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Quelle: picture alliance/dpa-tmn/C.Klose

Chips, Klöße, Pommes

Kartoffeln zu Weihnachten nicht knapp - trotz Krise in Nachbarländern

Die Kartoffelernte war in mehreren europäischen Ländern bescheiden, wegen der Nässe stecken die Knollen immer noch in manchen Feldern. Doch zum Weihnachtsgeschäft zieht die Nachfrage an. Werden Kartoffelsalat, Kloßteig oder Kroketten nun teurer?

"Die Kartoffel ist ein Sattmacher", fasst der Brandenburger Landwirt Stefan Hoy die Lage zusammen und mit diesem treffenden Zitat soll dieser Text beginnen. Mehr als 54 Kilogramm Erdäpfel, ob verarbeitet oder als volle Knolle, vertilgen die Deutschen pro Kopf und Jahr, ein immer größerer Anteil davon sind Chips, Kartoffelsalat und Pommes.

"Süddeutsche Zeitung", "Zeit" und die Nachrichtenagentur "Bloomberg" [alle Bezahlinhalt] vermeldeten vor wenigen Tagen, dass die deutschen Kartoffelesser zu Weihnachten Probleme bekommen könnten: Weniger Ware, steigende Preise, weil Landwirte in den Niederlanden, Belgien, Nordfrankreich und Großbritannien wegen der sehr nassen letzten Wochen jede Menge Knollen in der Erde lassen mussten.

Der Preis für hundert Kilogramm sei innerhalb weniger Wochen von acht auf zwanzig Euro gestiegen, warnte der Verband der nordwesteuropäischen Kartoffelanbauer. Die sogenannten Kartoffel-"Futures" sind ein Verbraucherpreis-Index für Kartoffeln, die an der Börse gehandelt werden, eine Annahme auf den Preis in ein paar Monaten. Er liegt so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr [eex.com].

Könnte das tatsächlich den Kartoffelsalat mit Würstchen oder den Kloßteig als Festtagsessen gefährden? Spoiler: Nein. Aber erstmal zurück zu Stefan Hoy, der den Sattmacher auf etwa 90 Hektar seines Betriebes in Nuthe-Urstromtal, nordöstlich von Luckenwalde (Teltow-Fläming), anbaut.

Exportschlager Kartoffelstärke

Von der Prignitz hinaus in die weite Welt

In der Prignitz geht es jetzt wieder um die Knolle. Mit der Ernte beginnt im Werk in Dallmin die Kartoffelstärkeproduktion. Die Produkte finden sich in vielen Lebensmitteln von Instant-Nudeln, über Fruchtgummis bis zum veganen Käse. Von Björn Haase-Wendt

Ernte: ganz okay

Insgesamt waren Brandenburger Landwirte mit der Kartoffelernte laut mehrerer Verbände recht zufrieden - aber regional gab es große Unterschiede. "Die Qualität der Ernten war in fast ganz Deutschland in diesem Jahr schlecht. Erst gab es extreme Trockenheit, dann einen nassen Sommer, dann einen sehr warmen August und September. In der Zeit haben viele Anbauer ihre Kartoffeln in der Erde liegen lassen. Und von da ging es direkt wieder in eine Nässephase über", sagt Stefan Hoy. Er erzählt, dass er durch Starkregen Ende Juni selber einen Teil der Ernte verloren hat. "Innerhalb von 24 Stunden sind 30 Prozent der Kartoffelfelder abgesoffen. Ansonsten wäre die Ernte leicht überdurchschnittlich ausgefallen", sagt der 39-Jährige.

Die Trockenheit des Landes, die ansonsten oft ein Problem für die Landwirtschaft bedeutet, war bei den Kartoffeln dieses Mal an manchen Orten sogar ein kleiner Vorteil. "Die relativ hohen Niederschläge im Herbst haben sich besonders bei den großen Playern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ausgewirkt", sagt Fabian Blöchl, Referent für Acker- und Pflanzenbau beim Landesbauernverband Brandenburg. "Deshalb soll dort noch viel in der Erde liegen, weil die Böden einfach noch zu feucht sind. Die Brandenburger Anbaubetriebe sind dagegen besser durchgekommen", sagt Blöchl.

