Neue EU-Regelung - Bahnkunden haben seltener Anspruch auf Entschädigungen

Mi 07.06.23 | 12:43 Uhr
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Symbolbild:Eine Frau steht am Bahnhof und schaut auf ihr Handy.(Quelle:dpa/C.Klose)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.06.2023 | Anja Dobrodinsky | Bild: dpa/C.Klose

Die Europäische Union hat neue Regeln für Entschädigungen von Bahnkunden auf den Weg gebracht. Die sehen weniger Gründe als bisher für Zahlungen durch die Bahnunternehmen vor. Verbraucherschützer laufen sich schon warm.

  • In der EU gelten neue Fahrgastregeln
  • Bahnunternehmen müssen bei Zugausfällen und Verspätungen in bestimmten Fällen keine Entschädigungen mehr zahlen
  • Verbraucherschützer kritisieren die neuen Regeln

Bei Zugausfällen und -verspätungen müssen Bahnunternehmen in der EU keine Entschädigungen mehr zahlen, wenn außergewöhnliche Umstände der Grund sind. Das geht aus der neuen EU-Verordnung "über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr" hervor, die am Mittwoch in Kraft getreten ist.

Bisher konnten Fahrgäste durch die Verordnung bei Verspätungen ab einer Stunde 25 Prozent und ab zwei Stunden 50 Prozent des Ticketpreises zurückverlangen. Mit der Anpassung gibt es ab sofort Szenarien, bei denen dieser Entschädigungsanspruch entfällt.

Zu diesen Szenarien gehören laut der EU-Verordnung extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen, schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder Terrorismus. Auch bei Kabeldiebstählen, Notfällen im Zug oder Personen im Gleis werde nicht mehr entschädigt, sagte DB-Marketing-Vorständin Stefanie Berk kürzlich.

Streiks des Bahnpersonals sind von der EU-Neuregelung nicht betroffen, in diesem Fall werden Entschädigungen so wie bisher gehandhabt.

"Gewöhnliche Unwetter sind explizit ausgenommen", sagte Berk. Auch in Zukunft werden Bahnkunden bei Unwettern wie Stürmen oder Hochwasser "in vollem Umfang im Rahmen der Fahrgastrechte entschädigt und erhalten ihr Geld zurück", schreibt die Bahn auf ihrer Internetseite [deutschebahn.com].

Lediglich bei Ausnahmeereignissen wie der Jahrhundertflut 2021 oder anderen großen Naturkatastrophen gebe es künftig keinen gesetzlichen Anspruch mehr auf Entschädigung. "In diesen Fällen schaut sich die DB jeden Einzelfall genau an und kommt ihren Kund:innen ggf. mit Kulanzgutscheinen entgegen, die für künftige Fahrten eingelöst werden können", heißt es auf der Bahnseite weiter.

Auch weitere Änderungen treten in Kraft: Sind außergewöhnliche Umstände die Ursache für die Zugausfälle, kann das Bahnunternehmen künftig die Unterbringung im Hotel auf höchstens drei Nächte begrenzen, wie es im Artikel 20 der Verordnung heißt. Außerdem können Fahrgäste bei einer absehbaren Verspätung von mehr als einer Stunde auch auf den Zug eines anderen Anbieters umbuchen.

Um Entschädigungen gültig zu machen, muss der Antrag künftig innerhalb von drei Monaten gestellt werden statt wie bisher innerhalb eines Jahres. Die DB werde aber im Regelfall "sehr kulant sein und weiterhin die fahrgastrechtlichen Beschwerden auch nach Ablauf der Drei-Monate-Frist annehmen und bearbeiten", teilte die Deutsche Bahn dazu mit.

Verbraucherschützer kritisieren neue Regeln

"Die Vorgaben zur höheren Gewalt sind zu unpräzise formuliert", kritisierte Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV). Er gehe davon aus, dass Gerichte entscheiden würden, wann es sich etwa um außergewöhnliche Wetterlagen handele.

Kritik gibt es auch an den EU-Regeln zur Mitnahme von Fahrrädern in Zügen: "Die EU-Novelle sieht mickrige vier Fahrrad-Stellplätze für jeden neuen oder modernisierten Zug vor", kritisierte Alexander Kaas Elias, Bahnsprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Ursprünglich seien vom EU-Parlament acht Plätze gefordert worden. Der VCD fordert weitere Maßnahmen von Bahnunternehmen, um Fahrräder besser zu befördern.

Zudem muss es laut Verordnung an Bahnhöfen zukünftig eine zentrale Anlaufstelle für mobilitätseingeschränkte Menschen geben. Hier soll der Ein- und Ausstieg angemeldet werden können. "Das mag zwar auf den ersten Blick die Bahnfahrt erleichtern, bedeutet aber im Grunde nur, dass nach wie vor an vielen Bahnhöfen kein barrierefreier Ein-, Aus- oder Umstieg ohne Voranmeldung und Hilfsmittel wie Hublifte möglich sein wird", teilte der VCD mit. "Spontane Fahrten blieben so weiterhin Zukunftsmusik."

