1893 bei Weltausstellung in Chicago gezeigt - Lange verschollenes Porzellan-Kunstwerk kehrt nach 130 Jahren nach Berlin zurück

So 24.07.22 | 20:09 Uhr
  5
Die Germania, Teil des KPM-Wandbilds "Glory of Germania", das aus mehr als 1.000 Kacheln besteht. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 24.07.2022 | Petra Gute | Bild: rbb

Das riesige Porzellan-Wandbild "Glory of Germania" zierte die Weltausstellung 1893 in Chicago. Doch 1985 verschwand das Werk der Berliner Königlichen Porzellan-Manufaktur. Die mehr als 1.000 Kacheln wurden erst viele Jahre später wiederentdeckt.

Es ist ein feierlicher Moment: An einem frühen Morgen im Juli kehrt die "Glory of Germania" zur Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin-Charlottenburg zurück - knapp 130 Jahre nachdem das Kunstwerk seine Ursprungsstätte verlassen und sich auf die weite Reise nach Chicago zur Weltausstellung 1893 gemacht hat.

Wiederentdeckt hat das etwa dreieinhalb mal fünfeinhalb Meter große Wandbild aus Porzellanfliesen Reinhard Andress, Germanistik-Professor in Chicago und Sohn deutscher Einwanderer. Bei der Ankunft der Fliesen in Berlin ist er dabei: "Es ist ein ganz spannender Moment, ich habe seit vier Jahren an diesem Projekt gearbeitet und freue mich riesig, dass die 'Glory of Germania', dass diese Beschützerin von Kunst und Wissenschaft, dieses großartige Wandgemälde der KPM hier in Berlin-Charlottenburg angekommen ist."

Reinhard Andress bei der Ankunft der "Glory of Germania" in der Köngilichen Porzellan-Manufaktur in Berlin. (Quelle: rbb)
Reinhard Andress kam dem Wandbild auf die Spur | Bild: rbb

Von der Weltausstellung in einen Club - und dann vergessen

Noch ist die "Germania" ordentlich in Kisten verpackt. Jede Kiste ist 400 Kilo schwer. In ihnen befinden sich, noch einmal extra verpackt, insgesamt 1.057 Fliesen. Da heißt es Aufpassen - nicht nur wegen des empfindlichen Materials. "Wir müssen das irgendwie so ordnen, dass wir das logisch auspacken und auch gleich auslegen können und dann nicht so ein großes Puzzle-Spiel haben", sagt Andress.

Jahrzehntelang war die "Glory of Germania" verschollen. Nach der Weltausstellung ging das Porzellangemälde zunächst in den Besitz des Germania-Clubs in Chicago über, schmückte dort den Ballsaal. Nachdem der Club 1985 aufgelöst wurde, wurden die Teile des Wandbildes eingelagert - und weitgehend vergessen. Bis Reinhard Andress die Fliesen 32 Jahre später auf einem verstaubten Dachboden in Chicago fand.

Claudia-Tetzlaff, Leiterin KPM-Archiv, legt Kacheln des Wandbilds "Glory of Germania" auf den Boden. (Quelle: rbb)
Aus 1.057 Fliesen besteht die "Glory of Germania" | Bild: rbb

Gefunden auf dem Dachboden einer Seniorenrezidenz

Seine Eltern seien aus Berlin in den 1950er Jahren in die USA ausgewandert, er selbst in Milwaukee, Wisconsin geboren, erzählt Andress. Er habe Germanistik studiert und sich immer für das Deutsch-Amerikanertum interessiert. Als der Club 1985 eingegangen sei, habe er sich gefragt, wo dieses Porzellangemälde war. "Ich hab es dann schließlich gefunden, auf dem Dachboden vom Altenheim einer Seniorenresidenz in einem Vorort von Chicago."

Und was genau auf dem "Prachtwerk" zu sehen ist, das er dort fand, erklärt Andress auch: die Göttin Germania, die symbolisch das deutsche Volk darstellen sollte. "Und diese Germania schützt dort berühmte Figuren aus Kunst und Wissenschaft."

Archivbild: Der deutsche Pavillon der Weltausstellung 1893 in Chicago.
Hinter kunstvoll geschmiedeten Eisengittern wurde die Germania in Chicago ausgestellt. | Bild: rbb

Ehrfurcht vor dem Können der KPM-Kollegen

25 Millionen Besucher sahen die Germania in den sechs Monaten der Weltausstellung 1893 in Chicago. Hinter kunstvoll geschmiedeten Eisengittern standen mehrere Pavillons, in einem von ihnen wurde das KPM-Wandbild gezeigt. Damals sei Chicago die drittgrößte "deutsche Stadt" der Welt nach Berlin und New York gewesen, sagt Andress in Anspielung auf die vielen deutschen Einwanderer in den USA.

Gestaltet wurde das Bild vor 130 Jahren von Alexander Kips, dem damaligen künstlerischen Leiter der KPM - für KPM-Mitarbeiter von heute wie Claudia Tetzlaff fühlt es sich an wie eine Begegnung mit ihren Vorgängern. Ehrfurcht habe sie, sagt die Leiterin des KPM-Archivs, "nichts als Ehrfurcht, vor dem Können der Kollegen, die vor mir in der Manufaktur tätig waren.

Nach einer Restaurierung soll das Bild ausgestellt werden

Die Germania ist per Schenkung an die KPM-Stiftung übergegangen. "So ein großes Bild gibt es bei uns nicht und dass das wieder aufgetaucht ist und dass wir das geschenkt bekommen haben, das ist natürlich ganz großartig", freut sich KPM-Eigentümer Jörg Woltmann.

Schadhafte Einzelfliesen werden jetzt sorgfältig restauriert, zwei Jahre wird das laut Woltmann voraussichtlich in Anspruch nehmen. Interessierte können aber schon in dieser Zeit einen Blick auf die Germania werfen, denn es soll Führungen geben, kündigte Woltmann an. Anschließend soll das Wandbild für alle zu sehen sein. Wo das sein wird, steht aber noch nicht fest.

Mit Material von Petra Gute, rbb24 Abendschau

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.07.2022, 19:30 Uhr

5 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 5.

    Zwei der Eisentore gibt es heute noch. Sie dienen als Post- bzw. Lindstedter Tor als Eingänge zum Park Sanssouci unmittelbar am Neuen Palais.

  2. 4.

    Ich wohne in einer kommunalen Wohnung zur Miete.
    Ich bin bereit diese Fliesen in meiner gesamten oder einen Teil meiner Mietwohnung an die Wand bzw. auf den Boden bringen zu lassen.
    Aber, die Fliesen sollten abwaschbar sein.

  3. 3.

    "Glory of Germania"...so etwas könnte doch Frau Roth auf der "Documenta" ausstellen lassen, oder es anstelle der nach Afrika gegebenen Bronzen zeigen lassen.

  4. 2.

    Der Fund ist erstaunlich. Nach so vielen Jahren wieder gefunden. Wer weiß was noch so vergessen auf Dachböden lagert. Es sind ja noch so viele Gemälde verschollen. Ich hoffe sehr, dass jemand auch die findet.

  5. 1.

    Sehr interessanter Bericht!
    Für solch eine Leistung beim Auffinden alten deutschen Kulturgutes, hat sich Herr Andress einen hohen Berliner Orden verdient.

Nächster Artikel