Berliner S-Bahn hofft auf Lösung - Müll im Getriebe

Di 30.05.23 | 06:07 Uhr | Von Frank Preiss
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Müll auf den S-Bahngleisen am Bahnhof Hermannstraße (Bild: rbb/Stefan Oberwalleney)
rbb/Stefan Oberwalleney
Video: rbb|24 | 30.05.2023 | Stefan Oberwalleney | Bild: rbb/Stefan Oberwalleney

Das Problem besteht seit langem, und es wird immer schlimmer: Müll auf und neben Bahngleisen in Berlin. Große Hoffnung ruht auf einem neuen Gleisreinigungszug. Doch der kommt später als zunächst erhofft. Von Frank Preiss

  • Bahn: Viele Dutzend Kilo Müll fallen mehrmals im Jahr an
  • Neuer Gleisreinigungszug erst ab 2028 im Einsatz
  • Bis dahin saugt ein "Vakmobile" den Müll auf
  • Möglichkeiten der BSR sind beschränkt

Wer sich morgens mit leerem Magen mit der S-Bahn auf den Weg zur Arbeit macht, der sollte besonders an den Bahnhöfen Warschauer Straße und Hermannstraße besser nicht auf das Gleisbett starren: Dort tummeln sich unzählige Zigarettenstummel, Kaffeebecher, Schnapsflaschen, ja selbst Schuhe und jede Menge anderer Unrat. "An diesen Stationen müssen mehrmals im Jahr mehrere Dutzend Kilo Müll aus den Gleisen entfernt werden", bestätigt eine Bahnsprecherin auf rbb|24-Anfrage.

Die Berliner S-Bahn hat ein massives Müllproblem. Und das schon recht lange: Seit Jahren bieten sich dem Fahrgast dieselben Bilder, nicht nur auf den Gleisanlagen. Auch auf vielen Böschungen am Rand der S-Bahnstrecken in Berlin türmt sich Müll, mancherorts wird massenweise Sperrmüll abgeladen. Verschlimmert hat sich die Situation, seit die Gleisreinigungsmaschine für das Berliner S-Bahnnetz defekt ist - seit 2021.

Müllkippe Bahngleis

Neuer Reinigungszug erst ab 2028

Seit Juni 2021 saugt das in Frankreich hergestellte "Vakmobile", ein Wagen mit riesigem Rüssel, Müll aus dem Gleisbereich, immer während der nächtlichen Betriebspausen. Doch das Gerät, das auch bei der New Yorker U-Bahn zum Einsatz kommt, ist nur als Übergangslösung gedacht und längst nicht so effektiv wie ein Gleisreinigungszug. "Eine neue Hochleistungs-Maschine, die während der Fahrt die Gleisanlagen reinigt, wird frühestens Ende 2026 ausgeliefert", berichtet die Bahnsprecherin. Das Vergabeverfahren dafür laufe. Ab wann es eingesetzt werden kann, sei aber noch unklar.

In einem Bericht der Deutschen Bahn, der im März von der Senatsverwaltung für Mobilität an den Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus weitergeleitet wurde, ist von "Anfang 2028" die Rede. Dieser Termin werde für den Einsatz des Fahrzeugs "angestrebt", heißt es darin. Vor einem Jahr hatte Daniel Euteneuer, Leiter des Regionalbereichs Ost der Bahn-Tochter DB Station und Service, noch im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses die Erwartung geäußert, man rechne 2026 mit dem Neufahrzeug.

Bis der neue Zug tatsächlich da ist, soll ein gebrauchter Reinigungszug der Münchner U-Bahn aushelfen, den die Berliner S-Bahn gekauft hat. Für dessen Einsatz müsse allerdings zunächst das Berliner S-Bahnnetz technisch angepasst werden, steht in dem Bericht. Voraussichtlich Anfang 2024 könne dieses Fahrzeug eingesetzt werden. "Somit wird sich auch die Reinigungsleistung und die Sauberkeit nochmals erhöhen", verspricht der Bericht weiter. Darauf angesprochen, antwortete die Bahnsprecherin rbb|24 lediglich: "Ein gebrauchter Staubsaugerzug wird derzeit untersucht, ob und wie schnell er für das S-Bahn-Netz umgebaut und eingesetzt werden kann."

