Analyse vom Institut Deutsche Wirtschaft - Mieten in Berlin und Teilen Brandenburgs steigen stark

Mo 19.06.23 | 10:40 Uhr | Von Johannes Frewel
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Ein Mann geht vor der Kulisse von innerstädtischen Wohnhäusern über eine Brücke. (Foto: dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.06.2023 | Tina Padberg | Bild: dpa

Hypothekenzinsen für Wohneigentum haben sich vervielfacht. Neuvertragsmieten ziehen teils zweistellig an. Die Lage am Wohnungsmarkt ist dadurch angespannt, wie selten zuvor. Was ist jetzt noch günstiger, Kauf oder Miete? Von Johannes Frewel

  • Ausweichbewegungen wohnungssuchender Mieter nach Brandenburg
  • Brandenburger Eigentümer wohnen deutlich günstiger als Mieter
  • Berlin: Selbst teure Mieten noch immer günstiger als Eigentum

Wer eine Mietwohnung sucht, hat gerade einen besonders ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Die Mietforderungen steigen massiv, der Marktrend zeigt steil nach oben. Mieten folgten immer wieder der Inflation, resümiert Michael Voigtländer, Ökonom am arbeitgeberfinanzierten Institut der Deutschen Wirtschaft IW Köln. Er untersuchte im Auftrag des Berliner Immobilienunternehmens Accentro Real Estate auf Basis der Marktdaten von 2022 die Rentabilität von Wohneigentum im Vergleich zu Miete. Sein Fazit: "Wohnimmobilien bieten einen relativ guten Inflationsschutz, gerade wenn es Knappheiten im Wohnungsmarkt gibt, wie aktuell".

Immoscout24: Beispielloser Preisanstieg bei Neuvermietung

Das IW ist mit seiner Analyse im Wohnkostenreport nicht allein. Auch die Daten des Immobilien-Onlineportals Immoscout24 wiesen im ersten Quartal 2023 einen beispiellosen Anstieg der Neuvertrags-Mieten in Deutschland aus. Beim Neubau legten sie im Jahresvergleich um bis zu knapp 20, im Bestand um gut zwölf Prozent zu. Besonders stark stiegen sie in Berlin. Die aktuelle Teuerungsrate für Neubau-Mietwohnungen lag allein zwischen Januar und März des laufenden Jahres bei 8,8 Prozent.

"Berlin ist das Brennglas des deutschen Immobilienmarkts", resümiert Immoscout24-Sprecher Lennart Dannenberg, "das sind historische Werte, die wir so seit Erhebung des Wohnbarometers noch nie gesehen haben". Solche Preissprünge seien sonst über den Zeitraum eines Jahres, nicht jedoch eines Quartals, zu beobachten. Die Verschiebung von Kauf zu Miete sei eine klare Entwicklung, die den Markt bestimme.

"Der Druck, der auf dem Mietmarkt herrscht, ist in Berlin nochmal deutlich ausgeprägter", resümiert er beim Blick in die bundesweiten Daten des Immobilienportals, "obwohl Berlin einer der reguliertesten Mietmärkte in Deutschland ist", so Dannenberg.

Berliner sorgen in Brandenburg für Nachfragedruck

Eine Folge sind Ausweichbewegungen wohnungssuchender Mieter nach Brandenburg. Dannenberg kennt die Lage im Berliner Umland im Detail. Etwa in Werder. Dort sei aktuell der Mietmarkt besonders gefragt. Aber auch im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit Teltow oder im Oberhavel-Kreis mit Oranienburg ziehe die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern zur Miete gerade deutlich an. Bauwillige warteten ab, welche neuen Bau-Förderungen noch kommen und wie genau die Gebäudeenergieeffizienz-Regeln ausgelegt werden. "Sie warten momentan auf ein klares Signal der Politik", interpretiert Dannenberg die Marktdaten. Bis dahin wird nicht gekauft, sondern zunächst gemietet.

Wer in den Niedrigzinsjahren bereits eine Eigentumswohnung oder ein Haus für die Familie erworben hat, der kann sich bei langfristiger Finanzierung meist noch viele Jahre über Zinsen um die Ein-Prozent-Marke freuen. Auch der Wertverlust von Immobilien als Folge steigender Zinsen hält sich in der Region in engen Grenzen. In Berlin gaben die Preise für Bestands-Eigentumswohnungen im ersten Quartal nach Immoscout24-Daten um 0,3, bei Bestands-Häusern um 0,8 und bei Neubau-Häusern um 0,1 Prozent nach. Neue Eigentumswohnungen wurden demnach 0,8 Prozent teurer.

Kosten Miete und Eigentum

Die monatlichen Mietkosten setzen sich aus Kaltmiete und Nebenkosten zusammen. Die monatlichen Kosten für Eigentum bestehen aus monatlicher Tilgungsrate, Zinsen, Nebenkosten und dem Hausgeld.

