Interview | re:publica-Mitbegründer - "Auf einmal ist alles radikal anders"

Mo 06.06.22 | 15:09 Uhr | Von Jenny Barke
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Archivbild: Besucher sitzen während der Internetkonferenz "re:publica" 2019 in einer Halle (Bild: dpa/Britta Pedersen)
Bild: dpa/Britta Pedersen

Das größte Festival für die digitale Gesellschaft ist zurück: Die re:publica 2022 findet nach drei Jahren wieder als Präsenz-Veranstaltung in Berlin statt. Auch Kanzler Scholz wird erwartet. Für Mitbegründer Markus Beckedahl ist das Motto entscheidend.

Pandemiebedingt fand die re:publica vergangenes Jahr online statt - nun wird es wieder analog. Die dreitägige Veranstaltung ist Europas größte Konferenz für die digitale Gesellschaft. Auf dem Programm stehen mehr als 400 Veranstaltungen mit rund 700 Sprecherinnen und Sprechern.

Dass der Einfluss der digitalen Gesellschaft immer größer wird, sollen prominente Gäste aus der Politik sowie der Zivil- und Netzgesellschaft untermauern. Erwartet werden auf der #rp22, die vom 8. bis 10. Juni in der Arena Berlin und dem Festsaal Kreuzberg stattfindet, unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesministerin Nancy Faeser (SPD).

Das Motto lautet dieses Jahr "Any way the wind blows". Was das mit dem Krieg gegen die Ukraine, der Klimakrise und Hass im Netz zutun hat, erzählt re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl im Interview.

rbb|24: Herr Beckedahl, "Any way the wind blows" heißt das Motto der re:publica 2022. Woher kommt die Idee?

Markus Beckedahl: Seit einigen Jahren singen wir zum Schluss einer re:publica "Bohemian Rhapsody" von Queen - als Karaoke mit allen. Wir finden es schön, da wieder anzuknüpfen. Es geht ja auch wieder in Richtung Normalisierung. Andererseits bezeichnet "Anyway the wind blows" auch diese heutigen, unsicheren Zeiten. Auf einmal ist alles radikal anders. Wir stecken inmitten der Klimakrise. Es gibt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die näher ist als Italien, und wir haben gerade zwei Jahre in einer Corona-Pandemie verbracht. Wir wissen nicht, wo es hingeht. Aber genau das wollen wir auf der re:publica mit allen Teilnehmenden reflektieren und deswegen "Anyway the wind blows" – keine Ahnung, wo der Wind hinwill.

Was sind die thematischen Highlights?

Wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine werden wir uns anschauen, wie der Informationskrieg funktioniert und ob es einen Cyberwar gibt. Wir wollen auch fragen, wie das Netz genutzt werden kann, um das Engagement einer Zivilgesellschaft besser zu ermöglichen und zu unterstützen. Der mediale Aspekt dieses Krieges wird also stark thematisiert.

Dann haben wir die Klimakrise, weshalb wir bewusst den Einstieg in eine sehr große Nachhaltigkeitsstrategie gewählt haben. Wir wollen als Veranstalter eine coole Atmosphäre schaffen, mit Sachen, die recycelbar und wiederverwertbar sind. Natürlich gibt es immer noch die Corona-Pandemie, die für viele Menschen gerade weit weg ist. Zu dem Thema haben wir die Macherinnen des Corona-Podcast vom NDR, Korinna Hennig und Katharina Mahrenholz, eingeladen. Wir wollen gemeinsam reflektieren, wie es eigentlich ist, wenn man auf einmal mit Wissenschaftsjournalismus das sexieste Thema gewonnen hat.

Markus Beckedahl während einer Konferenz 2017 (Bild: dpa/Simon Detel)
Der re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl. Bild: dpa/Simon Detel

Es soll aber auch um Hass und Sexismus im Netz gehen.

Wir haben eine ganze Menge Veranstaltungen zum Thema Hass im Netz, weil wir ja selbst aus dem Netz kommen. Es wird dieses Jahr mehr Frauen als Männer auf der Bühne geben - gerade Frauen sind eine Zielgruppe für Hass und Hetze im Netz. Das ist ein großes gesellschaftliches Problem, weil es auch dazu führt, dass im Namen der Meinungsfreiheit von einzelnen die Meinungsfreiheit anderer massiv beschnitten wird, die aufgrund von Hass und Hetze, Beleidigungen und Vergewaltigungs- und Morddrohungen irgendwann aufhören, ihre Stimme im gesellschaftlichen Diskurs zu artikulieren.

Warum nimmt Hass im Netz immer weiter zu, obwohl ja eigentlich immer offener darüber gesprochen wird, dass Mechanismen dagegen entwickelt werden müssen?

Ich glaube, viele haben Hass und Hetze als relativ effektive Waffe verstanden, um gegen andere Meinungen vorzugehen. Hass und Hetze sind politische Waffen der Neurechten, daran orientieren sich Menschen wie Donald Trump und rechte Parteien wie die AfD.

Auf der #rp22 werden viele Prominente teilnehmen, vor allem Politikerinnen und Politiker.

Ja, wir haben das halbe Bundeskabinett vor Ort. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben wir Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sowie verschiedene Staatssekretäre eingeladen.

Das zeigt, dass die Relevanz gesehen wird und das Interesse an gesellschaftlichen Debatten zur Digitalisierung hoch ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.06.2022, 10 Uhr

Beitrag von Jenny Barke

5 Kommentare

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  1. 5.

    "Und bei "Republika" ist die Bundeswehr nicht unerwünscht."
    Das war schon 2018 so. Ist ja auch keine Rekrutierungsbörse - fängt zwar auch "Re" an, is' aber was anderes. Zum den Teilnehmern und Veranstaltungen: https://re-publica.com/de/expo-area

  2. 4.

    "Auf einmal ist alles radikal anders" und es gibt Formulierungsschwierigkeiten angesichts des Überfalls von Putin. Und bei "Republika" ist die Bundeswehr nicht unerwünscht.

  3. 3.

    Hass und Hetze in Light - Form ist inzwischen nicht nur im Netz, sondern auch im öffentlicherechtlichen Medien keine Seltenheit mehr, bei letzteren natürlich nicht aus der AFD - Ecke, das ist nicht erwünscht, aber ansonsten scheint man sehr großzügig zu sein, zumal die Verbreiter ihr "Geschäft" gut verstehen. Ja, das was mitunter als vermeintliche Meinungsfreiheit dargeboten bekommt, kann unter der Rubrik "Hass und Hetze" verbucht werden.

  4. 1.

    „Ja, wir haben das halbe Bundeskabinett vor Ort.“
    Na dann…

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