Bahn hofft auf politische Lösung

Bis dahin holen Mitarbeiter der S-Bahn den Müll per Hand aus den Gleisen, eine wahre Sisyphos-Arbeit. Und teuer für die Bahn: "Pro Jahr gibt die DB einen hohen sechsstelligen Eurobetrag für die Reinigung aus", berichtet die Bahnsprecherin. Kosten, auf denen die Bahn nicht länger sitzen bleiben will. Schon vor einem Jahr hatte Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, angemahnt: "Das ist ein massives Problem, das die Bahn aber nicht allein lösen kann." Es handele sich hierbei um "eine spezielle Berliner Aufgabe. Aus anderen Städten kenne ich das so nicht."

Seinerzeit hatte die damalige für Mobilität zuständige Staatssekretärin Meike Niedbal (Grüne) Bereitschaft für eine Zusammenarbeit signalisiert. Die Wiederholungswahl hat auch hier für einen Amtswechsel gesorgt: Auf Niedbal folgte Claudia Stutz (CDU). Die Bahn hofft nun auf neue Gespräche: "Mit dem alten Senat gab es Gespräche und Vor-Ort-Treffen zu dem Thema. Aufgrund der Neuwahlen und der Aufstellung des neuen Senats werden wir als Deutsche Bahn, da uns das Thema wichtig ist, dieses auch nochmal an den neuen Senat adressieren", so die Bahnsprecherin.

Senatsverwaltung kündigt weitere Gespräche an

Doch passiert ist auf dieser Gesprächsebene noch nichts: "Die Gleisanlagen sind Eigentum der DB Netz AG. Eine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Land Berlin und der DB Netz AG besteht nicht. Mangels direkter Vertragsbeziehung ist ein direkter Durchgriff seitens des Landes Berlin bei ungenügender Sauberkeit der Gleisbereiche daher nicht möglich", teilt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Mobilität, Sara Lühmann, auf rbb|24-Anfrage mit.

Man sei "in regelmäßigen Gesprächen" mit der Bahn, um die Müllbeseitigung per Hand zu verbessern. Auch die BSR sei Anfang des Jahres zu Gesprächen eingeladen worden, um das Umfeld der Gleisanlagen zu reinigen. Die Gespräche würden fortgeführt, hieß es - konkreter wurde die Behördensprecherin nicht.

Der BSR sind Grenzen gesetzt

Die BSR will derweil helfen - dort wo es für sie möglich ist. Auf die Gleisanlagen hat sie keinen Zugriff, da dies Privatgelände der Bahn ist. Rund um die S-Bahnhöfe könne man aber unterstützen, teilt ein BSR-Sprecher rbb|24 mit. Das habe man auch schon getan: "Wir haben im Umfeld des Bahnhofs Warschauer Straße vier zusätzliche Papierkörbe aufgehängt, um die Sichtbarkeit zu erhöhen und weitere Entsorgungsmöglichkeiten zu schaffen." Man sei "mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren weiter im Gespräch", so der BSR-Sprecher weiter.

Mit dem Müllproblem auf den Bahngleisen in Berlin müssen die Fahrgäste also noch eine Zeit lang leben, bis effektive Technik Abhilfe schaffen kann. Letztlich hat es aber auch jeder Einzelne in der eigenen Hand, an der Problembeseitigung aktiv mitzuwirken. Denn der Müll fällt ja nicht vom Himmel.

Beitrag von Frank Preiss

92 Kommentare

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  1. 92.

    Gibt es solch ein Reinigungsgerät nur einmal in Deutschland bzw. in Europa? Wie werden denn woanders die Gleisanlagen dann gereinigt?

  2. 91.

    Wenn das Reinigungsgerät schon seit zwei Jahren kaputt ist und sich gar nicht mehr in Berlin befindet, dann wundert gar nichts mehr. 2021 kaputt gegangen. Ersatz kommt 2026 oder noch später. Das ist echter Fortschritt Made in Germany. Ein "Vorbild" für die ganze Welt, haha.

