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Audio: rbb24 Inforadio | 09.12.2022 | Marie Kaiser | Quelle: dpa/Gerd Roth

Ausstellung "I build my skin with rocks" in Berlin

Die Kreatur in der Bahnhofshalle

Für ihre Ausstellung "I build my skin with rocks" hat Sandra Mujinga 2021 den Preis der Nationalgalerie gewonnen. Jetzt zeigt die norwegische Künstlern mit kongolesischen Wurzeln ihre futuristische Videoinstallation im Hamburger Bahnhof. Von Marie Kaiser

Es ist gigantisch, es ist schwarz und es flösst sofort Respekt ein. Das merkwürdige langgezogene Objekt, das fast bis zur Decke der historischen Halle des Hamburger Bahnhof reicht. Auf den ersten Blick sieht der schwarze Riesenquader aus, als hätten Außerirdische ihn hier geparkt, um ihn als Pforte in eine andere Welt zu benutzen. Doch wir befinden uns nicht in einem Science-Fiction-Film, sondern in der Ausstellung der Künstlerin Sandra Mujinga, die im vergangenen Jahr den Preis der Nationalgalerie gewonnen hat.

Künstlerin Sandra Mujinga | Quelle: Chai Saeidi

"In der Dunkelheit kann schwarze Haut fast unsichtbar werden"

Plötzlich flackert ein Bild auf dem riesigen Bildschirm auf. Nur für wenige Sekunden scheint eine Hand vor leuchtend rotem Hintergrund auf. Dann die Züge eines Gesichts. Ein Ellenbogen. Ein geschlossenes Auge mit Wimpern. Ein Flirren und Flimmern und dann ist auch dieses Bild verschwunden. Unmöglich, aus diesen vergrößerten Nahaufnahmen ein vollständiges Bild zusammenzusetzen, herauszufinden, was genau wir da sehen. Die norwegische Künstlerin mit kongolesischen Wurzeln nennt das fantastische Wesen nur "the creature" - die Kreatur.

"Ich zeige diese kurzen Ausschnitte, weil ich das Gefühl hatte, ich muss die Kreatur, die ich da erschaffen habe, beschützen. Denn es geht mir auch darum, die Gefahren der Sichtbarkeit zu thematisieren. Manchmal ist es sicherer, im Dunklen zu bleiben", erklärt sie im Interview mit rbb|24. Das sei auch einer der Vorteile einer dunkleren Hautfarbe, fügt die schwarze Künstlerin hinzu, weil dunkle Haut von Kameras schlechter erfasst werden kann. "Je dunkler die Haut ist, umso besser kann sie im Dunkeln verborgen bleiben. In der Dunkelheit kann schwarze Haut fast unsichtbar werden."

Deutsches Technikmuseum

"Wir wollen den Menschen wieder Lust aufs Reparieren machen"

Eine neue Ausstellung im Berliner Technikmuseum will eine alte Kulturtechnik wiederbeleben: das Reparieren von Geräten und Gegenständen, die dadurch eine "zweite Chance" bekommen. Ambitioniert - und durchaus gelungen, findet Hans Ackermann.

Erschaffen eines neuen Menschen

Aber auch die menschliche Beziehung zur Sonne verhandelt Sandra Mujinga in dieser Arbeit. "Mir wurde als Kind immer gesagt, dass ich mit meiner dunklen Haut keine Sonnencreme benötigen würde - wegen des Melanins. Und das ist einfach nicht wahr. Auch schwarze Menschen brauchen Sonnencreme."

Es geht also auch um Haut in ihrer politischen Dimension in der Ausstellung "I build my skin with rocks". Für den Titel der Schau hat Sandra Mujinga das Zitat "Ich baue meine Sprache mit Steinen" des karibischen Dichters und Politikers Édouard Glissant aus dem Jahr 1969 abgewandelt. Glissant wollte eine Poesie finden, welche die Gräuel des Sklavenhandels und die Sprache der Kolonialzeit hinter sich lässt. Sandra Mujinga geht es um das Wachsen einer neuen Haut, das Erschaffen eines neuen Menschen. Für ihre Kreatur hat Sandra Mujinga deshalb eine neue Haut genäht. Einen Bodysuit aus Leder und Kunstleder, der im Video von einer Performerin getragen und belebt wird.

Beim Titel "Ich baue meine Haut mit Steinen" habe sie an die Haut von Elefanten gedacht. "Wenn Elefanten ihre Haut mit Schlamm bedecken, entsteht fast so etwas wie eine Felsformation, eine steinerne Haut. Diese Haut hat auch etwas Fragiles, denn Felsen können zerbröckeln. Die Körper verschwinden, werden zu einer Landschaft. Können nicht vermessen oder gesehen werden." Der Körper dieser von Mujinga erschaffenen Kreatur, dieses Mischwesen, das halb Mensch ist und halb Elefant ist, wird zu einer abstrakten Landschaft.

Quelle: Jens Ziehe

Die geheimnisvolle schwarze Box

Sandra Mujinga hat eine Arbeit geschaffen, die lange betrachtet werden kann, ohne sie ganz zu erfassen und die trotzdem eine unglaubliche Anziehungskraft entwickelt. Die Musik, die dazu erklingt, hört sich an wie der Soundtrack eines Science-Fiction Films. Die Künstlerin hat sie selbst komponiert. Ihre Vorliebe für Science Fiction erklärt die 33-Jährige so: "Science Fiction kann ein wirkungsvolles politisches Instrument sein. Durch sie können wir ganz neu über die Strukturen nachzudenken, in denen wir leben. Wir können uns eine andere Zukunft, eine neue Art des Zusammenlebens vorstellen. Nur wenn wir anfangen zu träumen, können wir anfangen zu Handeln und neue Ideen umzusetzen."

Wer die geheimnisvolle schwarze Box von Sandra Mujinga länger ansieht, dem fallen drei Treppenstufen am unteren Rand des riesigen Bildschirms auf. Sie wirken fast wie eine Einladung an die Besucherinnen und Besucher, den Bildraum zu betreten. Sind sie vielleicht auch ein Portal in die Zukunft? "Ja", sagt Sandra Mujinga. "Diese Treppenstufen sind inspiriert von den steinernen Portalen der Fantasy-Serie 'Das Rad der Zeit'. Sie sind eine Einladung eine andere Welt zu betreten. Und dann stellt sich ja die Frage: auf welcher Seite dieses Portals befindet sich die reale Welt. Sind wir es, die die Kreatur in dieser Box betrachten. Oder ist es umgekehrt und diese Kreatur beobachtet uns?"

Die Ausstellung "I build my Skin with Rocks" von Sandra Mujinga läuft vom 9. Dezember bis 1. Mai 2023 im Hamburger Bahnhof.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.12.2022, 07:20 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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