Ausstellungseröffnung: Alice Springs Retrospektive - "Sie hat die Menschen geöffnet, die sie porträtiert hat"

Sa 03.06.23 | 12:38 Uhr | Von Margarete Kreuzer und Marie Röder
Kurator Matthias Harder. (Quelle: rbb)
Audio: rbb|24 Inforadio | 02.06.2023 | Barbara Wiegand | Bild: rbb

June Newton alias Alice Springs war die Ehefrau des Starfotografen Helmut Newton - und selbst eine Meisterin an der Kamera. Das Museum für Fotografie zeigt Werke und Gegenstände aus ihrem Hausstand. Ein Gespräch mit Kurator Matthias Harder.

Am Anfang ihrer fotografischen Karriere stand eine Grippe von Helmut Newton. June Newton alias Alice Springs ließ sich die Kamera von ihrem kranken Ehemann erklären und vertrat ihn bei einem Fotoshooting. Von da an schuf sie intensive Porträts, fotografierte Akte und arbeitete in der Mode- und Werbewelt. Anlässlich ihres 100. Geburtstages stellt das Museum für Fotografie 200 ihrer Werke und private Gegenstände, wie der Kurator Matthias Harder erklärt.

rbb: Sie kannten June Newton alias Alice Springs persönlich. Wie war sie als Mensch und als Künstlerin?

Matthias Harder: June Newton ist eine wunderbare und fordernde Person gewesen, sie hatte ein unbestechliches Auge. Sie war eine großartige Fotografin. Sie hat die Menschen geöffnet, die sie porträtiert hat. Lustigerweise hat sie in den gleichen Genres gearbeitet wie Helmut Newton, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung. Denn sie hat sich in erster Linie auf das Porträtfach konzentriert.

Wie haben sich die beiden kennengelernt?

Sie trafen sich in Helmut Newtons Studio, June erwartete einen älteren Fotografen. Die Tür öffnete sich, und das ist jetzt der Originalton von June: Ein wunderbarer, ein "good-looking guy" kam herein. Sie hat sich möglicherweise gleich auf Anhieb in ihn verliebt. Sie haben ein paar Fotos zusammen gemacht und ein Jahr später waren sie schon verheiratet.

In der Ausstellung kann man ein Foto sehen, das Helmut Newton in Stöckelschuhen zeigt. Was bedeutet diese Inszenierung? Wie sah sie ihren Mann?

Ich glaube, das war ein tolles Wechselspiel der beiden. Sie haben sich schon seit den 50er-Jahren gegenseitig porträtiert, also lange bevor June Newton als Fotografin richtig reüssierte. Das Bild mit den Pumps ist aus den Achtzigern. Man sieht ihn mit den Schuhen und ihrem Hut. Es ist ein Rollenspiel, was zwischen den beiden schon früh begann. So posierte er vor ihr, es ist amüsant.

Eigentlich war June Newton Schauspielerin. Warum hat sie ihren Beruf aufgegeben?

Als Helmut und June Newton Australien im Jahr 1961 verlassen haben, war sie eine preisgekrönte Theater- und Fernsehschauspielerin. Die beiden zogen nach Paris und da hat sich für sie im Grunde genommen alles geändert. Sie konnte in dem französischsprachigen Frankreich nicht mehr schauspielern. Zunächst hat sie sehr viel gemalt und dann 1970 mit der eigenen Fotokarriere begonnen. Und das kam ganz kurios, denn Helmut Newton lag krank im Bett. Er hat ihr noch den Belichtungsmesser und die Verwendung der Kamera erklärt. Eigentlich wusste sie das alles schon. Und sie ist dann zu dem Model gegangen, das auf sie wartete. Das Bild wurde gemacht und sie wusste: Sie hat einen neuen Job.

Welche Entdeckungen haben Sie im Archiv gemacht, als Sie für die Ausstellung recherchierten?

Wir haben schon 2010 und 2016 jeweils eine große Einzelausstellungen von June Newton alias Alice Springs organisiert hier in der Helmut-Newton-Stiftung. Jetzt ist es allerdings so, dass wir noch mal in das Archiv gegangen sind. Nach dem Tod von June Newton wurde der Hausstand in Monte Carlo aufgelöst, und wir haben sehr, sehr viel zusätzliches Material bekommen.

In der Ausstellung kann man auch den sogenannten "Living Room“ sehen. Was verrät dieser darüber, wie die Newtons gelebt haben?

Der "Living-Room" ist im Grunde genommen die komprimierte Version der Wohnung aus Monte Carlo. Die war ziemlich groß – über 300 Quadratmeter, mit Blick aufs Mittelmeer. Helmut Newton war ein sehr guter Schwimmer und ging jeden Tag ins Wasser. Und so lebten die beiden. Das ist ein verrückter Mix aus High und Low: Wir haben berühmte Gemälde an der Wand, wir haben aber eben auch Filmplakate aus Russland an der Wand, Zeichnungen, einen Wahrhol, einen Lichtenstein, Memphis Design gewissermaßen. Mit diesen Dingen haben die beiden sich umgeben. Ich bin mir ganz sicher, dass die Menschen, die hierherkommen, die vielleicht auch schon mal bei Helmut und June gewesen sind, genau etwas wiedererkennen, was sie damals gesehen haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Ausstellung "Alice Springs. Retrospektive" ist vom 03.06.2023 bis 19.11.2023 im Museum für Fotografie zu sehen.

Das Interview führten Margarete Kreuzer und Marie Röder.

Sendung: rbbKultur - das Magazin, 03.06.2023, 18:30 Uhr

Beitrag von Margarete Kreuzer und Marie Röder

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