Das praktisch verschwundene Erbe des Kartoffelkönigs

Stefan Hoy verkauft seine gesamten Kartoffeln an einen Großhändler ganz in der Nähe, der sie wiederum regional an Einzelhandelsketten wie Kaufland, Netto oder Norma weitervertreibt. Die Kartoffeln des Bio-Landwirts Johann Gerdes aus Steinhöfel in Oder-Spree landen am Ende ausschließlich in regionalen Bio-Supermärkten, wie er sagt. So kurze Wege sind im Gesamtgeschäft die Ausnahme. Fast die Hälfte der Anbauflächen liegt in Niedersachsen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die meisten Kartoffeln, die man in Berliner und Brandenburger Supermärkten kaufen kann, stammen von dort.

In Brandenburg liegen etwa 10.000 der bundesweit knapp 270.000 Hektar Anbaufläche, nicht einmal vier Prozent - ein historischer Abstieg. Friedrich II., Ehrentitel "Kartoffelkönig", führte das Gewächs aus Südamerika im 18. Jahrhundert im Märkischen ein und forcierte den Anbau, um seine Untertanen satt zu kriegen. Zu DDR-Zeiten spielte die Knolle noch eine viel größere Rolle, damals besonders bei der Tierfütterung. Die hat in Brandenburg heute kaum noch Bedeutung.

Die Kartoffel braucht gut verteilte Niederschlagsmengen, sie mag feuchtwarmes Wetter, zwischen 20 und 25 Grad Celsius. Die Bedingungen sind im vergleichsweise trockenen Brandenburg – auch durch den Klimawandel – schwieriger geworden. Bundesweit hatten 2022 bei den Flächenländern nur Thüringen und das Saarland noch geringere Erträge aus Kartoffelernten. Die Anbauflächen seien leicht rückläufig, sagt der Brandenburger Bauernverband. Der Großteil, der heute von hier kommt, sind Stärkekartoffeln für die Industrie, der kleinere Teil Speisekartoffeln. Die wenigstens sind fast alle geerntet und bereit fürs weihnachtliche Schälen - im Schlamm steckt eher die Fabrikware.

Ein wahrer Freund der Knolle: Bis heute legen dankbare Verehrer Kartoffeln auf dem Grab Friedrichs II. in Potsdam ab. | Quelle: Grabplatte Friedrich des II. am Schloss Sanssouci mit Kartoffeln (Quelle: dpa/Sylvio Dittrich)

Mehr Kartoffeln, als die Deutschen essen wollen

Überhaupt: Dass die Deutschen nun auf die Sattmacher verzichten müssen, steht nicht zu befürchten. In der Bundesrepublik werden Jahr für Jahr mehr Erdäpfel produziert, als gegessen werden. Deutschland ist der größte Erzeuger der Europäischen Union, gefolgt von Polen. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 150 Prozent [ble.de] - in der Region Berlin-Brandenburg übrigens bei nicht einmal 30.

Die Großhandelspreise sind im Vergleich zum Vorjahr stabil und nicht wesentlich gestiegen, das bestätigt auch Bio-Landwirt Johann Gerdes. "Wir sind mit unseren Preisen auf dem Vorjahresniveau. Was kosten- und inflationsmäßig nicht wirklich ausreicht. Eigentlich bräuchten wir eine Preissteigerung", sagt Gerdes, "aber im Verhältnis zu anderen Bioprodukten wie Getreide ist die Kartoffel hier mit ihrer relativ kurzen Wertschöpfungskette nach wie vor zufriedenstellend."

