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Video: rbb24 Abendschau | 14.11.2023 | Uwe Wichert | Quelle: www.imago-images.de/SergejxGlanze

20-Jähriger vor Berliner Gericht

Knapp neun Jahre Jugendhaft nach Tod einer Fünfjährigen in Pankow

Im Februar wurde in Pankow eine Fünfjährige erst vermisst und dann tödlich verletzt gefunden. Schnell fiel der Verdacht auf ihren Babysitter, einen Bekannten der Mutter. Der Mann wurde nun zu einer Jugendstrafe von fast neun Jahren verurteilt. Von Ulf Morling

"Das war eine unglaublich schwere Gewalttat, ein grässlicher Vertrauensbruch dem Kind gegenüber", sagte der Vorsitzende Richter der 39. Jugendkammer am Berliner Landgericht, Uwe Nötzel, im Urteil. Das Motiv hätte in dem dreimonatigen Prozess nicht aufgeklärt werden können, es blieben lediglich Spekulationen, die sich für einen Strafprozess verböten.

In die Psychiatrie wird der Angeklagte mit dem Urteil im Prozess um den Tod einer Fünfjährigen in Berlin-Pankow aber nicht eingewiesen, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert. Es sei laut dem Sachverständigen nicht erwiesen, dass der 20-jährige am Tattag wirklich vermindert schuldfähig gewesen sei. Da aber der Grundsatz gelte, dass im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden sei, dürfe man ihn nicht in die Psychiatrie einweisen. Es müsse aber gewährleistet werden, dass der Angeklagte nie wieder eine solche Gewalttat begehen könne, die Allgemeinheit müsse geschützt werden, wurde im Urteil betont.

Prozess um getötete Fünfjährige in Berlin

"Sie will wissen, was mit ihrem Kind geschah"

Der Fall löste bundesweit Entsetzen aus: Im Februar wurde ein fünfjähriges Mädchen im Berliner Bezirk Pankow erstochen - offenbar vom damals 19-jährigen Babysitter. Seit Dienstag steht der junge Mann vor Gericht. Von Ulf Morling

Am Nachmittag des 21. Februar dieses Jahres hatte der Angeklagte die vier Kinder der 25-jährigen Bekannten seiner Familie betreut. Er war mit den vier Mädchen in den Bürgerpark Pankow gegangen und kurz darauf wohl mit der Ältesten, der fünfjährigen Anissa, verschwunden. Das hätten Zeugen und Überwachungsaufnahmen von Kameras eindeutig bewiesen, hieß es im Urteil. Erst Stunden später hatte die alarmierte Polizei das Kind leblos und lebensgefährlich mit sieben Messerstichen verletzt in einem Gebüsch in der Nähe gefunden. Im Krankenhaus war das Mädchen seinen Verletzungen erlegen.

Warum ersticht ein 19-Jähriger ein Kind?

"Keine Erklärung, keine Einlassung", stellten die beiden Verteidiger des Angeklagten schon zu Beginn des ersten Prozesstages im August klar. Seit seiner Festnahme am Tag der Tötung des Kindes bis zur Möglichkeit des letzten Wortes in seinem Prozess hatte der heute 20-jährige geschwiegen. Immer wieder hatte es Unruhe und Gefühlsausbrüche im Zuschauerraum gegeben.

Bis heute liegt das Motiv für die sieben tödlichen Messerstiche auf die Fünfjährige im Dunkeln, auch bei der Urteilsbegründung am 14. Verhandlungstag. 16 Wachtmeister mussten bei der Urteilsverkündung im Saal für Ruhe sorgen. Er habe wenigstens ein bisschen Mitgefühl erwartet gegenüber einer Mutter, die ihr Kind verloren habe, sagt der Vorsitzende Richter Nötzel. Davon habe er nichts bemerkt im Gerichtssaal.

Gökdeniz A. soll in der Nacht vor der Tat am 21. Februar 2023 bei der Mutter Sibel C. und ihren vier Kindern übernachtet haben. Sie habe dem seit Jahren Bekannten die Wäsche gewaschen, ihm zu Essen gegeben und sich für ihn verantwortlich gefühlt, hatte die 25-Jährige im Prozess berichtet. Denn sie sei selbst im Heim groß geworden und wisse, was es bedeute, niemanden zu haben, der sich um einen kümmere.

Nachdem sie am Nachmittag des Tattages Gökdeniz A. mit ihren vier Töchtern nach unten in den Park geschickt habe, sei später einer der Sozialarbeiter ihrer Wohngruppe erschienen und habe ihr mitgeteilt, dass die fünfjährige Anissa verschwunden sei. A. sei bei der Suche nach dem Mädchen im Bürgerpark nach Zeugenaussagen nicht hilfreich gewesen, so dass erst nach Stunden der leblose Körper des Mädchens in einem Gebüsch gefunden worden sei, tödlich verletzt mit sieben Messerstichen.

Gökdeniz A. war am Abend desselben Tages verhaftet worden und schweigt seitdem zu den Tatvorwürfen.

Berlin-Pankow

Babysitter nach Tod einer Fünfjährigen unter Tatverdacht

Die Polizei hat weitere Details zu dem Fall einer Fünfjährigen genannt, die am Dienstag in einem Berliner Park verletzt gefunden worden ist und später starb. Demnach war der festgenommene Tatverdächtige ihr Babysitter.

Jahrelang bekannte und entwurzelte Protagonisten

Weil der Verurteilte zur Tatzeit Heranwachsender war, war eine Jugendkammer für den Fall zuständig. Bei Verdächtigen zwischen 18 und unter 21 Jahren haben die Richter die Wahl, ob eine Verurteilung nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht erfolgt. Entscheidend dafür ist der Entwicklungsstand beziehungsweise die geistige Reife des Betroffenen.

Sowohl Gökdeniz A. als auch die Mutter der getöteten Anissa sollen unter schwierigsten sozialen Verhältnissen groß geworden sein, in Konfrontation mit Drogen, Prostitution und fehlender familiärer Wärme, hieß es gegenüber dem rbb. Deshalb soll Sibel C. mit ihren vier Mädchen in einer Wohn- und Hilfseinrichtung des Jugendamtes betreut worden sein.

Bei A. sollen laut einer Psychiaterin bereits in seiner Schulzeit massive psychosoziale Fehlentwicklungen aufgetreten sein. So habe er als Jugendlicher Mitschülerinnen an den Haaren gezogen, mit spitzen Bleistiften gestochen und an ihre bekleideten Intimstellen gefasst. Die Psychiaterin hatte eine "emotionale Überforderung" und eine Intelligenzminderung beim Angeklagten festgestellt. Nach dem Ende seiner Schulzeit 2020 sollen sich A. und C. schließlich in Berlin wieder begegnet sein, nachdem die 25-jährige mit ihren Kindern wieder in die Hauptstadt gezogen war.

Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.

Kriminalgericht Moabit: Hier hat lief Prozess gegen den inzwischen 20 Jahre alten Mann | Quelle: dpa/P. Zinken

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.11.2023, 15:00 Uhr

Beitrag von Ulf Morling

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