Mediziner stuft Übertragungsrisiko gering ein - Affenpockenvirus dämpft Vorfreude auf den Christopher Street Day etwas

Fr 22.07.22 | 07:47 Uhr | Von Lena Petersen
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Archivbild vom CSD 2021 in Berlin. (Foto: picture alliance/Fotostand)
Video: rbb24 Abendschau | 22.07.2022 | Max Kell | Bild: picture alliance/Fotostand

Der CSD kehrt zurück: Nach den Pandemie-Jahren demonstriert die LGBTQA*-Community mit wohl Hunderttausenden für ihre Rechte in Berlin. Die Veranstalter sind wegen zunehmender Affenpocken-Infektionen aber besorgt. Von Lena Petersen

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue, dass diese Sichtbarkeit wieder da ist." Ulli Pridat ist der Enthusiasmus anzusehen, wenn er über den nahenden Christopher Street Day [csd-berlin.de] spricht. Er gehört zum Kern-Team des CSD e.V., dem Veranstalter der Demonstration. In den vergangenen Jahren habe die LGBTQIA*-Community an Akzeptanz verloren, sagt Pridat. Das zeige allein der Blick auf die ansteigende Zahl von Straftaten gegen queere Menschen.

Grafik/Karte: Route der Berlin Pride Parade 2022. (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Umso gewaltiger ist die Vorfreude darauf, nun am Samstag wieder demonstrieren zu können. Corona-Auflagen vom Senat gibt es in diesem Jahr nicht mehr. Die CSD-Veranstalter raten aber auf ihren Social-Media-Kanälen zum Tragen einer Maske. In diesem Jahr ist es ein anderes Virus, das die Vorfreude etwas dämpft. Das Thema Affenpocken treibt die Community um, sagt Pridat "Wir sind da wahnsinnig alarmiert und im Austausch mit allen Institutionen und Verbänden. [...] Wir verlinken auf das Lageso [Landesamt für Gesundheit und Soziales, Anm.d.Red.] auf unserer CSD-Website [csd-berlin.de]. Es ist wichtig, sich darüber zu informieren: Wie wird es übertragen? Was sind die ersten Anzeichen? Und was sollte man tun, um es zu vermeiden?" Genau wie bei Corona gelte, dass man nur auf das Virus hinweisen und zur Vorsicht aufrufen könne.

Maßnahmen gegen Corona helfen auch gegen Affenpocken

Der Allgemeinmediziner Ingo Ochlast impft in seiner Praxis in Berlin-Friedrichshain Patient:innen gegen die Affenpocken. Das Risiko, sich auf dem CSD mit dem Virus zu infizieren, hält er für gering. "Wenn ich am Rand stehe und zugucke oder über die Parade gehe, dann kann ich mich überhaupt nicht anstecken", sagt der Arzt.

Man könne das Infektionsrisiko durch bestimmte Verhaltensweisen außerdem minimieren. "Wir haben natürlich auch immer noch Covid-Saison. [...] Ein gewisser Abstand, finde ich, ist immer noch angebracht. Dann kann ich direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen." Wenn auch normale Hygieneregeln wie Händewaschen oder -desinfizieren eingehalten werden, könne nicht viel passieren.

Möglich seien Übertragungen aber zum Beispiel beim Küssen. Auch auf den Festwagen, wo die Menschen eng an eng stünden, könne eine Infektion durch den Körperkontakt nicht komplett ausgeschlossen werden. "Dann kann es natürlich theoretisch sein, dass wenn jemand eine kleine Pocke an der Hand hat und ich mit dem wirklich sehr innig bin, dass es hier zu einer Übertragung kommt."

Auch über diesen Weg dürfte es nach Ansicht des Arztes aber kaum Infektionen geben. Die Krankheit werde vor allem durch Sex übertragen. Verhütungsmittel würden keinen wirkungsvollen Schutz bieten. "Im Grund genommen kannst du es nur verhindern, indem du nicht intim bist", erklärt Ochlast. Letztlich sei ein wirkungsvoller Schutz bei dem Partner zu bleiben oder gerade keinen Sex zu haben.

