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Quelle: dpa/Thibault Camus

Der Absacker

Mit gebührendem Abstand bitte!

Seit das neue Corona-Virus da ist, haben wir einen sechsten Sinn für eine Sache bekommen: Nähe. Wie schwierig es ist, sie zu umgehen und wie sehr wir sie brauchen, haben wir in den letzten Monaten gemerkt. Hoffentlich vergessen wir das nicht, findet Haluka Maier-Borst

Wie hältst du es mit der Umarmung? Nach wie vor ist bei mir jedes Treffen mit Freunden von diesem einen fragenden Blick gekennzeichnet. Ellebogen-Bump? Schuhe aneinander streifen? Oder doch kurz drücken mit weggedrehtem Kopf, weil man mal wieder wen im Arm haben möchte? Der Eiertanz um die richtige Begrüßung ist nichts vollkommen Unbekanntes. Man kennt das, wenn man als Deutscher im Ausland unterwegs ist. Regelmäßig will man sich verkrampft locker geben und wirkt dabei entweder zu steif, weil man sich nicht französisch abbusselt. Oder unpassend jovial, weil man gerade den Japaner mit einem High Five begrüßt. Aber dass man selbst im eigenen Land in derartige Bredouille kommt, das ist neu.

Das Virus hat bei mir und anderen erreicht, dass man zumindest unterbewusst Nähe mit Risiko gleichsetzt. Das geht so weit, dass ich, wenn ich Filme oder Serien schaue mit Leuten, die sich umarmen oder zu eng beieinander stehen, jedes Mal in kurze Schockstarre verfalle. Und gleichzeitig neidisch bin auf diese sorglosen Zeiten.

1. Was vom Tag bleibt

Genau um diese körperliche Nähe im Kontext von Berufen dreht sich eine Recherche von meiner Kollegin Veronika Fritz und mir. Wir haben versucht herauszufinden, wie Arbeitende in Berufen bezahlt werden, in denen sie ihren Kollegen, Kunden oder Patienten sehr nahe kommen. Fazit: Tatsächlich ist es so, dass in Gesundheitsberufen und im Einzelhandel, oft die am wenigsten verdienen, die am häufigsten anderen nahe kommen.

Kleine Besonderheit dieser Geschichte war übrigens, dass Veronika und ich das erste Mal miteinander zusammengearbeitet haben und uns aber bis heute kein einziges Mal im echten Leben getroffen haben. Angesichts dieser Umstände hat das alles erstaunlich gut geklappt. Trotzdem hoffe ich, dass ich in Zukunft weiter Geschichten mit dieser tollen Kollegin machen darf. Und man sich dabei auch mal live und in Farbe sieht.

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2. Abschalten.

Ich weiß, ich weiß. Weder ist der Name Markus Söder ein Name, den man normalerweise mit menschlicher Nähe assoziert, noch einer den man unter einer Rubrik namens "Abschalten" vermutet. Aber dieser Text zum bayrischen Ministerpräsident hat mich begeistert [sueddeutsche.de]. Zum einen weil er den ein oder anderen Lacher bot. Beispiel:

"Heute ist es jedenfalls die nobelste Pflicht des Söder-Korrespondenten, das wachsende Auskunftsbedürfnis zu befriedigen. Manche Leute fragen einen nach Söder, wie sie einen Tierpfleger im Zoo Hellabrunn nach einem Panda fragen würden: Wie weich ist das Fell? Braucht er viel Schlaf? Isst er auch gut? Ja, er isst gut, da kann man den Bundesbürgern alle Sorge nehmen."

Zum anderen verhandelt der Text das spannende Verhältnis von Nähe und Distanz von Journalisten zu Politikern. Ich persönlich fand, dass es dem Autor Roman Deininger besonders gut gelungen ist, das ironisch und lakonisch für den Fall Markus Söder, den quasi Bayernkönig, aufzuschreiben.

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding und gönnt sich hin und wieder einen Absacker mit seinen Kolleginnen und Kollegen – und damit eine kleine Pause von der Nachrichtenlage. Vorerst allerdings nur digital aus dem Homeoffice.

3. Und, wie geht's?

Physisch nahe kommen können sich ja unsere Nutzer im Web sowieso nicht. Aber emotionale Nähe zeigt sich mitunter in den Kommentarspalten, wo es sonst doch recht stürmisch zugeht. So schrieb Lothar unter einem unserer Artikel zum Gewitter:

Zuerst sah ich den dunklen Himmel, der dann vorbei zog. Doch dann wie auf Knopfdruck fing es an von oben zu Schütten und wie. Dabei tauchte dann urplötzlich ein Sturm auf, der innerhalb von nur wenigen Minuten all meine Wildblumen in den Balkonkästen herunterdrückte. Wovon diese sich jetzt nicht erholt haben. Eine Blumentopf auf den Tisch konnte ich gerade noch rechtzeitig festhalten, damit er nicht heruntergeweht wurde.

Woraufhin eine Userin schrieb:

Das mit Deinen Blumen ist ja ärgerlich! Meinst Du, sie haben eine Chance, wieder "auf die Beine" zu kommen? Also auf den Stängel?

Dieser mitfühlende Moment für die Blumen eines Fremden, der war schon sehr knuffig. Schreiben Sie uns weiterhin, was Sie beschäftigt, denn inzwischen haben wir nicht nur Sommerloch an manchen Tagen auf der Seite, sondern auch im Maileingang. Schreiben Sie uns an absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld...

Zwei weitere Male werde ich heute noch mich mit dem Thema Nähe beschäftigen. Unserer WG stehen nämlich nachher noch zwei Besichtigungen ins Haus. Und wieder wird die Frage sein, wie jemanden begrüßen, den man bisher noch kennt, aber bald vielleicht aus den gleichen Tellern isst.

Genießen Sie den Sommer mit der richtigen Dosis Nähe sagt:

Haluka Maier-Borst

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