Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 10. Tür: Den Wind im Gesicht und vom Wegesrand unbändiger Jubel

Sa 10.12.22 | 08:04 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Honeckers Staatslimousine parkt vor dem Brandenburger Tor (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Bewegung lässt sich sehr bequem auch im Sitzen genießen. Natürlich können einem dabei noch andere zugucken, und natürlich würde man sie grüßen, ihnen zuwinken. Einst gab es in Berlin Männer, die diese Tätigkeit perfektionierten: das Winken.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Mobilität ist immer mit Parametern verbunden: Gänge und Gewicht etwa beim Fahrrad, Standort- und Akkuanzeige beim Leihroller, oder: die Anzahl der Sitzplätze im Oberdeck beim Doppelstockbus. Autokartenspiele machen diese Parameter zu Trümpfen. Die besten Stiche machen immer die Kubikzentimetergiganten, lernte man dabei. Eine Lebensweisheit.

Aber es gab sicher auch ein paar Spiele, in denen Autos mit der Zahl ihrer Türen punkteten. Hervor stachen dann Limousinen, in die man auch von hinten eintreten konnte. Ein Bestwert, der sicher nie auf einer Autokarte erschien, ist die Dachluke, die Öffnung nach oben, sodass die Insassen sich aufstellen und dem Volk winken können.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Ganz unterschiedliche Moden beim Winken

Die Dachöffnung ist dabei auch nicht immer eine Luke. Die Trennung ist hier sehr schwer: Zählt auch das Schiebedach? Ist das Cabrio, der offene Wagen, schon eine Wink-Limousine? Bei genauerer Betrachtung scheint die Dachluke sogar irgendwie osteuropäisch zu sein, geschaffen für Parteichefs. Aber auch vor und nach den Kommunisten gab es freudig winkende Männer, etwa Sportstars, US-Präsidenten, natürlich der Papst und noch früher die Monarchen und davor auch die ungläubigen Herrscher.

Heute nun ist dieses Winkmobil ein bisschen aus der Mode gekommen: Sportstars grüßen nur noch von Balkonen, königliche Ausfahrten im Fiaker sind für die Security nur schwer zu sichern, der Papst wirkt komisch in seinem fahrbaren Aquarium, nur Xi Jinping winkt immer noch gerne stehend aus der Luke.

Winken, wo es draußen schön aussieht

Vielleicht haben Hohn und Spott diese Repräsentationsautos aus der Mode gebracht. Die DDR-Größen wussten mit Sicherheit, dass über die Jubelallee von Berlin Mitte nach Norden hoch durch die Schönhauser Allee ins Schloss Schönhausen die Leute witzelten. Sie hieß "Protokollstrecke" im Verwaltungsapparat und wurde vor Staatsbesuchen zumindest äußerlich und fürs Winken-aus-dem-Auto aufgepeppt. Wenige Meter hinter der Jubelallee reichte die Farbe schon nicht mehr, und es bröckelte zünftig.

Die heute verbreiteten Stadtrundfahrtcabrios werden tretend angetrieben und haben nur ein bisschen Elektrounterstützung. Dann ist da noch das mit Kindern vorn bestückte Lastenrad und das zeigt, dass Winken und Rauskucken etwas Unpolitisches sind. Berlin zumindest lernt, aber hat lange gebraucht.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

1 Kommentar

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  1. 1.

    Ich war mal in Schönefeld (hiess da noch so) als ein Staatsbesuch abgefertigt wurde. Der Polizeifunk kann manchmal wohl auch ganz schön laut sein, jedenfalls wurde die Frage nach der Wegstrecke über Funk mit "Rote Route Eins" beantwortet. Keine Ahnung wo das ist, wahrscheinlich sowas wie Jubelallee.

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