Brandenburger Eigentümer wohnen deutlich günstiger als Mieter

Zahlreiche Wohnungs- und Hauseigentümer in Brandenburg gehörten der Studie des IW Köln zufolge im vergangenen Jahr bei anziehenden Mieten zu den klaren Gewinnern. Je weiter weg von Berlin, umso mehr lohnt sich selbstgenutztes Wohneigentum.

Brandenburger Eigentümer wohnen günstiger als Mieter - in Oder-Spree um 47,4, in Dahme-Spreewald um 41,3, in Oberhavel um 37,2, im Barnim um 35,8, in Märkisch-Oderland um 34,8, in Havelland um 34, in Teltow-Fläming um 24,3 und in Potsdam-Mittelmark um 19,9 Prozent. Auch im Berliner Umland attestiert das IW "vergleichsweise hohe Selbstnutzerkostenvorteile".

Sogar in der als teuer geltenden Landeshauptstadt Potsdam errechnet der Wohnkostenreport in den vergangenen Jahren für Eigentümer einen Kostenvorteil von elf Prozent gegenüber Mietern. "Da haben wir trotz der hohen Zinsen eine sehr große Vorteilhaftigkeit", bilanziert IW-Ökonom Voigtländer. Dazu trägt bei, die Bodenpreise sind in einigen Regionen gemessen am bundesdeutschen Durchschnitt weiterhin eher günstig.

Mitte Juni hat die Europäische Zentralbank EZB erneut an der Zinsschraube gedreht. Das verteuert die Finanzierung für Eigentümer weiter. Doch Ökonom Voigtländer rechnet mit wieder etwas fallenden Zinsen, sobald die Inflation spürbar Kraft verliert. Dann könne sich auch der jetzt in den meisten Landkreisen gegenüber Mietwohnungen unwirtschaftliche Neukauf von Immobilien für Selbstnutzer wieder lohnen.

Berlin: Selbst teure Mieten noch immer günstiger als Eigentum

Wegen der besonderen wirtschaftlichen Dynamik im Berliner Umland werde der Wert von Wohneigentum dort wahrscheinlich auch weiter steigen. "Das ist natürlich ein wesentliches Argument, zu kaufen", sagt Voigtländer. So könnten Eigentümer langfristig am Aufwärtstrend der Region teilhaben. Derzeit ist jedoch angesichts der Zinsentwicklung kein günstiger Kaufzeitpunkt. Wie stark Baupreise und Zinsanstieg den Markt gegenwärtig beherrschen, zeigt sich in Berlin. Dort zahlen Käufer aktuell kräftig drauf. Trotz der massiv steigenden Mieten wohnen selbstnutzende Eigentümer dort 26 Prozent teurer als Mieter. Auch das wirkt wie ein Booster für die Nachfrage nach Mietwohnungen.

Beitrag von Johannes Frewel

84 Kommentare

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  1. 84.

    Drei Dinge vorne weg;, nicht alle Mieter wollen für "Appel und Ei wohnen", nicht alle Mieter können Eigentümer werden, und kaum ein Mensch kann sich die schönste.Wohnung leisten.

    Ansonsten ein Beispiel zu Thema: Ich wohne im Haus mit 26 Wohnungen, die jeweils einem anderen Eigentümer gehört, vobei 24 Wohnungen vermietet sind. In den letzten 10 Jahren wurden mindestens 10 Wohnungen verkauft, wobei die Mieter immer das Vorkaufsrecht gehabt haben, kein Einziger hat die Wohnung gekauft, ergo hätte er es getan wäre er vom Mieter zum Eigentümer der von ihm bewohnten Wohnung geworden.
    Ansonsten, es gäbe noch andere Beispiele, man muss nur gewillt sein darüber nachzudenken

  2. 83.

    "Weil das die Mietpreise stabilisiert, da die Nachfrage nach Mietwohnungen sinkt."
    Dann begrüße ich das natürlich!! Alle Mieter werden Eigentümer, die Nachfrage nach Mietwohnungen sinkt, und ich kann mir die schönste aussuchen...
    Natürlich "fürn Appel undn Ei" - manche hier im Forum wissen ja ganz genau, dass es Berliner Mietern nur darauf ankommt. :-)
    Ach so, wo wohnen dann eigentlich die ganzen eigentümelnden Ex-Mieter? :-))

  3. 82.

    Weil das die Mietpreise stabilisiert, da die Nachfrage nach Mietwohnungen sinkt.

  4. 81.

    "...muss seine Wohnung zum entsprechenden Preis vermieten damit er nicht draufzahlt."
    Und wer hat hier jetzt etwas anderes behauptet? Hat doch hier keiner was dagegen!
    Und wer sind denn bei Ihnen "die Mieter in Berlin", die das angeblich partout nicht so sehen wollen...? :-)

  5. 79.

    Volle Zustimmung!
    Und noch dazu: Jeder Vermieter sollte/muss Rücklagen schaffen, für den Fall der Fälle - z.B. Dach kaputt, Graffiti-Beseitigung oder evtl. Wärmepumpe ;-)

  6. 78.

