rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 2. Tür: Brandenburgs letzte wahre PS-Schau und ein bisschen "Eiserner Gustav"
Das Pferd war einst Garant für überregionale Mobilität: für die schnelle Runde das Warmblut, das Kaltblut-Gespann bewältigte die Lasten. Vor hundert Jahren liefen Bahn und Auto dem Pferd den Rang ab. Brandenburg aber hat bis heute nicht genug vom Gaul.
24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
"Titanen" lautet das erste Wort dieses Türchens. "Titanen der Rennbahn" nennen die Organisatoren in Brück eine Veranstaltung, bei der Pferdewagen um die Wette fahren, gezogen von Kaltblütern, also von Pferden, die eher ruhig schwere Lasten ziehen können. Genauer muss man sagen: "...n-a-n-n-t-e-n die Brücker eine Veranstaltung", denn die "Titanen" sollten bereits seit Jahren zum letzten Mal stattfinden. Dieses letzte Mal fiel aufgrund der Corona-Einschränkungen tatsächlich zwei Jahre lang aus - und fand in diesem Sommer dann doch wieder statt. Offiziell war aber das nun wirklich der Abschied! Mal sehen.
Titanen ohne Sekt
Das Besondere an diesem Ereignis in Brück ist, dass es eben kein klassisches Pferderennen ist. Bei den Galoppern etwa kommen die Besitzer im feinen Zwirn in den Führring, werden vorgestellt und sprechen dann über das Pferd, ein bisschen Smalltalk, die Jockeys und Jockettes sitzen auf, rücken ein, die Startboxen gehen auf und wenige Minuten später blicken alle neidisch auf ein paar laut jubelnde Glückspilze, die sich freuen, weil sie einen Fünfer in der Dreierwette auf die Außenseiterkombi gesetzt hatten, die nun doch tatsächlich genau so durchs Ziel gelaufen ist.
Die Titanen in Brück aber sind nichts für einen Sektempfang. Anders als bei den klassischen Pferderennen geht es in Brück um Gespanne von bis zu 20 Pferden (ganz selten auch mal mehr), es geht um Lasten, alte und neue Kutschwagen. Die Stars sind Mulis und Ponys und Gäste in Verkleidungen. Und die Superstars? - Na klar: Das sind die Gespanne!
Vom eisernen Gustav lernen
Die Traurigkeit über das Ende dieser Veranstaltung lässt sich vielleicht vergleichen mit dem Schicksal eines Romanhelden von Hans Fallada, der dafür wohl ein echtes Berliner Schicksal als Vorlage hatte: Gustav Hartmann, genannt "Der eiserne Gustav". Dieser macht Ende der 1920er eine lange letzte Reise mit seiner Kutsche und seinen Pferden, die immer mehr von den Autos verdrängt werden. Auf der Reise will er noch mal alles beweisen: von Berlin nach Paris und wieder zurück. Ja, er wird dafür dann auch bejubelt. Das alles läuft nicht ganz so, wie Gustav sich das vorgestellt hat, aber immerhin.
Das Ende der Pferdekutschen als Tranportmittel konnte auch Gustav nicht aufhalten und gewusst hat genau das eben Hans Fallada - ein in Vorpommern geborener Berliner, der den Kaltblütern mit seinem Roman ein Denkmal setzte.
Dieser eiserne Gustav wäre auch heute nicht glücklich in einem Berlin, wo die Kutschpferde eine Art Auffangwindel tragen müssen. Berlin ist sowieso nichts für Pferde: Pferde sind irdisch, lassen sich nicht reparieren und stören bei der Reise in die Zukunft.
Hoffnung dagegen für Pferde keimt in Brandenburg und damit auch Hoffnung für den guten alten Kutschwagen. Wenn man nämlich in die Statistik schielt, gehts den Stuten und Hengsten im Land nicht schlecht. Bis auf den Haflinger, legen Pferde der ganz verschiedenen Züchtungen zahlenmäßig zu in Brandenburg, und die Zahl der Reitsportvereine und ihrer Mitglieder ist seit etwa zehn Jahren auch stabil. Brandenburg reitet in die Zukunft. Zumindest ein bisschen.