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Quelle: dpa/Jürgen Held

Interview | Klimaforscher

Wie globale Klimaphänomene das Wetter in der Region beeinflussen

Seit Wochen hat es in Berlin und Brandenburg kaum geregnet. Über dem Mittelmeer fällt derweil umso mehr Niederschlag. Wie hängt das zusammen? Und was bedeuten die Wetterveränderungen für die Region?

rbb|24: Herr Hoffmann, in den vergangenen sieben Wochen hat es in Berlin und Brandenburg kaum geregnet. Woran liegt das?

Peter Hoffmann: Wir beobachten schon länger, dass sich durch den Klimawandel nicht nur die Temperaturen erhöhen. Es ändern sich auch gewohnte Wettermuster. Windströmungen über Europa haben heute einen anderen Charakter als noch vor ein paar Jahrzehnten. In der Regel verlagern sich Tiefs relativ zügig vom Atlantik kommend über Mitteleuropa hinweg, was dazu führt, dass sich Regengebiete quer übers Land verteilen. Jetzt wird aber der Westwind vom Atlantik her geringer, sodass Tiefdruckgebiete eher nördlich oder südlich an uns vorbeiziehen. In den letzten Monaten gab es etwa über dem Mittelmeer viel Starkregen und bei uns war es trocken. Das ist ungewöhnlich.

Zur Person

Wieso weht der Westwind vom Atlantik weniger stark?

Wir beobachten schon seit Jahrzehnten, dass an den Polkappen aufgrund des Eisschwundes dunklere Ozeanflächen zum Vorschein kommen. Die können Wärme stärker aufnehmen als Eisflächen. Dadurch erwärmen sich die Pole und der Temperaturunterschied zwischen Polkappen und Äquator wird geringer. Dieser Temperaturunterschied ist aber wiederum ein wichtiger Antrieb für unsere Westwinde, den sogenannten Jetstream. Wenn der weniger weht, verlagern sich Tiefs und Hochs langsamer. Das heißt, aufeinanderfolgende Wetterlagen werden beständiger. Bei Hochdruck bleibt der Regen dann über Tage und Wochen aus. Während Tiefs fällt der Regen häufig immer wieder an derselben Stelle.

Was bedeutet das für das globale Klima?

Wenn die Wetterlagen stabiler werden, führt das zur selben Zeit zu verschiedenen Extremen an verschiedenen Orten. 2018 hatten wir etwa über Mittel- und Nordeuropa eine Hitzewelle mit Waldbränden, gleichzeitig gab es an der US-Ostküste Überflutungen. In Kalifornien haben wiederum Wälder gebrannt. Und auch in Japan gab es eine Hitzewelle. Wenn sich die aktuelle Entwicklung verstärkt, werden wir es immer häufiger mit diesen Kontrasten zu tun haben. Übers Jahr gesehen fällt bei uns oft genauso viel Regen wie früher, aber er fällt an weniger Tagen und weniger über das Land verteilt. Wir sollten uns daher nicht nur auf die Dürre, sondern auch auf lokale intensive Regenfälle vorbereiten, die auch mal eine Großstadt treffen können. Wegen der Veränderungen am Jetstream sind Niederschläge insgesamt schwerer zu prognostizieren als Temperaturen. Da entstehen möglicherweise auch Diskrepanzen in einigen Langzeitmodellen für Klimaentwicklung. Daran wird gerade geforscht.

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In den kommenden Tagen soll es in Berlin und Brandenburg regnen. Wie wird dieser Niederschlag ausfallen?

Wie schon angedeutet, ist das nicht der klassische Regen, der aus dem Westen kommt. Er kommt stattdessen aus einem Tief, das östlich von uns liegt. Das wird eher kein flächenhafter Regen sondern ein gewittriger und lokaler Regen. Dadurch werden einige Regionen nichts abbekommen. Der lokale und intensive Regen fließt außerdem schneller auf der Erdoberfläche ab. Dadurch wird die Trockenheit nachhaltig kaum kompensiert.

Was bedeutet das für die Region?

Wir haben in den letzten Jahren ein hohes Defizit an fehlendem Regen angehäuft. Die Grundwasserpegel liegen auf einem Rekordtief. Die Flusspegel sinken. Die Waldbrandgefahr steigt relativ früh im Jahr. Einzelne Regenfälle haben da wenig Einfluss. Wir bräuchten eigentlich mehrere feuchte Jahre in Folge, um auch die tieferen Grundwasserschichten wieder anzureichern. Auf die Wasserversorgung kommen daher große Herausforderungen zu: Wie hält man Wasser zurück, wenn es mal da ist? Wie speichert man es? Diese Probleme sind im Osten Deutschlands besonders dramatisch, denn hier fällt im Schnitt besonders wenig Regen.

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Was können Regierungen gegen das Problem tun?

Ich würde sagen, vor 2018 standen der Klimawandel und seine Folgen nicht so hoch auf der politischen Agenda. Das hat sich rasant geändert. Jetzt müssen wir den Worten Taten folgen lassen und auch einige unangenehme Maßnahmen einleiten. Eine wäre die Energiewende. Das ist die Aufgabe des Staates. Einige Umstellungen werden enorme Kosten verursachen. Da sollte jeder Sektor - etwa Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Wasserversorgung - gucken, wie er das abmildern kann. Kritische Infrastruktur ist dabei besonders wichtig. In Frankreich beispielsweise sind viele Kraftwerke an Flüssen, denn sie benötigen das Flusswasser zum Kühlen. Wenn die Flüsse trockenfallen, kann das den Betrieb stören. Um die Vulnerabilität der kritischen Infrastruktur zu reduzieren, wäre es gut, auf regenerative Energien zu setzen.

Was können Verbraucher im Alltag gegen die Entwicklung tun?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass man bestimmte Dinge, die früher normal waren, nicht mehr ohne Weiteres machen sollte. Zum Beispiel andauernd den Garten bewässern. Für bestimmte Situationen sollte es auch Regeln geben. Bei Wasserknappheit wäre etwa eine Priorisierung vernünftig. Zuerst käme die Trinkwasserversorgung, dann die Industrie und erst am Ende der Privatgarten. Da sollten von der Politik gesetzte Regeln akzeptiert werden.

Das Gespräch führte Philip Barnstorf für rbb|24

Sendung:

Beitrag von Philip Barnstorf

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