Neuer Unpünktlichkeitsrekord in diesem Jahr

Derweil waren die Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn im Mai so unpünktlich wie noch nie in diesem Jahr. Nach Bahn-Angaben erreichten 65,5 Prozent der ICE- und IC-Züge ihre Halte pünktlich. Im Vergleich zum April sank der Wert um gut fünf Prozentpunkte, wie die Bahn am Freitag mitteilte. Das Ziel von deutlich mehr als 70 Prozent Pünktlichkeitsquote liegt damit in weiter Ferne.

Als pünktlich geht ein Zug in die Statistik ein, solange er nicht mit mehr als sechs Minuten Verzögerung an einem Bahnhof ankommt. Zugausfälle oder verpasste Anschlusszüge werden nicht berücksichtigt - entsprechend sind auch Warnstreiks mit Zugausfällen in der Statistik nicht ablesbar.

Als Grund für die Verspätungen gab der Konzern Baustellen an. "Allein im vergangenen Monat musste die DB im Rahmen des Sonderinspektionsprogramms rund 50.000 Schwellen im Schienennetz austauschen."

Sendung: Radioeins, 07.06.2023, 8:30 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ach du Schreck, da hat aber jemand "Ahnung"...:-(

  2. 20.

    Wenn ich einen Anschlussgebühr deswegen verpasse, möchte ich nicht noch 100 Euro für ein Ticket für den nächsten Zug hinblättern.

  3. 19.

    Wie wahr, wie war. Ich halte mich daran. Nie mit der Bahn oder ÖPNV.

  4. 18.

    Kameras. LOL. Die bleiben doch sicher auch länger als 24 Stunden hängen.
    Kritisieren kann jeder. So wie Sie. Konstruktive Kritik sieht anders auch. Dass Sie keine Ahnung haben, sieht man auch an ihrer Kritik zum Thema Personen auf dem Gleis. Schon mal nachgedacht, wie komplex so ein allein deutscher Fahrplan ist? Wir reden hier doch nicht von Klein-Kleckersdorf, wo mal blitzschnell die Gleise einer Fahrtrichtung gesperrt werden können.
    Vom Sofa aus ist es immer einfach, ahnungslos zu kritisieren.

  5. 17.

    Wenn es künftig ein Notfall im Zug vorliegt, wer ist dann beweispflichtig? Muss die Bahn belegen, was das für ein Notfall war, damit ich als Verbraucher den Fall überprüfen kann? Oder behauptet die Bahn das einfach und ich muss als Verbraucher beweisen, dass es kein Notfall entlang der gesamten Strecke und Zügen gegeben hat (unmöglich)?

  6. 16.

    Super. Alle sollen die Bahn, statt das Flugzeug nutzen und dann sowas. Kontraproduktiv. Nachdenken scheint aus der Mode gekommen zu sein.

  7. 15.

    Wir haben "Gleisebetreten" schon vom Elternhaus mit Gefahrenhinweis verboten bekommen. Man kann eine Schnellzugverbindung nur aufrecht erhalten wenn es Kinder schon früh gelernt haben was man nicht tun darf. Heute leben in Deutschland auch Menschen, die zuvor nicht mal richtige Gleise gesehen hatten. Kabeldieben macht man es zu leicht; es wäre so einfach ganz einfache Sicherungen zu installieren.

  8. 14.

    "Und Sie haben doch sicher auch einen praktikablen Vorschlag, wie tausende von Gleiskilometern "gesichert" werden sollen."
    Frankreichs TGV-Strecken zum Beispiel sind auf beiden Seiten hoch eingezäunt. Keine große Sache, aber man muss es eben wollen. Natürlich sind diese Strecken auch nur für TGVs und nicht für alles Mögliche wie in Deutschland...
    Zwei wirklich lange TGV-Verspätungen in vielen Jahren hatten jedenfalls mit der Oberleitung zu tun, nicht mit irgendwas im Gleis. Nebenbei bemerkt waren dann auch gleich Verpflegungspakete der Bahn zur Hand. Am Zielbahnhof empfangen einen bei so etwas meist Bahnangestellte, die jedem das Formular in die Hand drücken, mit dem er sich Geld zurückholen kann.
    Verspätet fährt so ein TGV meistens dann, wenn er aus Deutschland kommt...

  9. 13.

    Das lässt sich nie verhindern, aber zumindest erschweren. Mit Kameras oder mehr Sicherheitspersonal z.B. Ferner geht es auch um das Tempo, mit dem auf Personen im Gleis reagiert wird und da lässt sich sehr viel verbessern - eben mit Investitionen.

    Aber an sich ist das ja gar nicht meine Aufgabe hier Überlegungen anzustellen, sondern von denjenigen, die dafür Millionen bekommen und am Ende eine Leistung abliefern, die für ein reiches Land wie Deutschland hochnotpeinlich ist.

  10. 12.

    Und Sie haben doch sicher auch einen praktikablen Vorschlag, wie tausende von Gleiskilometern "gesichert" werden sollen. Oder etwa nicht?