Kraftstoff, Personal, Pflanzgut, Dünger: Die Kartoffel kostet

Das Problem: Die Kartoffel hat relativ hohe Kosten im Anbau, Betriebe müssen beispielsweise eine gleichmäßige Bewässerung sicherstellen können - nur so kann man einen sicheren Ertrag garantieren. Der Landwirt Stefan Hoy zählt auf, warum das Geschäft für die Landwirte teurer geworden ist: "Der Dieselkraftstoff ist teurer, am 1. Januar kommt wieder mehr CO2-Steuer drauf. Dazu die Kosten für Pflanzgutproduktion, Lagerung, Löhne. Aber vor allem Dünger kostet wesentlich mehr."

Auf ein Kilo Kartoffeln gerechnet, bekomme ein Landwirt nur wenige Cent mehr, falls der Preis steige, sagt Josephine Hardt, Geschäftsführerin des Vereins "Bio Kartoffel Erzeuger", der bundesweit 250 Betriebe vertritt. Auch der Kreisbauernverband Teltow-Fläming, dem wichtigsten Brandenburger Anbaugebiet für Speisekartoffeln, bestätigt: Das Gros der Gewinne schöpft der Einzelhandel ab.

Probleme könnte es im Frühjahr geben

Im Weihnachtsgeschäft dürften die Preise aber nur wenig steigen, schätzen Anbaubetriebe und Branchenverbände im Gespräch mit rbb|24 - im Frühjahr allerdings könnte das ganz anders aussehen. "Die Preise sind ganz leicht gestiegen, sie liegen jetzt etwas über dem Vorjahresniveau. Aber die Qualitäten sind insgesamt schlecht, so dass ich denke, dass wir im Februar, März nicht mehr viel in den Läden liegen haben. Um das Loch bis zu den neuen Kartoffeln im Frühjahr zu füllen, wird es wohl auf Importware hinauslaufen", sagt Stefan Hoy. Die Einschätzung teilt auch sein Kollege Gerdes.

Dabei könnte es allerdings mehrere Probleme geben: Einer der wichtigsten Produzenten für Frühkartoffeln ist Israel, hier ist die Perspektive durch den Gaza-Krieg gerade unsicher. Ein anderer ist Ägypten, hier würden die deutschen Importeure gerade mit den Ländern konkurrieren, die jetzt schon eine gestiegene Nachfrage zu decken haben. "Die Deutschen haben früher sehr viel ägyptische Ware eingekauft. Irgendwann haben die Händler die Ägypter aber so weit gedrückt, dass die gesagt haben, wir verkaufen lieber woanders hin", sagt Stefan Hoy.

Bio-Landwirt: "Undurchsichtige Lieferstrukturen"

Mehrere Brandenburger Landwirte und Verbände plädieren im Gespräch mit rbb|24 erwartungsgemäß für mehr Anbau vor Ort, um sich von den Schwankungen des Weltmarkts unabhängiger zu machen. Auch wenn das langfristig höhere Kosten bedeutet. Ein Beispiel: Schon für Gesamtdeutschland prognostiziert der Branchenverband Unika bis 2030 einen doppelt so hohen Wasserbedarf für die Herstellung von Kartoffeln wie heute [unika.de].

Er habe die Artikel über die Preissteigerungen an der Börse gelesen, sagt Johann Gerdes am Telefon, und sich seine Gedanken gemacht. "Das zeigt doch auch: Wenn man den Anbau nur in ein paar Regionen verlagert, streut man das Ausfallrisiko zu wenig. Und ich finde, es zeigt auch, dass internationale und undurchsichtige Lieferstrukturen gefährlich für die Ernährungssouveränität sein können."

Was umgekehrt souveräne Ernährung angeht, zum Schluss nochmal zurück zum Sattmacher: Was wollen sich die Deutschen denn nun zum Weihnachtsfest Herzhaftes einverleiben? Marktforscher haben Umfragen anstellen lassen. Häufigste Nennung: Würstchen mit Kartoffelsalat.

Beitrag von Sebastian Schneider

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