Kritik an der medizinischen Versorgung

CSD-Vorstandsmitglied Ulli Pridat ist zwar froh darüber, dass die Impfung gegen die Affenpocken inzwischen auch in Berlin möglich ist. Seiner Meinung nach habe das Land aber viel zu langsam gehandelt. "Hat lange genug gedauert. Hätte viel früher passieren können." Gerade mit Blick auf die CSD-Demonstration am Samstag ist er besorgt. "Ich bin sehr beunruhigt, was inzwischen die Anzahl der Fälle angeht und wie schnell es gerade steigt."

Auch in Brandenburg sieht die Community Probleme. "Was passiert, wenn ich Symptome habe? Da ist die medizinische Grundversorgung in Brandenburg wirklich schlecht", schildert Jirka Witschak von der Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg die defizitäre Situation vor Ort. "Wenn man dann beispielsweise in Cottbus lebt und die Befürchtung hat, sich eine sexuell übertragbare Infektion zugezogen zu haben, dann ist die Frage: Wie schaffe ich das überhaupt, mich gut testen und gut beraten zu lassen." Wer sich infiziere, müsse im Zweifelsfall nach Berlin fahren, um sich behandeln zu lassen.

"Eine Stigmatisierung ist falsch"

Vor dem CSD für das Thema Affenpocken zu sensibilisieren, ist aus Sicht des Geschäftsführers des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, Alexander Scheld, der richtige Weg. Es sei aber vor allem wichtig, keine Stigmatisierung vorzunehmen.

Scheld übt hier auch Kritik am Robert-Koch-Institut (RKI) aus. Das RKI hatte in seiner Kommunikation kurz nach dem Auftreten der ersten Affenpocken-Fälle in Deutschland lediglich auf die Ansteckungen unter schwulen Männern hingewiesen. Das Ansteckungsrisiko für heterosexuelle Menschen wurde zunächst nicht erwähnt. Dieses Vorgehen habe sich eindeutig gegen die queere Community gerichtet, so Scheld. “Das darf nicht passieren. Und wenn das wieder auftritt, dann werden wir vehement in der queeren Community und mit allen Trägern dagegen gehen."

Ulli Pridat von CSD e.V. erinnert das stark an die HIV/AIDS-Krise. "Auch da wurden wir sofort […] in die Ecke gestellt. Und da springen sehr viele drauf. Das ärgert mich auch, weil es auch Fälle bei Frauen und bei Heterosexuellen gibt."

Vor dem CSD vermischen sich die Gefühle. Die Beunruhigung wegen der Affenpocken ist da. Doch der Wille zu demonstrieren und zu feiern, ist groß.

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Beitrag von Lena Petersen

32 Kommentare

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  1. 32.

    Mir geht es sowieso auf'n Sack, daß, jedes Thema was möglicherweise von Leuten, die nichts Gutes im Sinn haben, instrumentalisiert werden kann, nicht mehr sachlich geklärt wird. Von den einen wird man als Nazi beschimpft, von den Anderen als Systemhure oder Schlafschaf.

  2. 31.

    Gute, sachliche, unbestreitbare und daher richtige Analyse.

    Mehr ist thematisch nicht zu sagen.

  3. 30.

    "Nicht alles was Einigen nicht passt muss deshalb verschwiegen werden. Die Fakten müssen benannt werden dürfen."
    Genau auf den Punkt gebracht!
    Daran Scheitern aber auch die meisten Medien.

  4. 29.

    Das Problem scheint wohl die lange Inkubationszeit von bis zu 3 Wochen zu sein. Wahrscheinlich ist man schon infektiös ohne es zu merken. Selbst nach 8 Wochen wurde das Virus noch im Sperma nachgewiesen. Ob es noch für eine Ansteckung reicht, ist fraglich. Aber in dem Fall würden Gummis schützen.

  5. 26.

    Ja was denn nun? "LGBTQIA*-Community" oder "LGBTQA*-Community"? Und für was steht das "*"? Eine Erläuterung kanns ja wohl nicht sein. Mir ist es schnuppe, welche persönlichen Neigungen jemand hat, wie er aussieht etc. Auf den Menschen dahinter kommt es an. Aber ehrlich - dieser Akürfi geht mir langsam mächtig auf die Schnüse.

  6. 25.

