Preis für Popkultur in Berlin - Was sakral startet, endet oberflächlich, fast pathetisch

Fr 24.11.23 | 11:13 Uhr | Von Laurina Schräder
Symbolbild:Preis der Popkultur.(Quelle:dpa/F.Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.11.2023 | Laurina Schräder | Bild: dpa/F.Sommer

Wenig Glamour und eine reduzierte Zeremonie: Nachdem die Sponsoren in diesem Jahr ausblieben, musste der Preis für Popkultur Location und Show-Aufgebot ändern. Trotzdem wollte er viel: Diversität, Zusammenhalt und künstlerische Qualität. Von Laurina Schräder

Wie eröffnet man eine Preisverleihung, wenn uns täglich Nachrichten über Krieg oder das Aufstreben der politisch Rechten erreichen? Ausblenden kann man das nicht – und so entscheidet sich der Verein zur Förderung der Popkultur e.V. die Verleihung mit einer Live-Performance der israelischen Jazzmusikerin Yael Nachshon Levin beginnen zu lassen.

Nur am Bass begleitet, singt sie ruhig und eindringlich vom lauernden Tiger. Es hat etwas Sakrales – und so manch einer an diesem Donnerstagabend im großen Kino-Saal 1 des Colosseum an der Schönhauser Allee braucht einen Moment, um sich auf diesen konzentrierten Beginn der Preisverleihung einzulassen.

"Gemeinschaft" und "Zusammenhalt" als wiederkehrende Schlagworte

Popkultur spaltet nicht, Popkultur vereint – die Botschaft durchdringt in diversen Umschreibungen immer wieder die Texte des Abends. Doch was intensiv und gut beginnt, lässt sich über die zweistündige Preisverleihung nicht ganz halten. Vielen Themen gerecht werden zu wollen – Musik, Genres, Alter, Talent und auch aktueller Politik gleichzeitig – entpuppt sich als große, vielleicht zu große Herausforderung.

In allen zehn Kategorien wird stets Diversität gepriesen; "Gemeinschaft" und "Zusammenhalt" sind die wiederkehrenden Schlagworte – doch da sie bis auf ein paar Ausnahmen meist in Floskeln verpackt sind, haftet ihnen immer etwas Oberflächliches, geradezu Pathetisches an.

Kein Kommerz, sondern künstlerische Qualität

Auch wenn der deutsche Preis für Popkultur keine traditionsreiche Musikauszeichnung - wie etwa der US-amerikanische Grammy oder die BRIT-Awards Großbritanniens - ist, hat er sich seit seiner Gründung 2016 doch in der Landschaft deutscher Musikpreise als Größe etabliert. "Anti-Echo" – so wurde er damals mitunter bezeichnet und auch heute will der Jurypreis nach wie vor nicht den Kommerz betonen, sondern vor allem Vielfalt und künstlerische Qualität abbilden.

Eigentlich sollte der Preis bereits im Oktober verliehen werden. Doch es mangelte an Sponsoren und somit an Geld. Der Aufwand, die Veranstaltung wie geplant, im Theater des Westens und nicht im Colosseum auszurichten, war letztlich zu hoch. "Wir mussten die Verleihung dann innerhalb sechs Wochen komplett umdenken. Wir legen den Fokus auf eine kurze knappe Verleihung und wollen dann lieber bei der Aftershow Party dafür sorgen, dass hier Stimmung ist", so Vorstandsmitglied Markus Drzymalla.

Alle Nominierten gewinnen in einer Kategorie

Neben Yael Nachshon Levin sorgt auch Maryam.fyi für einen bedeutungsvollen Act während der Preisverleihung. Sie ist bereits länger mit dem Lied "Baraye" des inhaftieren iranischen Künstlers Shervin Hajipour unterwegs, um auf die Situation in Iran aufmerksam zu machen. In gleich zwei Kategorien - "Gelebte Popkultur" und "Bewegendste Geschichte" - ist sie nominiert, und wird in letzterer ausgezeichnet.

Hier allerdings entscheidet sich die Jury, gleich alle fünf Nominierten zu berücksichtigen: Neben Maryam.fyi sind das unter anderem das Video von Kayla Shyx "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert" oder die Recherche "Miss You: Klaut Robin Schulz einem Newcomer den Hit?" der Puls-Redaktion vom Bayrischen Rundfunk. "Jede Geschichte ist bewegend auf ihre Art und Weise; es wäre schwierig – oder zu kurz gedacht, eine in den Fokus zu rücken, weil alle Themen wirklich super wichtig sind", erklärt Markus Drzymalla.

Auch Peter Fox und Blumengarten sind am Start

Zum ersten Mal seit der Preisgründung 2016 hat zudem eine Expert*innen-Jury bei der Auswahl der Shortlist auf Vielfalt unter den Nominierten geachtet. Leider bleibt trotz der Bemühungen und kritischen Selbstreflexion am Ende die Preisverleihung meist Teil des Chart-orientieren Mainstreams. Nina Chuba bekommt den Preis für ihr Album "Glas" sowie den der "Lieblingskünstlerin".

Peter Fox gewinnt die Kategorie "Lieblingssong" für "Zukunft Pink (feat. Inéz)" und Blumengarten den mit 10.000 Euro-dotierten Newcomer-Preis. Erst vor einer knappen Woche ist die Band – wie auch Peter Fox – mit dem neuen Musik-Preis Polyton ausgezeichnet worden. Dass nun mit dem Polyton und Preis für Popkultur zwei ähnliche Preise in so kurzer Zeit aufeinander folgen, könnte für die Veranstalter der Popkultur-Preisverleihung die Chance sein, tatsächlich diverser zu werden, und statt ähnlichen Schwerpunkten neue zu setzen.

"Wenn wir uns angucken, wer gerade in den Charts ist – keine schwarze Person, kaum queere Personen. Die Repräsentation ist klein, und es ist schön nominiert zu sein, aber gleichzeitig muss noch mehr passieren", so Lie Ning, nominiert in der Kategorie "Lieblingskünstler*in". Zwar seien Preise generell erstmal eine gute Plattform, eine die es braucht, um etwas nach außen zu tragen. Eine Preisverleihung allein aber, so zeigt es sich an diesem Abend, reicht nicht aus, um Floskeln mit Inhalt zu versehen. Der erste Schritt allerdings ist getan.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.11.2023, 09:55 Uhr

Beitrag von Laurina Schräder

Nächster Artikel