen den Hauptstrom des Flusses in die Mitte lenken und vertiefen. Damit sollen enge und flache Stellen entschärft werden, die der Schifffahrt Schwierigkeiten machen.

Auch Lemke sieht den Oderausbau kritisch - auf der polnischen Seite wie auch Planungen auf deutscher Seite. "Ich setze mich dafür ein, dass in der aktuellen Situation vermeidbare neue Belastungen der Oder auf deutscher Seite in jedem Fall vermieden werden müssen", betonte sie.

Ein Vertreter Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg (IHK) verteidigte den Ausbau in einer Rede auf der Konferenz. Dort hieß es, dass der Ausbau lediglich eine notwendige Instandsetzung sei. Der Ausbau diene dem Hochwasserschutz und fördere die Binnenschifffahrt, die klimafreundlich sei, wie Robert Ratzimanowski von der IHK sagte.

Grüne: Abkommen über Oder-Ausbau muss neu aufgesetzt werden

Der Oder-Ausbau hat seine Grundlage in einem deutsch-polnischen Regierungsabkommen von 2015. Am Montag forderten jedoch etliche Grünen-Politiker den Ausstieg aus dem Abkommen, beziehungsweise eine Revision. Darunter war auch der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium , Michael Kellner. "Das Abkommen war ein großer Fehler", sagte er dem rbb. "Das ist entschieden worden, ohne das die Klimakrise und all die Entwicklungen berücksichtig wurden." Deshalb müsste Länder-übergreifend ein neuer Beschluss her, so Kellner weiter. Auch Steffi Lemke kündigte auf der Konferenz an, das Thema gegenüber FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing anzusprechen.

Vor Kurzem hatte das Verwaltungsgericht in Warschau die Arbeiten gestoppt. Trotzdem sind bisher weiter schwere Baumaschinen an den Buhnen unterwegs, wie Reporter des rbb berichten.

Initiativen beim Oderausbau zwischen Resignation und Hoffnung

Nach dem Fischsterben sind auf polnischer Seite viele lokale Initiativen entstanden, die sich kritisch mit dem Ausbau und den Gifteinleitungen auseinandersetzen. Unter diesen scheint sich jedoch momentan eine gewisse Resignation breitzumachen, sagte am Montag Marta Smigrowska-Mohn vom Netzwerk "Zeit für die Oder". "Die Regierung baue trotz allem weiter. Das macht uns allen Sorgen, weil, wenn die Zerstörung einmal eingetreten ist, ist sie unumkehrbar."

Immerhin scheint ein großes Ausbau-Projekt komplett aufgegeben worden zu sein. Eine lange geplante Verbindung zwischen Oder und Donau hin zum Schwarzen Meer wird es nicht mehr geben, sagte ein Vertreter der tschechischen Regierung auf der Konferenz.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.03.2023, 16:40 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ändert sich denn eigentlich was an der Einleitungsgenehmigung der Kohlebergwerke auf polnischer Seite?

    Wirtschaftlich sind diese Kohlebergwerke doch sowieso unrentabel und werden wie die letzten Zechen im Ruhrgebiet nur von Steuergeldern am Leben gehalten. Bei den Folgen sollte man vielleicht über ein Ende nachdenken auf polnischer Seite.

  2. 1.

    Na, ja das ist doch richtig - gerichtet an das UBA.
    Und das nächste Problem ist dann schon ante portas: Die Spree und der zum Abbaeu kommende gewinnbare Kupfervorrat. Da kann es erst Genehmigungen geben, wenn klipp und klar durchgearbeitet wurde, was man mit dem Sümpfungswasser machen will und wie????
    Ein zweiter wichtiger Fluss in Bbg ist vor einer Versalzung zu schützen! Oder reichte vordem das Drama an der Werra nicht aus?
    Es gibt viel zu tun. Man muss eben exakt rechnen, was bringt uns das Kupfer und wie ist es um Kosten auf der anderen Seite an der Wagschale bestellt. Ich kann mir nur vorstellen, dass es innerhalb von 30 Jahren wirklich technologische Fortschritte gegeben haben könnte, ansonsten lügen wir uns erneut was in die Taschen. Die fragliche Formation hat Kontakt zu den Zechsteinformationen!

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