  3. 90.

    warum Dauert das SO lange
    Erst einmal Födergelder für Die Machbarkeitsstudie beantragen
    Diese Studie einem Wichtigtuer präsentieren, dann seine Ideen einarbeiten
    Wegen dem Umfang eine Europäische Ausschreibung veranlassen. Die Klage des unterlegenen aushalten. KostenSteigerung diskutieren, vermeindliche Patentrechte stoppen das Projekt nicht wirklich Verzögerung jedoch enorm.
    Bei der Auslieferung festgestellt, das Profilmaase bei Bahn S-Bahn U-Bahn jeweils nich übereinstimmen. Was vergesse

  4. 89.

    Der alte Gleisreinigungszug der Firma H.F. Wiebe ist schon garnicht mehr in Berlin.. der wurde 2021 stillgelegt. Basierend auf der alten ex BR476... der war Jahrzehntelang zuverlässig im Einsatz.... aber das kennt man ja, altes funktionierendes Eisen muss weg und neuer Schrott muss her..

  5. 88.

    .... und für die Mehrheit, die sich benimmt, wollen Sie auch gleich den Zugverkehr gnadenlos einstellen? So kann man natürlich auch den Straßenverkehr fördern. Was macht man bei Autofahrern eigentlich, die Abfall aus dem Fenster werfen? Oder gleich ganzen Sperrmüll per Transporter im Gebüsch abkippen? Pauschal Autobahnen und Bundesstraßen sperren?

    Da natürlich nicht. Da ist es auch kein Problem, die Verkehrswege regelmäßig mit Kehrmaschinen zu reinigen. Aber bei der "blöden" Bahn, da muss ein kaputter Reinigungszug für die ganze Hauptstadt reichen. Oder man wartet halt bis 2026 und noch länger. Ein Schelm, wer Böses ...

  6. 87.

    Nun wenn die Menschen nicht lernen wollen, dass man seinen Müll ordentlich zu entsorgen hat, dann sollte man sie auch in ihrem Müll verkommen lassen!
    Oder eben die S-Bahnen nicht mehr fahren lassen aufgrund es Müllaufkommens. Sollen die Verschmutzer doch sehen, wie die an ihr Ziel kommen. - Verursacherprinzip!
    Ich finde es schon lange zum kotzen, dass eine hohe Prozentzahl an Menschen ihren Müll einfach fallen lassen, egal wo sie gerade gehen oder stehen.

  7. 86.

    Stimmt. Nun können wir den Menschen abschaffen - oder aber ein System ähnlich Sero (wieder) einführen. Dazu könnte z.B. ein Pfandsystem auf ALLE Verpackungen gehören - ohne groteske Ausnahmen, wie etwa Pfandfreiheit für Getränke ohne Sprudel, die damals von der Wirtschaftslobby durchgesetzt wurden. Und auch der Mut, bestimmte Verpackungen ganz zu verbieten, nachdem sich die pure Freiwilligkeit immer wieder als Holzweg erwiesen hat. - Andererseits aber z.B. die Entsorgung von Spermüll etwa für Leute ohne Auto oder Führerschein noch weiter zu vereinfachen. - Mut, Ziele und Pragmatismus werden gebraucht.

  8. 84.

    London wird auch an allen Ecken und Kanten überwacht, die Stadt ist mega sauber, auch die U-Bahnhöfe. Bedeutet Freiheit für Sie, dass man wahllos seinen Müll überall hinschmeißen kann? Sie haben eine seltsame Vorstellung von Freiheit.

  9. 83.

    @ Herr S., "SERO" wäre eine Lösung aber Hauptproblem ist der Mensch. Und zwar in allen Altersklassen und auch in jeder Bildungsschicht.

  10. 82.

    @ Jürgen, und es ist eine Frage des Wollens, Vorschriften zu beachten und die simpelsten Regeln zu akzeptieren.

  11. 81.

    Nachtrag: Das war die Antwort auf "Claudia13469". (Vergessen, auf Antworten zu drücken, sorry).

  12. 80.