    Danke für die sachliche Zusammenfassung, genau so ist es.
    Die vorliegenden Daten sind wie sie sind, ob einem das passt oder nicht.
    Und nur aus vorliegenden Daten kann man hinsichtlich einer Prävention tätig werden, ob man das gut findet oder nicht.
    Nicht alles was Einigen nicht passt muss deshalb verschwiegen werden. Die Fakten müssen benannt werden dürfen.

  7. 24.

    Mal ganz abgesehen, dass Affenpocken bisher wirklich keine nennenswerte Bedrohung darstellen und viele Menschen, so wie ich, noch gegen Pocken geimpft sind, bestätigt sich auch hier wieder die allgemeine Impfskepsis in Deutschland.
    Was wurde alles lamentiert warum eine Impfung, insbesondere mit den "neuartigen" mRNA-Vakzinen, einer Körperverletzung gleichkäme und man ja schließlich von einer Impfung einen sterilen, lebenslangen Schutz erwarte.

    So nun haben wir den mutationsfaulsten DNA-Erreger vor der Flinte, können genau die Impfstoffe einsetzen, deren Wirkung ja als einzig wahre Impfwirkung von Coronaschwurblern herausdiskutiert wurde und...man lehnt selbstverständlich auch diese Impfung ab.

  8. 23.

    "Das ärgert mich auch, weil es auch Fälle bei Frauen und bei Heterosexuellen gibt."
    Relativieren hilft aber auch nicht weiter und sorgt auch nicht für die dringend notwendige Vorsicht. Aktuell sind dem RKI bei Affenpocken 2.185 männliche und nur fünf weibliche sowie eine diverse Person mit Erkrankung gemeldet. Der Schluss ist nun mal logisch, wo die Hauptgefährdung zur Infektion liegt. Die reichlich 2.000 Herren werden sicher nicht alle Umgang mit nur fünf Damen gepflegt haben. Ursachenbenennung ist die Basis für Prävention, auch wenn die Ursache unbequem ist. Daraus direkt eine Vorverurteilung zu konstruieren, hilft niemandem weiter.

    *) Zahlen von rki.de

  9. 22.

    Eines verstehe ich nicht: Die Erkrankung zeigt ja durchaus erkennbare, äußerst unangenehme Symptome. Selbst, wenn man daraus die Krankheit nicht selber diagnostizieren kann, wäre doch die normale Reaktion, dies mal einem Arzt vorzustellen, um nicht vielleicht noch Andere damit anzustecken. Ist diesen Menschen das so vollkommen egal? Oder sind die so abgestumpft, dass sie es drauf ankommen lassen? Wie auch immer, keine gute Einstellung sich selbst, aber auch Anderen gegenüber.

  10. 21.

    Nein das meinte ich nicht. Ich habe auf die Eigenverantwortung verwiesen wegen der Übertragungen generell von Krankheiten. Gibt ja noch wesentlich mehr als Pocken oder Corona.

  11. 19.

    Lasst doch endlich mal die Menschen in Ruhe feiern!
    Es hat immer Krankheiten gegeben und wird es auch in Zukunft geben.
    Jeder ist doch alt genug.
    Außerdem ist noch niemand an den Affenpocken gestorben - so weit ich weiß.

  12. 17.

    Die Übertragungswege sind bekannt, jeder kann es bei vernünftigem Verhalten verhindern. Also, beim Schnackseln, Boys und Girls, Obacht!

  13. 16.

    Aus der Überschrift: "Mediziner stuft Übertragungsrisiko gering ein" Damit ist doch eigentlich alles gesagt, und daß der Veranstalter sich besorgt zeigt spielt dann keine Rolle mehr und ist eigentlich keine Meldung mehr wert.

  14. 15.

    Unmöglich, daß diese Veranstaltung jetzt stattfindet. Denkt denn niemand an die Gesundheit ?

  15. 14.

    Rbbs Überschrift mal wieder populistischer Unsinn.

  16. 13.

    Dieser Artikel ist echt unangebracht und stigmatisierend. Die Konditionen für eine 'casual' Übertragung, wie hier beschrieben, sind von jedem Großevent erfüllt. Warum is die implizierte Zusammenhang zum Queer-Sex notwendig? Wo war dieser Artikel zum Love Parade, zu den ganzen Konzerten und Festivals, die aktuell stattfinden?