    Der Vermieter, vor er etwas zu vermieten hat die Anschaffungskosten an der "Backe", und muss seine Wohnung zum entsprechenden Preis vermieten damit er nicht draufzahlt. dies "vergessen" die Mieter in Berlin, und tun so, als würden sie die Vermieter ausnehmen. Sie wollen in bester Lage für "Appel und Ei" wohnen.
    Tja, wer so denkt, der sollte sich eine Wohnung auf eigene Kosten besorgen Punkt...
    .

  7. 77.

    Wie spare ich denn Steuern, wenn ich an Verwandte vermiete? Mieteinnahmen muss ich versteuern, egal wer der Mieter ist. Bin für SteuerTipps dankbar. :-)

  8. 76.

    Ja, genau hier muss angesetzt werden. Die Eigentumsquote muss spürbar erhöht werden. Wobei man das Scheinvermieten an Familienangehörige erst einmal aus der Statistik heraus rechnen muss. Das ist nicht nur in Berlin weit verbreitet, um Steuern zu sparen. Das sollte unbedingt gesetzlich geändert werden.

  9. 75.

    Das mit win-win ist schon llange vorbei. Die Mieter nutzen die Vermieter schamlos aus.

  10. 74.

    "...ist das Anspruchsdenken der Mieter gegenüber den Vermietern auffallend hoch..."
    Das ist natürlich möglich, auch wenn ich dazu keine Untersuchung kenne. :-)
    Es ging ja aber darum, dass man sich als Mieter aus irgendeiner Verantwortung stehlen würde, jedenfalls nach Ansicht von "Jammer Jammer". :-))
    Natürlich habe ich als Mieter weniger Verantwortung, und deshalb zahle ich dem Vermieter Miete. "Win-win"... Normalerweise. :-)

  11. 73.

    Mieten ist eine legitime Sache, und Wohnungen werden auch in Nachbarländen gemietet, das stimmt.

    Aber, in Deutschland ist die Mieterquote auffallend hoch, besonders in Berlin mit 85%, und besonders auch in Berlin ist das Anspruchsdenken der Mieter gegenüber den Vermietern auffallend hoch und weit verbreitet, kurzum, man delegiert die eigene hohgesteckte Ansprüche vornehmlich an Andere.

  12. 72.

    "Deutschland und dort insbesondere Berlin sind die Gegenden der gesamten Welt, wo sich die Leute beim Wohneigentum aus der Verantwortung stehlen. Weil Deutschland ein Mieterparadies ist."
    Und was ist daran jetzt so schlimm? Mieten ist eine ganz legitime Sache und auch in vielen unserer Nachbarländern weit verbreitet.
    Für wen kaufen gut ist, der kauft, wer lieber mietet, der mietet eben. Inwieweit stiehlt man sich damit aus irgendeiner Verantwortung?
    Komische Ansicht...

  13. 70.

    "Das Grundgesetz sieht auch freie Wohnortwahl für jeden vor!"
    Zeigen Sie bitte die Stelle, in der steht, dass die Allgemeinheit für den Wohnortwunsch einzelner Personen aufzukommen hat!

  14. 69.

    „Soviel zu „gut bezahlt“… Damit kann man keine großen Sprünge machen.“

    Ich muss übrigens nicht bei der Bank arbeiten, wenn diese schlecht bezahlt.

    Metallverarbeitung nimmt Quereinsteiger, bildet aus und zahlt gut.

    Unternehmer werden, Eigenverantwortung übernehmen, ggf. Jobs schaffen, auch eine Alternative, über die es sich lohnt nachzudenken.

    Weiterbildung etc. gibt es auch.

    Soviel zum Thema Offenheit/Scheuklappen.

  15. 68.

    Stimmt, KI wird vielen aufzeigen, dass sie nicht systemrelevant sind.

    Das finde ich persönlich gut.

    Ich nehme mich davon nicht zwingend aus.

  16. 67.

    Es gibt kein Recht auf Wohnort, nur auf Freizügigkeit.

    Das ist der gewichtige Unterschied.

    Kommen Sie also nach Berlin, kann Sie keiner daran hindern und Sie ausweisen.

    Finden Sie keine Wohnung, ist das ihr individuelles Problem. Es hindert Sie niemand daran Berlin zu verlassen.

  17. 66.

    Gentrifizierung

    Ist kein wirkliches Argument, wenn man genauer hinschaut.

    Gentrifizierte waren nicht selten auch mal Gentrifizierer anderer Stunde.

    Mein Mitleid bleibt daher vorerst aus, bis ich nicht selbst ein nachhaltiges Bild über die Gentrifizierten erhalten habe.



  18. 65.

    „Im Grundgesetz steht immer noch die freie Wahl des Wohnorts!„

    Sie verstehen da etwas unzureichend.

    Das „Recht“ ist hier nicht einklagbar, dient nur als Staatszielbestimmung im weiteren Sinne.

    Versuchen Sie sich doch einfach mal in München oder anderswo gerichtlich einzuklagen, wenn keine Wohnungen da sind.

    Sie werden wohl scheitern.

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