Arbeitskräfte gesucht - Polen erlebt Wirtschaftsboom - trotz Corona

Fr 20.08.21 | 17:31 Uhr
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Symbolbild: Gerüstbauer auf einem Hochhaus in Warschau. (Quelle: dpa/M. Luczniewski)
Audio: Antenne Brandenburg | 20.08.2021 | Magdalena Dercz | Bild: dpa/M. Luczniewski

Wann kommt die Post-Corona-Wirtschaftskrise? Gar nicht - so die Antwort, die aus Polen herüberhallt. Der polnischen Wirtschaft geht es gut, sogar hervorragend. Die Zahl der Arbeitssuchende ist gering und Konjunktur auf dem Höhenflug.

Am Ende einer unauffällige Waldstraße im polnischen Swiecko liegen die riesigen Lagerhallen des Logistikunternehmens "MW e-commerce fullfilment". Wie in vielen Firmen in Polen wird auch dort händeringend nach Arbeitskräften gesucht. Seit gut zwei Jahren sind die Logistiker jetzt am Markt und haben in dieser Zeit ein enormes Wachstum erreicht. "Wir haben viele offene Stellen im Büro, im Lager und warten auf die Leute, die bei uns arbeiten wollen", sagt Karolina Zeissner die Unternehmenssprecherin.

Gesuche in allen Branchen

Auf Menschen, die arbeiten wollen, wartet man auch auf dem Arbeitsamt im benachbarten Slubice - der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder). Laut Vermittler Robert Martyn liegen bei der Agentur derzeit rund 40 Prozent mehr Stellenanzeigen vor als im vergangenen Jahr. "Über unser Arbeitsamt werden Arbeitskräfte aus dem Dienstleistungssektor gesucht, Kosmetikerinnen, Monteure, Verkäufer, aber auch qualifizierte Arbeitskräfte, aus den technischen Berufen."

Der langjährige Wirtschaftsboom in Polen hat die Lage am Arbeitsmarkt umgekehrt. Aus einem Land mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten Europas wurde eines mit einer der niedrigsten. Die Arbeitslosenquote liegt bei circa drei Prozent. Dabei muss allerdings auch erwähnt werden, dass die Erfassung mit der in Deutschland nur schlecht vergleichbar ist. Da die Absicherung für Arbeitslose in Polen eher dürftig ausfällt, melden sich viele gar nicht erst als arbeitssuchend. Daher werden diese in der Statistik nicht erfasst.

Doch trotz allem steht der Arbeitsmarkt im Europäischen Vergleich gut da. Seinen Anteil daran hat das Wirtschaftswachstum. Laut der deutschen Vertretung Polen, wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) allein 2019 um 4,5 Prozent. Nach einem Einbruch im vergangenen Corona-Jahr auf ein Minus von 2,7 Prozent, liegt das BIP nun wieder bei knapp 3,5 Prozent [www.statista.com].

Experten meinen, die konjunkturellen Rekordergebnisse in der Pandemiezeit gehen auf die Anpassungsfähigkeit und Innovationen der polnischen Unternehmer zurück. Höhere Sozialtransfers und steigende Mindestlöhne stärken die Kaufkraft. Der Binnenmarkt ist groß, das Konsumverhalten unserer Nachbarn stark ausgeprägt. Hinzu kommen noch die Gelder der Europäischen Union, sagt Dagmara Jajesniak-Quast, Direktorin des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien an der Viadrina Universität in Frankfurt (Oder). "Die Hilfe, auch die finanzielle Hilfe der Europäischen Union für Infrastruktur-Projekte sind derzeit in Polen enorm. Und diese Hilfen zeigen sich auch in dem Wachstum."

Makel auf dem Wirtschaftswunder

Auch die weiteren Wirtschaftsprognosen sind gut. Allerdings droht Polen ein Fachkräftemangel, der das Wachstum ausbremsen könnte. Noch kann der Mangel an Arbeitern von den ukrainischen Migranten gedeckt werden, denn hunderttausende Gastarbeiter arbeiten aktuell in der Wirtschaft - jedoch oft nur mit vorübergehenden Genehmigungen. Sonia Buchholz von der privaten Wirtschaftshochschule SGH zufolge, bräuchte es in Zukunft aber jährlich bis zu 100.000 Zuwanderer, um die demografische Lücke zu schließen.

Als weiteres Problem könnte auch die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen PiS-Regierung wirken. Diese könnte Investoren abschrecken. Und auch die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Polen hinterlassen einen Makel auf dem Wirtschaftsbild des Landes. Insgesamt aber ist der polnische Arbeitsmarkt aktuell eine Erfolgsgeschichte, auch was die Corona-Folgen betrifft, die unter anderem durch Finanzhilfen für besonders betroffene Firmen abgefedert wurden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.08.2021, 15:10 Uhr

Mit Material von Magdalena Dercz und Jan Pallokat

3 Kommentare

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  1. 3.

    Und Polen scheint dann auch wirtschaftspolitisch besser geführt zu sein. Vielleicht ist die polnische Regierung doch nicht so schlecht, wie man uns glauben machen will. Die Polen wählen sie zumindest und das scheint ein Grund dafür zu sein.

  2. 2.

    Ja, ich stimme ihnen insofern zu,dass es an den horrenden Energiepreisen liegt,dass die Industrieunternehmen Deutschland verlassen. Die hohen Löhne gab es schon vorher aber es gibt noch einen anderen Grund. Das ist die deutsche regulierungswut, die immer wieder im Wege steht. Und wenn Deutschland jetzt um jeden Preis Co2-neutral werden will, dann werden wir wohl zum Agrarland mutieren.

  3. 1.

    Die Polen werden in den nächsten Jahren noch mehr Arbeitskräfte suchen, da immer mehr Unternehmen aus Deutschland abwandern werden. Der Grund liegt zum einen an den hohen Löhnen hierzulande und zum anderen an der unbezahlbaren Energie in Deutschland. Wenn Deutschland sich um jeden Preis Co2 neutral machen will wird das Arbeitsplätze kosten, die in den Nachbarländer entstehen werden.

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