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Video: Abendschau | 03.02.2022 | Kerstin Breinig | Quelle: dpa/Sebastian Gollnow

#WirWerdenlaut

Schülervertreter wenden sich mit offenem Brief gegen Corona-Schulpolitik

Wegen der Corona-Lage an den Schulen fordern Schülervertreter in einem offenen Brief die Politik zum Handeln auf. Sie werfen ihr vor, Schülerinnen und Schüler im Stich zu lassen. Nun gibt es erste Gesprächsangebote.

Im Internet kursiert aktuell ein offener Brief von über 100 Schülervertretern - darunter auch Anjo Genow. Er ist Schulsprecher eines Berliner Gymnasiums und Mitglied des Länderschulausschusses. Die Schülerinnen und Schüler werfen der Politik darin unter dem Hashtag #WirWerdenlaut vor, sie im Stich zu lassen. Der Brief richtet sich an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Karin Prien (CDU).

"Der aktuelle Durchseuchungsplan ist unverantwortlich und unsolidarisch", heißt es in dem Brief. "Schulen sind keine sicheren Lernräume." Gefordert werden unter anderem Luftfilter in allen Schulen, kleinere Lerngruppen und PCR-Pooltests. Das Schreiben richtet sich zudem gegen die Präsenzpflicht. Schülerinnen und Schüler müssten mit ihren Familien selbst entscheiden können, in welcher Art der Beschulung sie sich wohler und sicherer fühlten.

Politikerinnen bieten Gespräche an

Stark-Watzinger und Prien haben den Schülervertretern mittlerweile Gespräche angeboten. "Mir ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler und ihre Vertreter wissen, dass sie gesehen und gehört werden", schrieb Stark-Watzinger am Donnerstag bei Twitter. Ihr Gesprächsangebot an die Bundesschülerkonferenz stehe. "Gerne bin ich zum Austausch mit weiteren Schülervertretern über die Situation an den Schulen bereit", fügte sie hinzu.

Ähnlich äußerte sich die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz Prien: "Es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen Schüler-, Eltern- und Lehrervertretungen auf Länderebene mit den Bildungsministerien", schrieb sie bei Twitter. Sie habe gleich nach Amtsantritt auch der Bundesschülerkonferenz Gespräche angeboten. "Wenn Sie/Ihr außerhalb der gewählten Schülervertretungen sprechen wollt, lade ich persönlich dazu gerne ein." Prien bot "volle Transparenz" und einen Livestream des Gesprächs an, "damit alle zuschauen können".

Ausgesetzte Präsenzpflicht an Berliner Schulen

Homeschooling wird auf Zeugnis als entschuldigte Fehlzeit erfasst

Zur ausgesetzten Präsenzpflicht an Berliner Schulen hat die Senatsverwaltung einige Bedingungen formuliert. So muss das freiwillige Fernbleiben jeweils mindestens eine Woche andauern und wird auf dem Zeugnis als entschuldigte Fehlzeit erfasst.

Bildungsverwaltung verteidigt getroffene Maßnahmen

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Bildung reagierte am Donnerstag auf die Kritikpunkte. Man nehme die Sorgen und Nöte von Schülerinnen und Schülern sehr ernst, teilte ein Behördensprecher mit. Zugleich verteidigte er die bisher getroffenen Maßnahmen in Schulen.

23.000 Luftfiltergeräte seien an Berliner Schulen ausgeliefert worden oder würden diese schon bald erreichen. "Rechnerisch sind das genauso viele Luftfiltergeräte, wie wir in Berlin Klassenzimmer an öffentlichen Schulen haben. Die Präsenzpflicht ist bereits ausgesetzt und es wird auch Erleichterungen bei den Prüfungen geben. Darüber hinaus werden die Schulen kontinuierlich mit Persönlicher Schutzausrüstung (Mund-Nasen-Bedeckungen, FFP2-Masken, Kittel und Visiere für Förderzentren) versorgt", heiß es in der Stellungnahme weiter. Zudem würden Millionen weitere Schnelltests an die Schulen im Land Berlin geliefert.

SPD-Bildungsexperte äußert Verständnis

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Marcel Hopp, äußerte am Freitag Verständnis für den Protest von Schülerinnen und Schülern in der Corona-Pandemie. Hopp sagte in einem Interview mit radioeins vom rbb, Kinder und Jugendliche hätten in den vergangenen zwei Jahren am meisten unter der Corona-Pandemie gelitten, gleichzeitig aber alle Maßnahmen geduldig mitgetragen.

Allerdings sei Berlin in einigen Punkten schon den Forderungen aus dem bundesweiten offenen Brief von Schülervertretungen entgegengekommen, so der Bildungsexperte. Bis Ende Januar seien 30.000 Luftfilter an die Schulen geliefert worden, die Präsenzpflicht sei ausgesetzt und nach den Winterferien werde in den Schulen täglich getestet.

500.000 Corona- und Quarantäne-Fälle bei Schülerinnen und Schülern

Die Kultusministerkonferenz legte unterdessen neue Zahlen zur Situation an Schulen vor. Demnach waren in der vergangenen Woche knapp 500.000 Corona- und Quarantäne-Fälle bei Schülerinnen und Schülern bekannt (Vorwoche: 360.000). Das waren bezogen auf die Gesamtzahl von rund zehn Millionen Schülern, die der Statistik zugrunde liegen, etwa fünf Prozent. Grundlage sind Rückmeldungen aus den Bundesländern.

Allerdings geben die Daten nur einen groben Überblick. So meldet Berlin in der laufenden Woche wegen der Ferien keine Zahlen. "In der Schule durchgeführte Schnelltests werden nicht mehr durch PCR-Tests bestätigt, so dass keine validen Daten vorliegen", so die Begründung. In den zwei Wochen vor den Ferien seien 4,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler wegen eines positiven PCR-Tests nicht in der Schule gewesen.

Aus Hamburg und Niedersachsen liegen keine Daten zu Quarantänefällen vor. Bei den etwa 900.000 Lehrkräften waren in der vergangenen Woche rund 20.000 Corona- oder Quarantänefälle bekannt, in der Vorwoche waren es rund 15.000. Von den mehr als 28.000 Schulen, die in die Statistik einfließen, waren deutschlandweit 14 ohne Präsenzbetrieb (Vorwoche: 10). Bei etwa 1.800 gabe es Einschränkungen (Vorwoche: 1.600).

Sendung: Abendschau, 03.02.2022, 19:30 Uhr

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