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Quelle: Picture Alliance/Wolfram Steinberg

Interview | Architektenkammer Berlin

"Bauen im Bestand muss erleichtert werden"

Durch die Pandemie und den Trend zum Homeoffice stehen auch in Berlin Büroräume leer. Theresa Keilhacker von der Berliner Architektenkammer sieht Chancen, diese Flächen in Wohnraum umzuwandeln - wenn die Bedingungen besser werden.

rbb: Frau Keilhacker, wie groß ist das Phänomen leerstehender Büros in Berlin aus Ihrer Sicht?

Theresa Keilhacker: Das ist schwer einzuschätzen, weil wir natürlich eine hohe Dunkelziffer auf dem Markt haben. Viele Gebäude, die leer stehen, sind nicht erfasst. Eigentlich sind wir da ein bisschen darauf angewiesen, dass es uns die Nachbarschaften melden. Ein Branchenanalyst hat das mal so auf circa 4,1 Prozent der Büroflächen geschätzt.

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4,1 Prozent - das klingt für Laien erstmal nicht nach sehr viel.

Beim Thema Wohnungen schauen wir eben auf den ganzen Instrumentenkasten, den wir zur Verfügung haben. Wir können eben nur auf der grünen Wiese bauen angesichts der Umwelt- und Klimaschutzthemen, die wir im Fokus haben müssen. Deswegen haben wir uns ein bisschen das Motto gegeben: Bestands-Ertüchtigung vor Neubau. Das heißt: Mit Ressourcen ökonomischer und ökologischer umzugehen und eben zu gucken, was man vielleicht umwandeln und zu neuen Nutzungen überführen kann.

Wie schwer oder einfach wäre es denn, Büros in Wohnungen umzuwandeln? Der Senat sagt, dass etwa Brandschutz und andere Bestimmung dagegen sprechen würden. Was sagen Sie?

Natürlich ist Bauen im Bestand immer eine Herausforderung. Dafür sind wir Architektinnen aber ausgebildet oder werden uns auch weiter ausbilden. Das ist immer ein lebenslanges Lernen. Bauen im Bestand heißt, auch mit sehr vielen Normen und Vorschriften umzugehen. Deswegen haben wir jetzt in der Novellierung der Bauordnung, die schon seit Jahren im Gespräch ist, gefordert, dass man für das Bauen im Bestand die Vorschriften etwas erleichtert. Damit macht man auch das Ertüchtigen und Umbauen, das heute wichtig ist, ein bisschen leichter für uns.

Wie attraktiv wäre es, wenn zum Beispiel inmitten eines Gewerbegebiets aus einem Bürohaus ein Wohnhaus würde? Ein bisschen Infrastruktur zum alltäglichen Leben ist auch nett.

Da haben Sie völlig Recht. Das wäre jetzt nicht die priorisierte Lage, sondern wir denken da eher an die Mischgebiete in der Stadt. Entlang der Heidestraße entstehen zum Beispiel gerade sehr viele Büroflächen, wo man sich fragt, ob die jemals ihren Abnehmer finden. Aber auch vor allem in B- und C-Lagen, in den Randlagen von Berlin, gibt es viele Büroflächen, die sich nicht mehr richtig gut vermarkten lassen. Und die sind mitten in funktionierenden Quartieren. Dort wäre das Umwandeln lohnenswert.

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Wie könnte denn, grob formuliert, ein gesamtstädtebauliches Konzept für eine Umwandlung von Büros in Wohnraum aussehen?

Die Bezirke sind da eigentlich die richtigen Ansprechpartner. Die wissen am ehesten, wie ihr Bezirk und ihre Quartiere zusammengesetzt sind, wo es fehlt und wo man eben Wohnungsbau noch ganz gut gebrauchen kann. Wir haben im Moment gerade diese stark leerstehenden Einkaufsflächen. Da gibt es sehr gute Beispiele, interessanterweise von vor ungefähr zehn Jahren. Das ist auch typisch für unsere Branche, dass alle zehn Jahre bestimmte Trends wiederkehren. Es gab schon einmal in den 2010er-Jahren eine ganze Serie von Umbauten, die ehemalige Warenhäuser in schöne Wohnungen umgewandelt haben.

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Jetzt darf ich auch erwähnen, dass Sie von der einstigen Klimaschutzsenatorin im vergangenen Jahr in den Klimaschutzrat Berlins berufen worden sind. Sie haben also auch diese Perspektive inne. Was spricht denn aus Klimasicht dafür, Büros in Wohnraum umzuwandeln?

Wir müssen einfach Ressourcen schonen, und wir müssen den CO2-Verbrauch möglichst reduzieren. Die Baubranche ist nun mal leider bekannt dafür, dass sie sehr viel emittiert an CO2. Sie gehört zu den großen Sektoren, die unser angestrebtes Klimaziel von 1,5 Grad wahrscheinlich nicht erreichen können.

Verkehr ist der andere große Brocken. Da geht es darum, dass man eben mit bestehenden Ressourcen gut umgeht. Wir nennen das den Erhalt von grauen Energien, die schon im Gebäude drinstecken. Das betrifft sowohl die Herstellungs- als auch dann die Entsorgungsenergie – also der ganze Kreislauf muss in den Blick genommen werden. Wir dürfen nicht mehr so viel wegwerfen, verschwenden und so weiter. So wie wir auch für Produkte fordern, dass sie reparierbar sind, müssen wir das auch für unsere Gebäude fordern.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 07:45 Uhr

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