    Jetzt würde mich tatsächlich interessieren, an welcher Stelle ich von Höchststrafen, ja überhaupt von Strafen geschrieben habe sollte! Ich bin kein Freund abschreckender Strafen, von law-and-order Gedöns, sondern von Prophylaxe, auch im Falle von Müllvermeidung. Also bitte nur das diskutieren, was ich auch geschrieben habe. Danke.

  13. 79.

    Haben S-Bahnen überhaupt ein Getriebe? Die fahren doch mit Strom.

  14. 78.

    Hauptproblem ist, dass in unserer Gesellschaft kaum mehr etwas wirklich einen Wert hat. Dass viel zu vieles auf Einweg-Verwendung ausgelegt ist. Wenn Dinge und Stoffe einen klaren monetären Wert haben und Altstoffe auch tatsächlich wiederverwendet werden, landen sie viel seltener auf irgendwelchen legalen oder illegalen Halden (s. auch "Sero" bis 1990). - Und ja: Anständige Leute schmeissen nichts in die Landschaft und ins Gleis. Den großen Rest aber kriegt man nur über's Geld.

  15. 77.

    Wo einschlägige Jeansmarken ihr edles Produkt plakativ auf besprühten Mauern abbilden, würde mich auch eine Parole "trash is cool" nicht mehr wundern.

    Jemand hat bereits in den End70er Jahren den "Highest Standard of Living" auf einem politischen Plakat abgebildet: Ein riesiger Müllberg war da drauf und obendrauf die US-Fahne. Das meine ich jetzt nicht 1 : 1 als Hinüberschwappen, doch ist es vom Denken nicht abseits davon.

  16. 76.

    "Ihren Vorschlag, dass dies über Kindesmisshandlung erfolgen sollte, lehne ich jedoch schärfstens ab." Der Begriff "es hat gescheppert" hat nicht unbedingt mit "Kindesmisshandlung zu tun, das kann auch ne ordentliche Standpauke sein.... Bei Ihren Kindern lehnen Sie das ab, aber die Erwachsenen sollen zu Höchstrafen verdonnert werden? Finde den Fehler.....

  17. 75.

    #49 Absolut richtig. Der Grundtenor von vielen Menschen lautet: "Mein Leben, meine Regeln" Die jüngere Generation ist sowieso gut mit fetten Markerstiften unterwegs, um überall ihre Duftnote zu hinterlassen, dazu kommt, dass Gastro und Einzelhandel alles mögliche mehrfach vermüllpackt. Und: In F.hain habe ich diese, natürlich Graffiti, Botschaft gelesen: "Berlin muss dreckig bleiben!" Genau, da fühlen sich manche erst richtig wohl.

  18. 74.

    "Offensichtlich ist illegale Müllentsorgung doch politisch gewollt. Sonst würde man mit erheblich höheren Strafen und reichlich "Müllstreifen" gegen Menschen, die ihren Müll einfach wegwerfen statt vernünftig zu entsorgen vorgehen." Ja, man kann sich alles schönreden/- schreiben.... Weil es wenig oder nichts kostet, kann man den Müll ruhig in der Umwelt entsorgen, oder wie? Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass höhere Geldstrafen das Problem lösen? Es ist doch jetzt schon strafbar und schreckt keinen ab! So eine Ansage von einem "Vater", da weiß man gleich, wie sich die nächste Generation benimmt.

  19. 73.

    >"Jeder Bahnhof wird videoüberwacht. Also, wo ist das Problem..."
    Janz dolle jedacht Jürgen...
    Nur dann muss auch das Personal da sein, dass gleich hinterm nächsten Pfahl aufm Bahnsteig wie ein Rollkommando bereit steht. Denn der Verursacher steigt gleich in die einfahrende S-Bahn und ist weg.
    Das mit dem Dreck umher ist ein gesellschaftliches Problem, regional auch unterschiedlich - je nach dem, welches allgemeine Umfeld herrscht.
    Zumal die Hälfte des Mülls in den Gleisen eigentlich auch Flugdreck ist, der sich wie eine Schneewehe vorm Hinternis (Bahnsteigkante) sammelt. Das ist der Dreck, der sonst auch in Berlin so in den Büschen hängt. Der Wind, der Wind... das himmlische Kind ;-))

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