  17. 12.

    Verdoppelungsrate von Affenpockeninfektionen zur Zeit zwei Wochen. "Die Veranstalter sind wegen zunehmender Affenpocken-Infektionen aber besorgt." Reicht hier "besorgt" zu sein aus? Warum hat man die Veranstaltung nicht abgesagt? Die Zahl der Affenpockenfälle explodiert in Deutschland. RKI meldete mit Stand 29.6.2022 874 Affenpockenfälle, zwei Wochen später mit Stand 13.07.2022 hat sich die Zahl der Affenpockenfälle auf 1.694 verdoppelt.
    Berlin gilt als Hotspot der Affenpocken-Infektionen.

  18. 11.

    Ach, und Sie meinen, beim CSD ist man zurückhaltender mit sexuellen Kontakten? Aus der Partylaune heraus, jung und unbeschwert, alles ist schön mit bunter/ rosa Brille... Sie haben ja gar keine Ahnung, von welchem Dorf kommen Sie?

  19. 10.

    Jeder soll seinen Spaß haben, solange er/sie/es nicht zu sorglos geschieht. Wer mit offenen Augen (und nicht nur auf sein Smartphone blickend) durch den Alltag geht, sieht genau das Gegenteil.

    Und morgen bei der Parade (die ja auch wieder als DEMO deklariert ist, damit die anderen schön die Kosten übernehmen!):

    Von überall her kommend, dicht an dicht (zum Ende des Tages Ende sicher auch intensiver ;-)), teils ohne MNS, Geimpfte und Ungeimpfte.... Also das komplette Paket. Eigentlich bin ein absoluter Optimist, aber...wir werde sehen, wie sich die nächsten Wochen/Monate entwickeln.

  20. 9.

    "Maßnahmen gegen Corona helfen auch gegen Affenpocken" . Ahja, warum muß man sich dann extra impfen lasssen?

  21. 8.

    .......die Vorfreude dämpft etwas...... Was soll das Wörtchen " etwas " ? Es ist doch nun wirklich so, die Ansteckung ist gewaltig, nicht nur das Affenpockenvirus, sondern auch Corona. Die Zahlen in Berlin werden explodieren.

  22. 6.

    Na das ist doch gut, wenn Sie dort nicht hingehen. Einer weniger. Und ja... wer zu dichtem Gedränge freiwillig geht, sollte die eigene und anderer Gesundheit im Auge haben.
    Mit Affenpocken oder überhaupt Pocken sich anzustecken ist beim einfach so mit jemandem zusammenstehen schwer möglich. Da müssten Sie den jenigen welchen von von oben bis untern abschlecken. Corona ist da wohl für solche Kuschelfeste eher wahrscheinlicher.

  23. 5.

    Ich gehe da auch nicht. Brauche weder Corona noch MPVX. Bei MPVX ist die Ausbreitung durch die sexuellen Kontakte (egal ob schwul, bi, hetereo oder lesbisch, oder, oder, oder…) neben dem CSD entscheidend. Außerdem ist es mir schlicht zu heiß.

  24. 3.

    Es sind in Deutschland bisher zwei Frauen betroffen. Man kann nicht schnelle Impfungen für die Risikogruppen fordern und gleichzeitig behaupten, dass Heterosexuelle sowie Frauen gleichermaßen betroffen seien. Das allgemeine Ansteckungsrisiko wurde niemals abgestritten, aber die bisher aufgetretenen Fälle sprechen nunmal eine klare Sprache. Und das muss von der Wissenschaft (also auch vom RKI) genau so kommuniziert werden können.

  25. 2.

    "United in Love!" Einen schönen Tag allen Teilnehmern m/w/d, habt Spass und passt auf euch auf!

  26. 1.

    Zitat von Leuten aus der Szene: ich gehen da genau so nicht hin wie ich nicht zu dem Strassenfest gegangen bin
    Warum
    0 Abstand ...
    Nee darauf habe ich keinen bock, mich mit dem einem noch mit dem anderen anzustecken.
    Den es passen zu wenige auf.

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