Moscheeverein verboten - Großrazzia mit 450 Polizisten - Senator spricht von gelungenem Schlag gegen Islamisten
Die "Fussilet"-Moschee galt als "Terrornest" in der Hauptstadt. Gefährder wie der spätere Weihnachtsmarkt-Attentäter Amri gingen ein und aus. Doch jetzt ist der Moscheeverein verboten. Innensenator Geisel sagte, geistige Brandstifter hätten keinen Platz in Berlin.
Nach dem Verbot des umstrittenen Berliner Moscheevereins "Fussilet 33" hat die Polizei am Dienstagmorgen eine Großrazzia gestartet. Durchsucht wurden nach Angaben von Innensenator Andreas Geisel (SPD) 24 Objekte. In Berlin waren dies neben der ehemaligen Moschee in der Perleberger Straße insgesamt 15 Wohnungen, zwei Gewerberäume und sechs Hafträume von Vereinsmitgliedern in den Haftanstalten Moabit und Tegel. Außerdem wurde eine Wohnung in Rüdersdorf (Brandenburg) und eine in Hamburg durchsucht.
Insgesamt waren rund 450 Beamte im Einsatz, erklärte Geisel. Der Großeinsatz erfolgte als Amtshilfe für die Innenverwaltung. Unter anderem sei das Vermögen des Vereins beschlagnahmt und eingezogen worden. Bei der zuständigen Bank wurden zudem die Bankbewegungen der letzten sechs Monate angefordert.
Die Fussilet-Moschee im Stadtteil Moabit galt als Treffpunkt für Islamisten und "Moschee der IS-Leute", wie Staatssekretär Torsten Akmann erklärte. Auch der Attentäter vom
Breitscheidplatz, Anis Amri, hielt sich mehrfach dort auf, unter anderem eine Stunde vor dem Attentat vom 19. Dezember, bei dem er einen polnischen LKW-Fahrer umbrachte und mit dessen Lkw auf dem Weihnachtsmarkt weitere elf Menschen tötete und mehr als 50 verletzte. Der Moscheeverein zog in der vergangenen Woche bereits aus seinen bisherigen Räumen aus.
Verbot kam später - Mitarbeiter war krank
Innensenator Geisel wertete das Verbot des Moscheevereins als wichtigen Schlag gegen den islamistischen Terror. Es gehe ein klares Zeichen davon aus, dass Menschen, die Gewalt ausübten oder predigten, in der Stadt keinen Platz hätten, sagte der SPD-Politiker. "Berlin ist kein Ort für geistige Brandstifter." Er kündigte ein hartes Durchgreifen gegen weitere extremistische Gruppierungen in der Hauptstadt an.
Der "Fussilet"-Moscheeverein habe die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützt, Spenden für Terrorgruppen gesammelt, Kämpfer für den bewaffneten Dschihad in Syrien und dem Irak rekrutiert.
Staatssekretär Akmann sagte, das Verbot sei bereits im Februar 2016 erwogen worden, im Sommer habe man aber davon abgesehen. "Das hing auch mit der personellen Situation zusammen", sagte er. Der zuständige Mitarbeiter in der Verwaltung war krank geworden. Der grüne Innenexperte Benedikt Lux bezeichnete das als "schlechtes Handwerk" des ehemaligen Innensenators Frank Henkel (CDU). Es sei "kein Hexenwerk", diese Stellen nachzubesetzen. Burkhard Dregger, Innenexperte der CDU, nahm Henkel in Schutz. Dass ein Mitarbeiter erkrankt sei, habe keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Verbots gehabt, sagte er der Abendschau.
Maßgebliche Akteure sitzen in Haft oder in U-Haft
Zur Begründung des Moscheeverbotes, das seit Dienstag gilt, sagte Innensenator Geisel unter anderem, maßgebliche Funktionsträger und Akteure des Vereins seien wegen der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland und der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten angeklagt oder bereits verurteilt worden. Drei Führungspersonen säßen derzeit in Untersuchungshaft, ein Imam sei in Haft, ein weiterer sei jüngst wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommen worden.
"Ein Vereinsverbot muss hohe juristische Hürden nehmen, die Ermittlungen müssen gerichtsverwertbare Erkenntnisse über die verbotswidrige Tätigkeit liefern", erklärte Geisel weiter. "Es bedarf der rechtlich schwierigen Bewertung, ob das Verhalten der Vereinsmitglieder oder der Besucher dem Verein selbst zugerechnet werden kann. Nur dann besteht die Voraussetzung für ein Vereinsverbot. Bei Fussilet 33 ist dies gelungen."
Suche nach Hasspredigten und anderen Beweisen
Bei den Durchsuchungen am Morgen sollten weitere Beweismittel für Straftaten sichergestellt werden, etwa Predigt-Texte, in denen offen zum "Heiligen Krieg" oder zum Töten von "Ungläubigen" aufgerufen wird, wie rbb-Islamismusexperte Jo Goll erklärte. Dafür sollten beispielsweise Rechner, Propaganda-Material, Mitgliederlisten und ähnliches beschlagnahmt werden.
"Die Beweise braucht man für den Fall, dass der Moscheeverein gegen das Verbot klagt", sagt Goll. Ein Vereinsverbot greife schließlich tief in Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit und - in diesem Fall - das Recht auf freie Religionsausübung ein. Er selbst rechne aber nicht mit einer Klage, weil der Verein durch die Untersuchungshaft beziehungsweise Haft mehrerer Aktivisten und Vereinsvorstände sehr geschwächt sei.
Experte: Behörden hatten starke Belege, taten aber wenig
Die Polizei hatte die Räume bereits 2015 durchsucht. Insgesamt zehn Gefährder, die regelmäßig in der "Fussilet"-Moschee verkehrten, waren den Behörden bekannt, so Goll. Die Gefährder seien mit einer dauerhaft installierten und rund um die Uhr laufenden Kamera beim Betreten und Verlassen der Moschee beobachtet worden.
"Man wusste also: Die Moschee ist das Terrornest in der Hauptstadt", sagt Goll weiter. Dass IS-Anhänger ein- und ausgingen, habe man auch aus abgehörten Telefonaten gewusst. "Moscheevorstände haben das gesagt: Wir sind die Anlaufstelle für ISIS-Leute in Berlin." Auch so genannte Märtyrer-Videos seien hergestellt worden, wie sie in Zusammenhang mit Selbstmordattentaten verwendet werden.
"Die Belege waren stark, aber es ist reichlich wenig passiert", schlussfolgert Jo Goll.