    "Außerdem können Fahrgäste bei einer absehbaren Verspätung von mehr als einer Stunde auch auf den Zug eines anderen Anbieters umbuchen."
    Das kann doch nur als Witz gemeint sein. Welcher andere Anbieter?

  11. 11.

    Ich fahre relativ häufig mit der Bahn und habe meist keine großen Probleme. Aber da hat sicherlich jede:r andere Erfahrungen. Also nehmen Sie doch einfach Ihr Auto. Sagt ja keiner, dass Sie die Bahn nehmen müssen. Nur dann bitte nicht über Staus aufregen. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

  12. 10.

    Ganz ehrlich, ist zwar nicht schön, aber ich sehe es eigentlich genauso. Auch mir passiert es immer mal wieder, dass ich einen Anschlusszug verpasse oder mit Verspätung irgendwo hinkomme. Ist ärgerlich, aber Vorkommnisse aus den beschriebenen Gründen kann man der Bahn nicht anlasten.

  13. 9.

    Warum warum warum, Nachdenker. Denk mal nach: WARUM sollte ich mit der Bahn fahren, wenn der Lawinenabgang im 900 km entfernten Bergland meine Autobahn nicht tangiert? Warum sollte ich Bahn fahren, wenn sie a) nicht in Wolfburg hält, obwohl sie hätte müssen, und b) eh steht, Personen im Gleisbett... und ich alle Anschlüsse verpasse?
    Mit dem PKW fahre ich von der Autobahn ab und komme dennoch an. Bei der Bahn... nein, keine Chance.

  14. 8.

    "Warum soll die Bahn Fahrgeld erstatten wenn einige Mitbürger sich in den Gleisen aufhalten und die Strecke gesperrt werden muss"

    Weil die Sicherheit der Gleisanlagen in den Verantwortungsbereich des Dienstleisters DB fällt. Freie Entscheidung des Unternehmens den Managern Millionen zu bezahlen, aber die Strecken ungenügend zu sichern.

  15. 7.

    "Warum soll es Geld geben wenn die Polizei oder die Feuerwehr den Menschen im Zug hilft? Warum soll die Bahn blechen wenn Hochwasser oder im Gebirge Lawinen abgehen?"
    Warum soll man trotzdem den vollen Fahrpreis blechen? :-)

  16. 6.

    Neues Codewort der Bahn bei drohenden Verspätungen: "Personen im Gleisbett". Dann ist man frei von allen Forderungen. Und die Personen... naja... manchmal glaubt man ja auch nur, dass man was sieht, und sagt vorsichtshalber "da hinten war glaube ich jemand" ;-)

    Es gibt viele gute Gründe, NIE mit der Bahn in Deutschland zu reisen...
    - Frühjahr/Sommer/Herbst/Winter-Probleme
    - der Zug ist anders herum gereiht, die Wagen nach Wuppertal fehlen, Reservierungen entfallen
    - Baustelle
    - Schichtende des Zugführers, sein Nachfolger erreichte den Übergabepunkt wegen Zugverspätungen nicht...
    - die Preise...
    - Unpünktlichkeit
    - Sauberkeit
    - Lärm
    - Bahnhöfe sind Drogistenzentren oder überdachte Außenklos
    - Anbindung in der Fläche nicht vorhanden

  17. 5.

    Das ist nur gerecht. Warum soll die Bahn Fahrgeld erstatten wenn einige Mitbürger sich in den Gleisen aufhalten und die Strecke gesperrt werden muss.?
    Warum soll es Geld geben wenn die Polizei oder die Feuerwehr den Menschen im Zug hilft? Warum soll die Bahn blechen wenn Hochwasser oder im Gebirge Lawinen abgehen?

  18. 4.

    Die EU Regeln sind seit langen nicht mehr Bürger freundlich ob des die Bahn oder den Führerschein betrifft nun kommt die Heizung auch noch dazu Sie machen sich zur Zeit keine Freunde in den EU Staaten.

  19. 3.

    Die EU-Vorgaben klingen erstmal logisch, könnten sie nicht das Minimum darstellen? Was hindert die Verkehrsunternehmen, zuerst die DB als "Staatsbetrieb" , darüber hinaus Entschädigungen zu leisten? Jetzt wird wahrscheinlich wieder auf Brüssel geschimpft und die Eigenverantwortung (der Verkehrsunternehmen) nicht gesehen. Schließlich spart man ja Kosten wenn man Brüssel folgt.

  20. 2.

    Diese Regelung müssen Autofahrerlobbyisten beschlossen haben. So etwas von kundenfeindlich geht überhaupt nicht!

  21. 1.

    "Als Grund für die Verspätungen gab der Konzern Baustellen an."
    Dazu kommen dann sicher noch die vier Feinde, die schon die Deutsche Reichsbahn kannte - Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
    Schlimm, dass man jetzt schon 70 Prozent Pünktlichkeit fast als Erfolg und als erstrebenswert ansieht. So etwas wie 90 oder 95 Prozent werde ich wohl nicht mehr erleben. Dabei sollte das ja der Normalfall sein!!!
    Schließlich zahlt man ja auch die Fahrkarte zu 100 Prozent - und nicht zu 70 oder 65...

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